Der Tod des Autors als Geburt des Editorsvon Uwe Wirth Dieser Aufsatz ist erschienen in: Text und Kritik, Digitale Literatur, Heft 152, Gastredaktion Roberto Simanowski, 2001, S.54-64. 1. Vorspiel Im Vorwort zu seinem Buch Hypertext: The Convergence of Contemporary Critical Theory and Technology vertritt George P. Landow die These einer wechselseitigen Bereicherung von Literaturtheorie und Hypertext. Die Literaturtheorie verspreche, so Landow, den Hypertext zu theoretisieren und der Hypertext verspreche, bestimmte Aspekte der Literaturtheorie zu verkörpern und dadurch zu testen (vgl. Landow 1997: 3). Die beiden Problemkreise betreffen dabei das nichtlineare, vernetzte Erzählen, das aufgrund seiner Linkstruktur kein Zentrum und keine festen Grenzen mehr kennt, sowie die Rollen und Funktionen von Autor und Leser. Landows vielversprechende These bestimmt bis heute die Debatte um "Literatur im Netz", bzw. um "Netzliteratur" - auch wenn am Neuen Markt der Hypertexttheorie mittlerweile Ernüchterung eingetreten ist. In ihrem Aufsatz "Lost in hypertext" formuliert Simone Winko theoretische Bedenken: Landows Parallelsetzung berge die Gefahr einer unzuverlässigen Verallgemeinerung. Zum einen, da die "für eine genaue Behandlung des Autor-Themas wichtige Unterscheidung von Medium und Medienprodukt" nicht präzise vorgenommen werde; zum anderen, da "Nicht alles, was in einem Medium technisch möglich ist, (...) zu den tatsächlichen Eigenschaften eines Medienproduktes zählen (muß)" (Winko 1999: 517f.). Stephan Porombka geht noch einen Schritt weiter, wenn er in seinem Essay "literatur@netzkultur.de" grundsätzlich in Zweifel zieht, ob die Netzliteratur überhaupt in der Lage sei, die an sie herangetragenen theoriebeladenen Visionen einzulösen. Digitale Literatur wollte "zwar epochemachend sein", habe aber "niemals Epochemachendes vorgelegt" (Porombka 2000: 60). Eine Bestätigung dieser kritischen Sicht findet sich auch von Seiten "der Praxis". In Thomas Hettches Vorwort der Druckfassung des von ihm herausgegebenen Online-Projekts NULL heißt es:
Dieser skeptische Gestus gegenüber experimentellen Hypertextprojekten hat "programmatischen" Charakter: Scholzens Bemerkung spiegelt, wie Hettche schreibt, "die grundsätzliche Veränderung der Perspektive auf Netz-Literatur" wider (ebd.), sie ist als Zitat im Rahmen des Herausgebervorworts gleichsam die "Selbstrepräsentation des Konzepts", welche das NULL-Projekt verkörpert. Dasselbe wie stets: Erzählen. Obwohl das formale Konzept des NULL-Projektes ja weitaus diffiziler ist, nämlich der Plan eines Aggregats von losen Blättern -Erzählungen, Gedichten, Trouvaillen aller Art -, die im Rahmen eines chronologischen Zettelkastens veröffentlicht werden.
Doch nicht nur auf implizitem Wege läßt sich zeigen, daß Hettche nicht frei von Netzphantasien ist. In einer seiner monatlichen Einleitungen, die den während des Jahres 1999 eingegangenen Texten ausgewählter Autoren vorangehen, heißt es, das Netz übersetze unsere "ganze soziale Person und körperliche Existenz in ein Arrangement von Pixeln, Samples und Bits" und werde so "zu unserer Garantie ewigen Lebens, denn mit dieser Übersetzung endet der Unterschied zwischen Original und Kopie". Doch damit nicht genug, denn:
Das erinnert - wenn auch unter anderen konnotativen Vorzeichen - an
Roland Barthes folgenreiche Netzmetapher, die er in Die Lust am Text
entwickelt: der Text als "Gewebe", das "durch ein ständiges
Flechten entsteht und sich selbst bearbeitet; in diesem Gewebe - dieser
Textur - verloren, löst sich das Subjekt auf wie eine Spinne, die
selbst in die konstruktiven Sekretionen ihres Netzes aufginge"
(Barthes 1986: 94). Barthes Spinnenmetapher ist immer wieder als Programm
des Schreibens und Lesens im World Wide Web gedeutet worden, das ja
ebenfalls "ständig im Entstehen begriffen" ist und mit
Hilfe von Links ein Netz von überpersönlichen Verknüpfungen
bildet. Von diesem Bild nimmt nicht nur die Debatte um die "Autorschaft
im Netz" ihren Ausgang, sondern auch die um den "Tod des Autors".
2. Der Tod des Autors und die Geburt des HerausgebersFolgt man der von Barthes in "La mort de l´auteur"
vertretenen These, so ist der metaphorische Tod des Autors die Voraussetzung
für die Geburt des Lesers: "la naissance du lecteur doit se
payer de la mort de l´Auteur" (Barthes 1984: 67). Die "kohärenzstiftende
Funktion des Autors", wie sie ein Jahr später auch Foucault
in "Was ist ein Autor?" beschreibt, verliert in dem Maße
an Relevanz, in dem der Leser zur einheitsstiftenden Instanz wird: "l´unité
d´un texte n´est pas dans son origine, mais dans sa destination"
(Barthes 1984: 66). Die einstmals auktoriale Funktion der Einheitsstiftung
wandert damit vom Ursprungspunkt, dem Akt der Texterzeugung, zum Zielpunkt,
also dem Akt des Lesens. Der Totengräber des Auteur ist jedoch
nicht der Lecteur, sondern, der Scripteur. Der "moderne Scriptor"
wird nicht mehr, wie der Autor, durch seine Individualität bestimmt,
sondern er ist eine überpersönliche "Instanz des Schreibens",
die den Text im Vollzug eines "performativen Aktes" hervorbringt.
Der Akt des Schreibens ist nicht mehr ein "origineller Akt"
des Zeugens, sondern ein zitierendes Zusammenschreiben von Fragmenten.
Demgemäß besteht die "Macht des Schriftstellers"
lediglich im auswählenden Zerlegen und im arrangierenden Mischen
von Textbausteinen - "son seul pouvoir est de mêler les écritures"
(Barthes 1984: 65). Norbert Bolz weist in Am Ende der Gutenberggalaxis auf den strukturellen Zusammenhang von Fußnote und Hypertext hin. Der Hypertext sei "eine generalisierte Fußnote" heißt es dort, er bilde "ein Netzwerk aus Fußnoten zu Fußnoten". Dieses Netzwerk lasse sich aber, so Bolz, "in Print-Medien nicht mehr sinnvoll darstellen" (Bolz 1993: 222). Diese Grenze der Darstellbarkeit ist die Demarkationslinie zwischen "Literatur im Netz" und "Netzliteratur". Der Link als elektronische Fußnote impliziert zum einen eine nichtlineare Form des Schreibens, zum anderen einen aktiven Leser, der sich bei jedem Link entscheiden muß, ob er dem angebotenen Pfad folgt oder nicht. Die Dynamik von Links läßt sich, darauf hat Jay Bolter (vgl. Bolter 1997: 44f.) hingewiesen, mit jener Form von diskursiver Abschweifung vergleichen, die Sternes "Tristram Shandy" proklamiert:
Hypertexte sind ihrem Prinzip nach "radikalisierter Shandyismus".
Die digressive Abschweifung ist dabei nicht nur eine Strategie des Autors,
sondern kennzeichnet die Grundhaltung des Lesers, der zum "peripathetischen
Lesen" aufgefordert ist. Die Digression, verstanden als "diskursiver
Spaziergang" ist, wie Derrida betont, eine Form der Dissemination,
eine Bewegung der Aufpfropfung, welche die Ränder des Textes etabliert
und erweitert: Als Vorwort vor dem Vorwort, als Kommentar des Kommentars
- man denke an Swifts A Tale of a Tub, an Rousseaus Vorworte zur Nouvelle
Héloise oder an Jean Pauls "Appendix des Appendix".
Koppelt man Bushs Idee eines assoziativ-digressiven Memory Extender
mit Barthes Idee vom Leser als zusammenlesenden Einheitsstifter, so
kommt man in Schwierigkeiten, denn die Digression ist als Abschweifung
eine Form der Zerstreuung. Zerstreuung aber impliziert Inkohärenz.
Die Funktion des Lesers als Einheitsstifter am Zielpunkt gerät
damit ins Wanken. Dies liegt zum einen am Begriff der Einheitstiftung
selbst, zum anderen aber daran, daß die "mischende Macht"
des Schriftstellers bei Barthes, ebenso wie das Herstellen und Archivieren
von assoziativen Verknüpfungen bei Bush das lineare Verhältnis
von Schreiben und Lesen umkehren. Der Scripteur als Zusammenschreiber
muß immer schon Lecteur gewesen sein, um seine Funktion, "de
mêler les écritures", ausführen zu können.
Die Instanz, welche die Funktion des Scripteur und des Lecteur verbindet,
ist der Editeur, der als erster Leser und zweiter Autor das Geschriebene
anderer zusammenliest und zusammenschreibt. Dergestalt wird die Frage
nach dem Autor in die Frage nach dem Herausgeber und nach dem Herausgeberrahmen
transformiert. Damit wird die literaturwissenschaftlich und medientheoretisch
hoch relevante Frage nach den Rahmungstechniken und -strategien thematisiert.
Das editoriale framing ist mehr als ein paratextuelles Spiel. Es ist
ein Verfahren, den Rand - und mit ihm die diskursiven und die technischen
Rahmenbedingungen - zu thematisieren.
Unter medientheoretischen Vorzeichen zielt die Frage nach dem Herausgeber sowohl auf die technischen Rahmenbedingungen als auch auf die Inszenierungsmöglichkeiten der Funktion Autor. Dies betrifft das Repertoire der zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten, den Akt des Herausgebens auszuführen und aufzuführen. Angefangen mit den Techniken des Druckens und Verlegens von Büchern für das Massenpublikum des 18. Jahrhunderts, bis hin zu den Editingprogrammen für Text und Bild, welche das Herstellen von Hypertexten ermöglichen. Jeder Webmaster ist ein Herausgeber, der das editoriale Recht hat, auf der von ihm verwalteten Homepage korrigierend und arrangierend einzugreifen und dadurch einen editorialen Rahmen zu etablieren. Diese editoriale Rolle fällt auch den Initiatoren von offenen kollaborativen Mitschreibprojekten wie "Beim Bäcker" oder geschlossenen Projekten wie "NULL" zu. 3. Das editoriale Framing im Kontext von Netzliteratur und Hypertextinszenierung Das Grundproblem des editorialen framings läßt sich anhand des Mitschreibprojekt "Beim Bäcker" auf Claudia Klingers Homepage veranschaulichen. Das Projekt begann 1996 mit einer kurzen Szene von Carola Heine, die in einem Bäckerladen spielt. Eine junge Frau kauft Brot, sie sieht eine Mutter mit ihren drei niedlichen Kindern, dies löst in ihr den Wunsch nach eigenen Kinder aus, da sieht sie einen muskulösen und attraktiv verschwitzten jungen Mann: "Seine Erbanlagen sind sicher ausgezeichnet, bei diesen dichten braunen Haaren und den feurigen dunklen Augen, er wäre eine wahre Investition". Die Beschreibung eines erotischen Moments, wie wir ihn jeden Monat in der Brigitte oder der Cosmo lesen können. Doch wie geht die Geschichte weiter? Zwei Jahre lang "lebte" "Beim Bäcker" - 37 Folgen wurden von 23 AutorInnen geschrieben. Ruft man heute die Homepage von Claudia Klinger auf, so finden sich, bevor man auf die Startseite von "Beim Bäcker" gelangt, die folgenden paratextuellen Zeilen, die zugleich Vor- und Nachwort sind:
Hier kann man den entsprechenden Link zu Simanowskis Seite anklicken,
auf der sich neben der Rezension auch ein Interview mit Claudia Klinger
über "Beim Bäcker" findet. Untersuchen wir die Rahmungstechnik
und "testen" wir - ganz im Sinne Landows - unsere literaturtheoretischen
Überlegungen zum "editorialen Framing", so können
wir folgendes feststellen:
Das Urteil der Rezension etabliert den "Rand des Textes", indem es die rezeptionsästhetische Außenwirkung des Textes als Lektüreerlebnis des Rezensenten an den Anfang stellt. Eine ganz ähnliche Rahmungsstrategie verfolgt übrigens auch Rousseau im "Seconde Préface":
Während bei Rousseau die Frage im Mittelpunkt steht, ob der Briefwechsel "echt" oder "erdichtet" ist, geht es bei Klinger um die Frage des "echten Endes". Der editoriale Rahmendiskurs wird so zum Ort, die Rahmungstechnik zu reflektieren. In ihrer Antwort auf Simanowskis Rezension vom 15. Februar 2000 schreibt Klinger:
Genau das ist es denn auch, was Klinger am 6.Mai 2000 auf der Startseite
zu "Beim Bäcker" tun wird. Dabei scheint mir bemerkenswert
zu sein, daß die eigentliche Rahmungstechnik im Setzen eines Links
besteht, also in der assoziativen Bezugnahme auf den Lesekommentar Simanowskis,
den Klinger ihrerseits in Form einer Email kommentiert. Der Link überbrückt
jene Lücke, die das fehlende Ende im Mitschreibprojekt hinterlassen
hat. Das Beispiel des Mitschreibprojektes verdeutlicht einige Konsequenzen,
die der Verlust des einheitsstiftenden Buch- und Werkcharakters hat.
Der Herausgeber bzw., die Herausgeberin übernimmt die Funktion
des ersten "Zusammenlesers" und des "letzten Autors".
Hierbei geht es im wesentlichen um die editoriale Macht, das Projekt
zu beginnen und zu beenden. Die Kohärenz des Textes wird dabei
jedoch nicht mehr als inhaltliche Kohärenz hergestellt, sondern
nur noch durch das Etablieren eines formalen Rahmens und dem Setzen
von Links auf einen Lesekommentar, wodurch zugleich der vordere und
der hintere "äußere Rand" des Textes etabliert
wird. Für Winko ist "das Setzen von links eine neue Möglichkeit
der Manifestation von Autorintention in Hypertexten" und übernimmt
"die Funktion der Kohärenzbildung in linearen Texten"
(Winko 1999: 533). Während Winko - vor dem Hintergrund der These
von der Rückkehr des Autors - den Schluß einer Verdopplung
des Autorbegriffs zieht - einmal der Autor als Verfasser, zum anderen
der Autor als Verknüpfer scheint mir die These einer Verdopplung
der Herausgeberfunktion weitaus plausibler zu sein. Beim Verfassen von
Texten wird der Scripteur erst durch sein eigenes editoriales Framing
zum Auteur, wenn nicht sogar die Figur eines fingierten Editeur die
Rahmungsfunktion übernimmt. Beim Verknüpfen von Texten durch
das Herstellen von Links füllt dagegen ein hypertextueller Editeur
die Lücken auf und vollzieht seine Macht zum Mischen, welche die
Macht zum Kommentieren mit einschließt, indem er den Befehl zum
"Setzen eines Links" gibt: <href ="www.dichtung-digital.de">link<href>.
Während die Webdesignerin Claudia Klinger in ihrem hingelinkten Nachwortkommentar, in erster Linie das Problem der thematischen Inkonsistenz der eingesandten Beiträge bemerkt, weist der Schriftsteller Thomas Hettche im Vorwortkommentar zu NULL insbesondere auf die technischen Apekte seiner Herausgebertätigkeit hin
Neben der Verlinkung als Rahmungsfunktion tritt hier das Format als gleichberechtigter Einheitsstifter auf. Das Einsetzen in HTML-Formulare, das Anbringen von Formatierungen wird zur eigentlichen, rahmenstiftenden Aufgabe des Herausgebers, dessen Tätigkeit nun selber "im Rahmen" bestimmter Editingprogramme stattzufinden hat. Das Editingprogramm mit seinen "Copy and Paste"- und seinen "Suche und Ersetze"-Funktionen ist nun tatsächlich eine überpersönliche Schreib- und Lesemaschine, die Barthes Vision eines "quelqu´un qui tient rassemblées dans un même champ toutes les traces dont est constitué l´écrit" (Barthes 1984: 66f.) wahr macht. Computerprogramme lesen und schreiben, "ohne daß ihnen noch ein Autor-Subjekt zugeordnet werden könnte" (Bolz 1993: 223). Obwohl das Programm ohne einheitsstiftendes Ich funktioniert hat es als "programmierter Rahmen" einheitsstifende Funktion. Der letzte Autor ist der Programmierer. Der Anwender ist dagegen ein Scripteur, dessen Schreibakte unter den technischen Rahmenbedingungen eines editeur automatique stattfinden. In welchem Maße der Autor unter "Hypertextbedingungen" Programmierer und Editor zu sein hat, läßt sich am Beispiel von Susanne Berkenhegers "Hilfe" veranschaulichen. "Hilfe" ist ein poetisches Projekt, welches das Windowsprinzip und den Browserrahmen zum Darstellungsverfahren einer Hypertext-Performance macht. Beim Aufrufen der Startseite liest man:
An die Stelle des Vorworts tritt eine Warnmeldung, die sich auf die
technischen Rahmenbedingungen bezieht. Nach dem Klicken des "OK"
erscheint tatsächlich ein kleiner Browserrahmen, der neben dem
Namen Susanne Berkenheger und den Titel "Hilfe" zeigt. Der
Titel ist als Link zugleich das Portal zu jenem Hypertext, der, wie
es erläuternd heißt, sobald man in die Gegend eines roten
Fragezeichens gelangt, das ebenfalls auf dem großen schwarzen
Hintergrund erscheint, "kein Ende sucht und keines braucht. Weiter
wachsen wird er voraussichtlich ab September 1999 auf meiner Homepage
http://www.wargla.de" Einmal angeklickt, gerät der Bildschirm in Bewegung. Kleine Browserfenster erscheinen, in denen eine Figur namens "Jo" offensichtlich seinen/ihren Job kündigt. Dazwischen, auf der großen "Leinwand", eine kurze Beschreibungen - "Ein Flugzeug blinzelte ... mit den Jalousien" - die darauf schließen lassen, daß man einer Szene in einem Flugzeug beiwohnt. Dieser kleine Prolog endet in einem tableau hypertextuelle, bei dem innerhalb des Browserrahmens fünf kleine schwarze Fenster auf weißem Grund erscheinen, die, sobald sie angeklickt werden, zu farbigen Feldern werden, die kurze Ausrufe mit Link enthalten: "Oh, ein Gipfel", "Und schau, das Meer", "Nichts als Regenwald", etc. Am unteren Rand - in der Fußzeile - befindet sich eine Situationsbeschreibung, die zwischen Kommentar und Regieanweisung changiert:
Klickt man auf "Gipfel" gerät der Bildschirm erneut in Bewegung: eine JavaScript Application läuft ab. "Die Passagiere warfen Jo aus dem Fenster" und nach dem Aufprall liegt Jo "in eisiger Nacht. In die hinein riefen vier Personen, wie sie hießen: Bin Max, ich Pia, das Ed, hier steht Lea, und wer bist Du?" heißt es in der Fußzeile. Die kleinen Browserfenstern des Flugzeuginnern sind nun mit Namen versehen. Klickt man auf das rote Feld des mit "Max" bezeichneten Fensters, so erscheint im kleinen Fenster die Aufforderung "Hände Hoch!" Die Gedanken, Assoziationen und Digressionen von "Max" liegen außerhalb des Rahmens, und erscheinen in roter Schrift auf schwarzem Hintergrund:
Dasselbe geschieht mit den Fenstern "Pia", "Ed"
und "Lea", jedes Fenster und damit jede Figur hat ihren Namen
im "Tag" und ihre Farbe im Feld. Das Browserprogramm dient
nicht mehr nur zum Herstellen hypertextueller Verlinkung. Es ist als
"Browserrahmen im Browserrahmen" zunächst ikonische Repräsentation
von Flugzeugfenstern und dann eine symbolische Repräsentation der
dramatis personae. Der Browser wird als Rahmenprogramm zu einem konstitutiven
Bestandteil des editorialen Rahmendiskurses. Das editoriale Framing
diskursiver Vorworte ist hier an eine Funktion des Rahmenprogramms übergegangen.
Dieser Programm-Editor vollzieht die Transsubstantiation von der Programmebene
zur Benutzeroberfläche und verwandelt das trockene Brot der Befehlsfolge
"<html> <head> <title> <meta keyword> </head>
<body>" in den digitalen Auferstehungsleib eines Netzauftritts.
Insofern hält der editeur automatique als Rahmenprogramm die Formeln
bereit, mit der die digitale Transsubstantiation in jedem Akt des performativen
Editings vollzogen wird. Die Frage nach dem Autor, die als Frage nach dem Herausgeber reformuliert wurde, ist damit zur Frage nach dem editeur automatique konvertiert worden, der die Rahmenbedingungen des Schreibens vorgibt, welche nur noch durch eine auktoriale Umprogrammierung verändert werden können. Willkommen an Bord!
|