Hybridisierung

Ein wesentliches Kennzeichen der Hypermedien ist, daß in ihnen Genre und Modi verschmelzen. Dies wird deutlich beim Versuch, Textkonzeptionen aufzuspüren, die im Zusammenhang mit Hypermedien diskutiert werden. Die Schwierigkeit einer eindeutigen Zuordnung liegt darin begründet, daß einerseits traditionelle Medien durch Hypermedien simuliert werden und daß andererseits der spezifische technische Aspekt der digitalen Medien und die Möglichkeit der Interaktivität oder zumindest Transaktivität berücksichtigt werden muß. Der visuelle Raum eines Textes, als Medium der Speicherung, der audio-visuelle Raum des Fernsehens, als Medium der Präsenz fällt zusammen mit dem digitalen Raum des Computers, als Medium der Speicherung, Übertragung und Berechnung.

Das Resultat ist ein hybrides System. Der Begriff hybrid stammt aus der Biologie des 19 Jh., wo er zur Beschreibung der Züchtung und Kreuzung verschiedener Arten benutzt wird. Er wurde mit negativer Konnotation in die Evolutions- und Kulturtheorie übernommen. Erst in der von Edward Said begründeten kritischen Analyse des kolonialen Diskurses ist Hybridität zu einem positiven Leitbegriff geworden. Mittlerweile ist er sogar zu einem so vagen Begriff aufgebläht, daß er in den verschiedensten Kontexten auftaucht und zur Beschreibung aller möglichen Phänomene herhalten muß. Die Aufwertung von Hybridität und Hybridisierung wurde durch die postmoderne Diskussion um Dialogizität, Intertextualität und Verschmelzen von Genres und Stilen vorbereitet. Sie wird als bewußte Mischung unterschiedlicher Stile verstanden und somit als "Doppelkodierung, bei der die Stile miteinander kollidieren und sich wechselseitig in ihrer Geltung relativieren.... Der Begriff stellt ... die Verbindlichkeit eines künstlerischen Kanons und kultureller Normen ebenso in Frage wie die Unterscheidung von hoher und niederer Kultur" (Goetsch 1997: 136).

Der Begriff hybrid verweist auf einen Zwischenbereich zwischen Sprache und Kultur, in dem das digitale Medium angesiedelt werden muß. Hybridisierung kann als Vermischung von Materialien und Zeichensystemen verstanden werden, die bis zu Beginn unseres Jahrhunderts als distinkt angesehen wurden. Diese Entwicklung kulminiert im Medium Computer, das Thomsen (1994: 48) als die eigentliche Hypermaschine unseres Jahrhunderts bezeichnet und als Materialisierung und Symbol unserer hybriden Kultur versteht. Hybridkultur kann dann als Überschreitung von einer materiellen zu einer immateriellen Ästhetik, von analogen zu digitalen Medien verstanden werden und damit als eine Kultur, die traditionelle Kunstformen und Medienkunst vereint. Prinzipien, die wir seit Beginn des Jahrhunderts sehr wohl kennen wie z.B. Collage werden jetzt im elektronischen Prozeß der Hybridisierung verwendet. Neu ist ihre Dynamik, die Nouvel als "Texturen" oder "hybride Oberflächen" bezeichnet, und ihr Prozeßcharakter.

Dennoch reicht die Entwicklung von einer analogen zu einer digitalen oder von einer materiellen zu einer immateriellen Kultur nicht aus, um diese als hybrid zu bezeichnen, da ja gerade der Begriff hybrid nicht die Ablösung eines Zustandes durch einen anderen bezeichnet, sondern die Verbindung zwischen beiden. Deshalb verortet Thomsen die hybride Qualität unserer Kultur im Medium Computer, dem dominanten und zentralen Medium unserer Kultur. Die Verschmelzung von kritischer Theorie und Technologie, die Landow (1992) als wesentliche Eigenschaft des Computers und des Hypertextes beschrieben hat, spiegelt sich auf der Textebene des Mediums wider. In den digitalen Medien werden alle traditionellen Formen erneut zu Optionen für Kunst und Design. Hybridisierung kann also als Phänomen beschrieben werden, das in der Mediatisierung großer Bereiche unser Erfahrung beruht und das in Abhängigkeit von den Fähigkeiten zur Speicherung und zur Bearbeitung von Zeichen der digitalen Medien zu sehen ist.

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