liebe@netzliteratur
Eine kleine Werküberschau zum Thema »Liebe in der Netzliteratur«

von Beat Suter

Vortrag anlässlich des Symposiums Modemfieber vom 18. bis 21. Juli 2002 im arc RomainmÙtier (Schweiz)

Digitale Literatur, die sich mit der Liebe auseinandersetzt ist im deutschen Sprachgebiet so selten wie gute digitale Literatur an sich. Keiner der sechs Preisträger des Wettbewerbs literatur.digital (2001) beschäftigt sich mit der Liebe. Und unter den 20 nominierten Beiträgen finden sich gerade einmal fünf, welche Liebesbeziehungen zum dominierenden Thema machen. Diese fünf Texte werden in diesem subjektiven Werküberblick etwas genauer unter die Lupe genommen. Sie werden ergänzt mit einer Auswahl »früherer« digitaler Texte, die nicht zuletzt zeigen, dass das Thema »Liebe« mit all seinen skurrilen und tragikomischen Facetten durchaus ein Gewinn sein kann für digitale oder netzliterarische Projekte.

Liebe im Wettbewerb literatur.digital 2001
Yatoo
Neben mir
Cocktailstories
Btong
Kahuna Modus
Rückblick mit Erbsenzählen
Einige frühere Texte
Schlussfrage und Antwortskizze



Die Liebe in der Netzliteratur

Digitale Literatur zum Thema Liebe? Ein einfaches Thema könnte man denken, wo doch die Liebe allgemein ein sehr beliebtes literarisches Thema ist und andererseits auch im Netz und durch das Netz ein vielbeschriebenes Thema ist.

Doch weit gefehlt:

Digitale Literatur, die sich mit der Liebe auseinandersetzt, ist gegenwärtig so selten wie gute digitale Literatur an sich.

Keiner der sechs Preisträger des Wettbewerbs
"literatur.digital" (2001) beschäftigt sich mit der Liebe. Und unter den 20 nominierten Beiträgen finden sich gerade einmal fünf, welche Liebesbeziehungen zum mehr oder weniger dominierenden Thema machen. und von den Fünfen bleiben nach der Lektüre gerade noch zwei übrig, die sowohl inhaltlich als auch formal zu überzeugen vermögen.

Immerhin, wenn Liebesbeziehungen zum Thema eines Projektes gemacht werden, geht dann aber meist die Post ab. Die Liebes-Autorinnen und -Autoren gehen mit einer rechten Portion Ironie und Skurrilität ans Werk, es werden schräge Geschichten erzählt oder die Erzählsituation wird mehrfach gebrochen oder maskiert. Ironie und Skurrilität scheinen denn auch die dominierenden Merkmale jener wenigen netzliterarischen Projekte zu sein, die sich mit der Liebe beschäftigen. Das war schon in den älteren Projekten von Netzautoren wie
Susanne Berkenheger, Peter Berlich, Martin Auer und anderer so aufgefallen.

Sie sehen, die relativ seltene Beschäftigung von deutschsprachiger Netzliteratur mit Liebe hat mich dazu bewogen, den letzten Wettbewerb zur Netzliteratur aus dem Jahre 2001 exemplarisch nach Liebesgeschichten zu durchforsten.

Ich werde ihnen nun also einige digitale Texte präsentieren, die sich stärker mit der Liebe auseinandersetzen. Zuerst die Texte des erwähnten Wettbewerbs, danach eine Auswahl weiterer »früherer« Texte. Zum Schluss müssen wir uns - soviel sei hier vorweggenommen - dann wohl die Frage stellen, warum denn die Liebe gegenwärtig kein dominantes Thema ist für die meisten digitale Literaten.

Liebe im Wettbewerb "literatur.digital" 2001

Unter den sechs Preisträgern, den drei der Jury und den drei des Publikums, findet sich kein Beitrag zum Thema "Liebe". Die Jury hatte in einer Vorauswahl 20 Beiträge nominiert, die dann nochmals gesichtet wurden. Unter diesen 20 Nominierten finden sich immerhin fünf Beiträge, die sich mehr oder weniger mit dem Thema "Liebe" auseinander setzen. Das sind:

1) Yatoo: die Zeitgenossen (Ursula Hentschläger und Zelko Wiener)
2)
Neben mir: Wolfgang Flür
3)
Cocktailstories: Jochen Metzger
4)
Btong: Michael Kaiser
5)
Kahuna-Modus: Nika Bertram

Einige Kurzbemerkungen zu den ausgewählten Beiträgen:

=> 1 und 5 überzeugen sowohl inhaltlich als auch formal.
=> 1 und 5 sind interaktive Texte (mit unterschiedlichsten Ansätzen).
=> 2 und 3 sind lediglich literarische Texte im Netz, die multimedial ornamentiert wurden.
=> 2 ist ein vollkommen linearer Text. Er wurde mit Geräuschen und Bildern etwas aufgemotzt. Ein guter Text, aber leider keine Netzliteratur. Der Autor kommt selbst zum Schluss, dass sein Versuch, sich in netzliterarische Gefielde zu wagen, gescheitert ist. Er werde lieber traditionell weiter schreiben.
=> 2 und 5 scheinen Texte von literarischer Qualität.
=> 3 ist in einer Tentakelstruktur konstruiert. Das Projekt vergibt seineChancen mit der vorgetäuschten Interaktivität des Mixens und gebraucht eine Technik, die inadäquat ist für die einzelnen statischen abgeschlossenen Erzählungen. Hier fehlte wohl die kritische Hand von Jürgen Daiber, der mit Metzger zusammen das Projekt »Der Trost der Bilder« produziert hatte.
=> 4 bietet einen formal interessanten Ansatz, der aber nicht konsequent durchgehalten wird. Das Projekt ist sprachlich schwachbrüstig und enthält starke narrative Schwächen.

Die 5 Texte im einzelnen:

Werk 1:
Yatoo: die Zeitgenossen

Yatoo (You Are The Only One) ist ein Vertreter der »Audio-Kontakt-Kunst«, wie das Roberto Simanowski im Band »literatur.digital« (dtv 2001) formuliert. Man könnte das Projekt auch als »digitale kinetische Poesie« bezeichnen. Es ist sicherlich unter den amerikanischen Begriff der »New Media Poetry« einzureihen. Audio-Kontakt spielt darauf an, dass der Text sich uns durch das Mausover erschliesst in Form von je fünf gesprochenen Worten, die Sätze ergeben. Die mittels Berührung initialisierte Soundaktivierung wird jedoch gleichzeitig zu einem visuellen Ereignis, indem sich einzelne Formen bewegen und neu gestalten. Das Zusammenspiel von Sound und visuellen Effekten scheint in Yatoo perfekt ineinander zu spielen.

Am Anfang haben wir einen fünfeckigen Stern. Jede Ecke des Sterns ist zweigeteilt. Während beim Mausover über die helleren Dreiecks-Hälften eine Frauenstimme spricht, redet beim Berühren der dunkleren Dreiecke ein Mann. Die fünf Felder der Frauenstimme ergeben das Bekenntnis: »I/love/you/so/much«. Die fünf Felder der Männerstimme antworten mit »You/are/the/only/one«. Diese Sätze ergeben sich unabhängig davon, bei welcher Ecke begonnen wird.

Der Stern verändert durch den Kontakt mit der Maus gleichzeitig seine Form, indem die einzelnen Felder sich verschieben, die Dreiecke sich verflachen oder später in andere Formen, Rechtecke, Segmente, Sektoren, Kreise und Variationen mit gekrümmten Seiten verwandeln. Wer die nächste Runde der Frauen-Sternfelder anklickt, der hört: »I/won't/leave/you/alone«. Gleichzeitig entwickelt die kinetische Grafik wieder eine neue harmonische Form mit angeschnittenen Segmenten (einem Windrad ähnlich), die sich mit den männlichen Dreiecken paaren. Doch es folgen durchaus auch weniger harmonische Seiten in der Beziehung der beiden Personen: »I/will/suffer/from/you«. Oder später: »I/want/you/to/escape«. Oder auch: »We/will/survive/this/moment«. Schliesslich nach einigen weiteren Bekenntnissen und kaleidoskopischen Formen nimmt der Stern wieder seine Ausgangsgestalt an, und die Worte und Sätze und die visuellen Formen beginnen sich zu wiederholen.

Ein mehrmaliger Durchgang des kinetischen Gedichts ist fast ein Muss. Erst dann wird einem bewusst, dass die Sternfelder mit der Männerstimme die gleichen Sätze produzieren wie die Felder der Frauenstimme, dies lediglich in einer anderen Reihenfolge. Der mehrmalige Durchgang ist aber vor allem deshalb nötig, weil es schwierig ist, die Reihenfolge der Felder beim Überfahren (Anwählen) einzuhalten. Wer nämlich Mann und Frau durcheinander aktiviert - und das passiert jedem Besucher unweigerlich, da die Mausover-Aktivierungsflächen eng bei- und übereinander liegen -, der bekommt keine klaren Sätze mehr, sondern erzeugt ein kleineres oder grösseres Wort-Durcheinander. Nicht zuletzt versuchen die Zeitgenossen ja hier audio-visuell eine Beziehung abzubilden. Dies legt den Schluss nahe, dass auch in einer Beziehung Verständigung nicht immer leicht ist. Und dass Liebesbeziehungen nicht nur Höhen kennen, sondern auch viele Untiefen, die es gemeinsam zu überleben gilt. Und dass manche Momente einen der Partner mehr leiden lassen als den andern. Bezieht man die strikte Einhaltung der Reihenfolge der Berührungen mit ein, um die Aussagen ungebrochen zu erhalten, so darf man das auch als Anspielung darauf sehen, dass eine Liebesbeziehung klare Regeln und Bedingungen fürs Zusammenleben setzt. Einer der wichtigsten Aspekte aber ist die Berührung. Sie ist auch zum Er-Fahren des Gedichts deutlich intimer als ein Mausklick. Mann und Frau sind sich in Yatoo stets so nahe, dass sie sich unweigerlich berühren können und damit jeweils eine emotionale Reaktion beim Gegenüber auslösen.


Werk 2:
Neben mir: Wolfgang Flür

Wolfgang Flürs Geschichte ist spannend. Bereits die ersten Zeilen ziehen einen unweigerlich in die Geschichte hinein. Es wird in der Ich-Form erzählt. Der Erzähler, das ist unmissverständlich, nervt sich tödlich über die, die da neben ihm im Bett liegt, ... seit dreissig Jahren.

»Was würden Sie denn machen, wenn sie mit so einer zusammen wären? Vollkommen rechtwinklig will sie ihr Kopfkissen. Und aufgeschüttelt. Und rein. Also tut sie es - aufschütteln, zurechtklopfen, viereckig machen. Und glätten. Wie jeden Abend. Seit dreißig Jahren immer dasselbe Ritual. Jede Nacht nach dem letzten Fernsehen, wenn ihr fast schon die Augen zufallen davon, klopft meine Frau ihr Kissen in eine ihr angenehme Form. Will sich wohlfühlen in der Bettung ihres Hauptes, gleich neben mir, der ich mich seit Ewigkeiten da abends neben sie zur Ruhe hinstrecke und ihr blödes Ritual erdulde.«

Die Geräusche zur Untermalung erinnern an Filmgeräusche: zuerst das Zähneputzen vor dem zu Bett gehen, dann das penetrante Ticken des Weckers. Sie sind gut gewählt, aber wären nicht unbedingt nötig. Der Autor scheint das Medium Internet nicht richtig eingeschätzt zu haben. Er spricht in einem Interview denn auch davon, dass das Projekt "Neben mir" lediglich ein Versuch war, der wohl gescheitert sei. Der Text ist vollkommen linear gehalten, er wird auf 12 Seiten (!) aufgeteilt und mit wenigen Geräuschen (Sounds) und Bildern ornamentiert. Ausserdem veranschaulicht ein Quicktime-Video auf Seite 1 das Zurechtklopfen des Kopfkissens. Der Text ist gut geschrieben, spannend und voller Untiefen. Leider kann er nicht als digitale Literatur gelten, sondern ist ein Beispiel von Literatur im Web.

Roberto Simanowski beschreibt den Inhalt in
»literatur.digital«: »Der Text richtet sich direkt an die Leser und verrät ihnen Schlafzimmergeheimnisse. Es geht ums Schnarchen, um Verdauungslärm, um das ausgiebige Betätigen der Toilettenspülung, wenn einer nachts raus muss: das Problem des gemeinsamen Alterns, zentriert auf die Enge des Ehebettes.«

Es geht um eine Liebes- und Leidensbeziehung in den letzten Zügen. Die Sicht ist die des Mannes, der von seiner Frau gegängelt wird und sich frägt, wie er überhaupt in diese Position gekommen ist. Die Rückblenden in die gemeinsame Kindheit der beiden Ehepartner sind aufschlussreich. Die Geschichte birgt dazu noch einige weitere Überraschungen. Wir blättern zur Seite 6, wo der Ich-Erzähler unmissverständlich meint:

»Heute ist der Höhepunkt meiner Toleranz überschritten. Heute muß endlich etwas geschehen! Ich kann es einfach nicht mehr aushalten neben ihr [...] « - und dann weiter auf Seite 9 unten: «Ich stehe leise auf, um meine Frau nicht zu wecken, und mache, was ich mir schon lange überlegt habe. Zuerst hole ich mir nämlich aus der Küche das lange, besonders scharfe Tranchiermesser und dann noch ein dickes Frottéhandtuch aus dem Badezimmer.»


Werk 3:
Cocktailstories: Jochen Metzger

Gemixte Getränke und direkte Geschichten bekommt man bei Jochen Metzger serviert. Die Geschichten seien je passend zu den Getränken meint der Autor, in den meisten geht es um Liebe, Sex, Verlangen und Einsamkeit.

So ist die Auswahl der Drinks denn unmissverständlich: »Sex on the Beach«, »Pink Pussy Cat«, »Kamikaze«, etc. Die Drinks (und somit die Geschichten) kann man sich aus einzelnen Zutaten zusammenmixen.

Sie nehmen als zum Beispiel Wodka, Grenadine und Ananas - keine Angst, ihre Wahl der Zutaten wird gelenkt -, und erhalten einen »Pink Pussy Cat«, dessen Geschichte nach dem Bild eines wackelnden Cocktailshakers erscheint.

Doch das Prinzip ist weniger interaktiv, als es sich ausgibt. Der Leser kann sich lediglich acht vorgegebene Cocktails mixen, die acht Texte ergeben.

Genau hier vergibt sich das Projekt seine Chancen: Die Interaktivität des Mixens ist lediglich vorgetäucht. Das Mixen der einzelnen Zutaten und Shaken der Cocktails ist technisch und grafisch gut umgesetzt, es werden aber keine Hypertext-Geschichten zusammengemixt, sondern lediglich acht lineare Geschichten angeboten, die je einem Drink fest zugeordnet sind. So erhalten wir durchs das Mixen und Schütteln die immergleichen Geschichten, die inhaltlich wie sprachlich wenig überzeugen und mit vermeintlich überraschenden Effekten aufwarten.

Zur Darstellung des Mixens sowie der einzelnen Stories, die jeweils mit einer Barszene präsentiert werden, wird mit Flash eine Technik gebraucht, die multimediale Elemente verbinden kann. Sie löst das Mixen auf elegante Weise, scheint aber fehl am Platz zur Darstellung des Textes der linearen Geschichten, bei denen es sich lediglich um acht statische abgeschlossene Erzählungen handelt. Diese Geschichten muss man sich nämlich mühsam Abschnitt für Abschnitt erklicken bzw. Zeile um Zeile des Spaltentextes nach oben schieben, wie wenn man einen unheimlich langsamen Browser hätte. Hier fehlte wohl die kritische Hand von Jürgen Daiber, der mit Metzger zusammen 1998 das Projekt
»Der Trost der Bilder« produziert hatte. Trotz kompetenter Verwendung von Flash lässt sich an den tentakelmässig angeordneten Cocktailstories nichts innovatives erkennen. Ausserdem sei noch vermerkt, dass sich das Mixen der Getränke gar übers Menü umgehen lässt. Im Menü lassen sich nämlich die acht Cocktails direkt anwählen.


Werk 4:
Btong: Michael Kaiser

»samstag abend. gegen 22 uhr in einer hochhaussiedlung am stadtrand, in einem treppenhaus:«

»22:02 uhr. frau nessel: wir werden diese farce nun endgültig zu einem abschluss bringen.«

In Michael Kaiser
»Btong« wird Hochhausgossip in einen Hypertext aus fünf Levels verpackt, die den Etagen eines Hochhauses entsprechen und durch Liftknöpfe aktiviert werden. An sich eine gute Idee. Wir befinden uns auch gleich mitten in der Geschichte: im zweiten Stock, in dem die Witwe Nessel wohnt, die, wie der Steckbrief am Anfang verrät, am Montagmorgen immer die Mülltonnen an den Strassenrand stellt. Wir müssen nun herausfinden, was denn eigentlich los ist im Haus. Eines ist klar, und damit wären wir bei einer Variation des Themas Liebe: Frau Tobel ist übel, sie ist schwanger. Herr Gauch, allein lebend im Parterre bestreitet, etwas mit Frau Tobel gehabt zu haben. Frau Tobel wiederum behauptet, sie habe die Schwangerschaft beim Toilettengebrauch(!) aufgelesen. Und als ob dies nicht schon genug Unfug wäre, dreht sich die ganze Story im Hochhaus um ein Päckchen eines Erotikversands, das im Hauseingangsbereich liegt und niemandem gehören soll, aber von den meisten Bewohnern dem Rentner Baas im siebten Stock, den man lange nicht mehr gesehen hat, zugeschrieben wird.

Beim Lesen der einzelnen Textteile erfahren wir, dass die ehrenwerten Leute im Hochhaus alle in Wahrheit nicht ganz so eherwert sind und etwas zu verbergen haben. Der eine ist nicht verheiratet, der andere hat keine Freundin, die dritte war einmal eine Striptease-Tänzerin und so weiter. Die Storyline von Btong ist wirklich keine Trouvaille. Immerhin versucht Kaiser die Etagen des Hochhauses als unterschiedliche Erzählebenen zu nutzen. Dies gelingt ihm aber nur bedingt. Die alternative Einstiegsmöglichkeit in den Text über die Kategorien »Bilder, Gerüche, Farben«, sind in der umgesetzten Form vollends unnötig, da sie alle zu den gleichen Texten führen und also nicht unterschiedliche sinnlich Atmosphären schaffen, wie man eigentlich annehmen dürfte. Zuletzt stellt sich die Frage, wo denn in dieser Geschichte die Liebe abgeblieben ist? Es ist ihr wohl gleich ergangen wie dem Rentern Baas, der nach Wochen tot in seiner Wohnung aufgefunden wird. Btong dreht sich um Nachbarschafts- und Liebesbeziehungen, doch die Liebe ist genauso abhanden gekommen wie der Text dem Autor entglitten ist.


Werk 5:
Kahuna Modus: Nika Betram

Der fünfte Beitrag ist das
»Kahuna Mode Fiction Game« von Nika Bertram, indem der Stoff des gleichnamigen Romans (»Der Kahuna Modus«, Eichborn, 2001) für ein neues Medium ganz neu bearbeitet wurde. Bertram sagt, sie hätte sich nach dem Buch überreden lassen, eine Website dazu zu machen, dann hätte sie der Ehrgeiz gepackt, und sie hätte ein MUD und ein Spiel daraus machen wollen. Umgesetzt ist mittlerweile alles.

Das MUD steht allen offen zum Auskundschaften und Bewohnen. Das
kahunaMUD ist ein interaktives Spiel. Der Kahuna Modus ist ein sorgfältig programmiertes Text-Adventure, ein abgeschlossenes Spiel, das unter Shockwave läuft. Der Kahuna Modus ist kein Cyberroman, sondern eine klassische mythologische Geschichte. »Wie kommt das Fantastische in die reale Welt?« fragt sich die Hauptfigur Nadine.

Zu Beginn des Spiels erfährt der Spieler, dass er sich in eine Romanfigur namens Nadine verwandelt hat. Nadines Leben ist ziemlich ruiniert. Sie weiss nicht mehr, wie alles angefangen hat. SeitMonaten geht nichts mehr mit rechten Dingen zu. Immer wieder findet sie sich in seltsamn Situationen wieder, die nicht einfach als Traum identifizieren kann. Aber davon will sie sich nicht klein kriegen lassen.

»You're looking at a nice and romantic beach. It must be early in the day. You can smell a morning breeze. Everything seems so real, so idyllic, so inviting, it it were't for ...«

Die Befehle müssen von Hand eingetippt werden: »look at screen«, »press button«, »look at tide« ... Manchmal erscheinen mit dem Eintippen auch vorgegebene Satzteile in der Befehlszeile.

Wenn der Spieler die Fischsuppe isst, verwandelt er sich augenblicklich in einen Hummer, der fest zusamengeschnürt darauf wartet, in den kochenden Suppentopf geworfen zu werden. Der Spieler muss nun Widerstand leisten und für seine, bzw. für Nadines fiktionale Unabhängigkeit ein Recht auf eine eigene Story kämpfen. Kafkaeske Verwandlungen zwischen Traum und Realität sind dabei an der Tagesordnung.

Im Kahuna Modus taucht häufig George auf: Er entspricht dem anglophilen Ausdruck für das Unterbewusstsein im Kahuna Mythos. Neben Nadine begegnen wir weiteren Romanfiguren von Bertram: Ary ist Nadines Freundin, Punkrock-Fan und wissenschaftlicher Hilfsgeist. Und Arthur ist Nadines technophiler Halbbruder. »Nadines Geschichte ist auch eine Liebesgeschichte zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Und wie Bertram ergänzt: »In Zeiten post-sexueller und trans-humaner Identitäten.« Ziel des Spiels ist, Kahuna Stufe 3 zu erreichen, »das Herz einer Frau zu gewinnen [...] und es zu behalten.«

Die Erzähltechnik des Text-Adventure entspricht dem neuen Medium am besten von all den fünf betrachteten Projekten. Zudem macht es schlichtweg Spass, hier am Text mitzuspielen.

Fazit:

Unter den 20 nominierten Texten des Wettbewerbs »literatur.digital« von 2001 finden sich gerade einmal zwei - Yatoo und Kahuna Modus - die das Thema Liebe mediengerecht und literarisch überzeugend umsetzen. die Frage, die sich uns unweigerlich stellen muss, lautet deshalb: Warum ist die Liebe in der digitalen Literatur kein dominierendes Thema? Oder etwas vorsichtiger formuliert: Ist die Liebe in der digitalen Literatur tatsächlich kein wichtiges Thema? Stellen die Autoren digitaler Literatur andere Themen ins Zentrum ihres Schaffens als die traditionellen Autoren?

Ein kurzer Rückblick auf »frühere« Texte digitaler Literatur:

Erbsenzählen:

Meine eigene Datenbank zu digitaler Literatur unter http://www.cyberfiction.ch/liste.asp verzeichnet etwas über hundert ausgewählte Werke digitaler Literatur. Darunter finden sich ebenfalls nur 10 bis 20 Werke (je nach subjektiver Einschätzung), in denen das Thema Liebe dominiert. Auch hier ist wie bei den 20 nominierten Wettbewerbsbeiträgen bereits eine grobe qualitative Vorauswahl vorgenommen worden.

Der Vorläufer dieser Datenbank, die Hyperfiction-Liste, die unter http://www.cyberfiction.ch/beluga/hypfic.htm als Archiv noch einsehbar ist, verzeichnete 1996 bis 1999 cirka 40 ausgewählte Werke, die von folgenden Themen geprägt sind: 20 Werke machen das Medium Internet bzw. Technologie zu ihrem dominierenden Thema. 9 beschäftigen sich mit der Liebe, mit Sexualität, Liebesbeziehungen und -konflikten. Die restlichen 11 Werke gliedern sich auf verschiedene Themenbereiche auf wie Kriminalgeschichten und SciFi.

Insgesamt beschäftigen sich also lediglich 10 bis höchstens 20 Prozent der Werke digitaler Literatur intensiv mit dem Thema der Liebe.

Trotzdem finden sich unter den aussagekräftigeren und gelungeneren Werken digitaler Literatur einige, die das Thema Liebe beschäftigt. Die folgende Auswahl soll dies verdeutlichen:

Eine Auswahl weiterer digitaler Literatur zum Thema »Liebe«:

>>> Susanne Berkenheger: Zeit für die Bombe (1997)
>>> Susanne Berkenheger:
Hilfe! ein Hypertext aus vier Kehlen (1999/2000)
>>> Susanne Berkenheger:
die Schwimmmeisterin (2002)
>>> Peter Berlich:
Core (Parodie auf den Film Casablanca) (1997)
>>> Claudia Klinger (hg.):
kollaboratives Projekt "Beim Bäcker" (1996-1998)
>>> Martin Auer:
die Lyrikmaschine (1996-1998)
>>> Jürgen Daiber, Jochen Metzger:
der Trost der Bilder (1998)
>>> Kyon (Gruppe):
Metatron (1998)
>>> Andrea Gnam:
Wasserspiegel - das Badewannenbuch (2000)
>>> Schlampe:
Liebesübungen/Leibesübungen (2002)

Und selbstverständlich findet sich unter den amerikanischen Hyperfictions eine ansehnliche Zahl von Werken, die sich mit dem Thema Liebe beschäftigen. So zum Beispiel:

>>> Mark Amerika: Grammatron (1993) (Amerika erfindet Liebes-Avatare)
>>> Michael Joyce:
Afternoon, a Story (1987/1991) (Eine vertrackte Beziehungsgeschichte zwischen vier Personen, zwei Paaren)
>>> Stuart Moulthrop:
Victory Garden (1991) (Liebe, Uni, Verführung und Irak-Krieg)
>>> Shelley Jackson:
Patchwork Girl (1994) (Frankensteins Monster ist eine Frau)

 

Einige »frühere« Werke:


Susanne Berkenheger:
Zeit für die Bombe (1997)

Ein Klassiker: die Geschichte einer Liebe und einer Bombe. Sie läuft teilweise wie ein Film ab. "Nicht einmal die Zeit rast so schnell durchs Leben wie Veronika." Der Leser kann sich mit verschiedenen Personen durch die Hypertext-Geschichte bewegen und erlebt dabei die Ereignisse aus unterschiedlichen Perspektiven. Es geht ums Liebes-Leben von Veronika. Der Leser braucht zwei bis drei hartnäckige Lesedurchgänge, bis klar wird, welche Beziehungen die einzelnen Personen zueinander pflegen, bzw. bis wirklich deutlich wird, dass die Geschichte vier Erzählstränge besitzt, welche die Standpunkte der vier beteiligten Personen Veronika, Vladimir, Iwan und Blondie wiedergeben.


Peter Berlich:
Core (1997)

«Core» ist eine Geschichtenmaschine, die die Begegnung von Humphrey Bogart und Ingrid Bergman im Film Casablanca neu erzählt, beziehungsweise parodiert. Als Interface dient die Imitation eines nostalgischen, grünen Computer-Screens: In der oberen Hälfte sind die Befehle und Programmiercodes der Erzählmaschine simuliert, in der unteren Hälfte läuft die Geschichte ‘Casio Blanco’ ab: "die dramatische Geschichte eines Mannes in einem Dreieck aus Liebe, Gewalt und Teilchenphysik" so erklärt das jedenfalls Berlich. Eine witzige Sache, wenn man sich an den ziemlich nervtötenden Umgang mit der (ironisierten) Erzählmaschine gewöhnt hat. Die beiden Hauptfiguren übrigens entpuppen sich bei Berlich als ziemlich desillusionierte Trinker, ihr Sprachgebrauch ist relativ vulgär un die Liebe auch nicht mehr das, was sie (im Film) einmal war.


Claudia Klinger (hg.): kollaboratives Projekt
"Beim Bäcker" (1996-1998)

»Beim Bäcker ist ein typisches lineares Web-Mitschreibeprojekt. Es ist nicht innovativ, dafür aber interessant dank der direkten Verwicklung der Autorencharaktere ins Projekt. Statt eines roten Fadens entsteht eher eine "Aneinanderreihung belangloser Episoden". Immerhin das Spannende des linearen Mitschreibeprojektes ist, wie die einzelnen Autoren die zugeworfenen Bälle auffangen oder nicht auffangen.

Carola Heine beginnt die von Claudia Klinger moderierte Geschichte am 18. juli 1996 mit einer unverfänglichen Szene beim Bäcker: Eine junge Frau schenkt drei finanzschwachen Kindern neben dem Tresen drei Lollilutscher. Die strahlenden Gesichter der beschenkten Kinder wecken den Kinderwunsch der Spenderin. Diese mündet aber in eine Quicky-Phantasie "zwischen Laugenbrezeln und Aufbackbrötchen", denn zur Kinderzeugung wäre in den Augen der jungen Frau gerade jener "muskulöse und attraktiv verschwitzte junge Mann in dem blauen Overall" im Ladeninneren sehr geeignet. Damit aber nimmt schon das kollaborative "Verhängnis" seinen Lauf. Denn Herbert Hertramph bringt im zweiten Beitrag einen Bauarbeiter ins Spiel, der von aussen in den Bäckerladen schaut und an der dort entdeckten Frau seinerseits die gleiche Phantasie entwickelt. Hertramph führt aber nicht nur eine neue männliche Figur ein, aus deren Perspektive er das Geschehen weiterschreiben kann, er weist auch der Frau bestimmte Attribute zu, die bei Heine teils noch unbeschrieben und teils anders beschrieben waren. Die junge Frau wird nämlich vom Bauarbeiter als klein und altmodisch gekleidet beschrieben. Heine hatte ihr eine Seidenbluse und einen Rock mitgegeben, Hertramphs Bauarbeiter wünscht sich aber lieber Jeans. Heine passten die Fantasien von Hertramph gar nicht, und sie schlug zurück. Insgesamt kreierten verschiedene Autoren 38 kurzweilige Episoden. Daneben entstanden heisse Diskussionen umd Inhalt und Verflechtung. Roberto Simanowski hat die ganze Geschichte bereits vor zwei Jahren
in einem längeren Beitrag in Dichtung Digital aufgearbeitet.


Kyon:
Metatron (1998)

‘Metatron’ ist ein Textkonvolut aus ziemlich schrägen Textfragmenten zum Thema Aids, Krankheit, Sex, Liebe, Tod, Hypertext und Architektur. DasProjekt enthält Versatzstücken aus Epen und Kunstgeschichte, die nicht in Teilen, Kapiteln oder Szenen, sondern in (zerreissenden) ‘Seilen’ organisiert sind und weit in die Zukunft reichen. Teile des Projektes sind hörspielmässig konzipiert und als Audio-Dateien abspielbar. Metatron wird als Bezeichnung für den stark erweiterten Komplex des Petersdoms in Rom Mitte des 21. Jahrhunderts gebraucht.


Jürgen Daiber, Jochen Metzger:
der Trost der Bilder (1998)

Der Trost der Bilder ist ein multimediales Stück, das einer Bilder- bzw. Kurzgeschichtengalerie gleicht. Die Geschichten sind eingebettet in Musik und grafische, teils animierte spielerische Abschnitte, begleitet von bewegten Bildern. Eine Bühnenshow breitet sich auf dem Bildschirm des Besuchers aus: "Meine Damen und Herren, kennen sie die Psychographie? Nein? Macht nichts. Ganz kurz, in medial-mundgerechtem Umfange aufbereitet, eine Einführung: Mit der Psychographie erfahren sie unbeschränkten Erfolg durch bessere Menschenkenntnis". Die digitale Therapie kann beginnen. Dem Besucher bieten sich schliesslich 6 Trostgeschichten an, die sich in jeweils eins bis drei Kurzgeschichten (insgesamt 13) aufgliedern, welche wiederum aus je drei bis neun "nodes" bestehen. Themen sind unter anderem die Liebe, Sportereignisse, Autounfälle, kleine Alltagsbeobachtungen. Im Abschnitt zur Liebe werden drei Geschichten angeboten: Die Liebe zu einer Schaufensterpuppe, die Weinverkäuferin, der Junge mit Akne.


Andrea Gnam: Wasserspiegel -
das Badewannenbuch (2000)

Andrea Gnam erläutert ihr digitales Projekt gleich selbst: «Ich habe das "Badewannenbuch" geschrieben, als ich anfang zwanzig war. Es spielt Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre. Ich habe damals oft Auszüge auf Lesungen vorgetragen, aber zwischen zwei Buchdeckel wollte es seiner Konzeption nach nie so recht passen. Das hat zum einen mit seiner Länge zu tun, das Badewannenbuch ist kurz, man könnte es während einer Badewannensitzung lesen. Zum anderen aber besteht es aus verschiedenen parallellaufenden Erzählsträngen wie: "Geschichten für ein Badewannenbuch", "Vorstellung von A" "Vorstellung einer Stadt" und dem laufenden Text. Man kann es konventionell von Anfang bis Ende lesen, aber auch, und deshalb hat es jetzt hier im Netz zwanzig Jahre später seinen Platz gefunden, sich von Fenster zu Fenster durchklicken: Man kann also beispielsweise die kleine Liebesgeschichte, die in "Vorstellung einer Stadt" aufgerollt wird, am Stück lesen. Oder nur die kurzen, witzigen Badewannentexte. Oder den Haupttext. Falls man aber doch lieber das Ganze in der Badewanne goutieren will, steht es jedem frei, sich das Badewannenbuch auszudrucken. als Badeessenz empfehle ich in diesem falle etwas Konventionelles, wie Fichtennadel oder Latschenkiefer.»


Michael Joyce:
Afternoon, a Story (1987/1991)

Als Reminder: Afternoon, a Story bietet eine überkreuzte Beziehungsgeschichte zwischen zwei Paaren: Wert und Peter, Nausicaa und Loli. Peter und Nausicaa sind verheiratet, ebenso Wert und Loli. Peter arbeitet für Wert, Loli ist Nausicaas Therapeutin. Die verkreuzten Lebens- und Liebesgeschichten werden bald einmal deutlich, der Verflechtungen sind kein Ende gesetzt, was auch zu keinem Ende der Wirrungen führt.


Mark Amerika:
Grammatron (1993)

Ebenfalls als Reminder: Mark Amerika erfindet in seiner Hyperfiction von 1993 Liebes-Avatare. Ms. A. ist einer von vielen Liebes-Avataren. Abe Golam ist in Cynthia verliebt und trifft fortwährend auf Frauenfiguren, die ihn irgendwie an Cynthia erinnern. Wurden diese Frauen vielleicht nach ihr konstruiert? welche ist die echte cynthia? Die Hauptfigur Abe Golam ist sich eigentlich bewusst, dass Ms. A. nicht Cynthia sein kann, er ergibt sich aber nur zu gerne der Illusion mit Cynthia (in der Gestalt eines Liebes-Avatars) zusammen sein zu können.

Schlussfrage und Antwortskizzen:

Auch wenn diese kleine Auswahl weiterer Werke zum Thema Liebe die Auswertung des Wettbewerbs »literatur.digital« von 2001 etwas relativiert - und ausserdem leise darauf hinweist, dass im angelsächsischen Bereich Hyperfictions deutlich öfters von der Liebe dominiert werden und sich die Sachlage da wohl anders präsentiert -, so bleibt doch die Frage offen, warum denn Liebe heute kein Thema ist für die deutschsprachige digitale Literatur?

Es bieten sich hier zwei Antworten an, die am Symposium zum
»Modemfieber« im arc in Romainmôtier angedeutet wurden.

Innerhalb des Internets wird der Liebesdiskurs alles andere als vernachlässigt. Er dominiert in deutlich höherem Masse die Mail-, SMS-, Chat- und MUD-Kommunikation als die digitale Literatur. Auch im Web selbst finden Liebe, Sexualität und Beziehung einen nachhaltigen Abdruck, sei es in kommerziellen Sex-Angeboten, in Untergrundforen, in Dating-Services, in professionellen und weniger professionellen Ratgebern und so weiter. Es scheint aber, dass dieser "natürliche" Niederschlag des Themas im Internet sich nicht auf die Festplatten (in die Stuben) der digitalen Autoren verbreiten konnte, da er von den Autoren lediglich als nebensächlich (und trivial) vermerkt wurde. Es sei denn, es handelt sich um aufmerksame Zeitgenossinnen, die sich die Chaträume, Mailboxen und MUD-Umgebungen zur festen Heimat gemacht haben wie Susanne Berkenheger, Gisela Müller und Nika Bertram.

Die erste These zu einer Antwort skizziert den Autor als technikverliebt. Das Begehren weicht auf die Technologie aus. Es scheint, als wären viele der digitalen Autoren in erster Linie in die Technologie, in ihre eigenen Tools und in die Möglichkeiten verliebt, die sich ihnen dadurch auftun. Diese Preokkupation und Faszination vermag Autoren effektiv von den wichtigen inhaltlichen Themen abzulenken. Der Fokus wird nicht auf die Liebe zum Menschen, sondern auf die Technik gelegt. So kommt es, dass sehr viele digitale Projekte das Internet oder allgemein die Medien als ihr dominierendes Thema behandeln - und nicht die Liebe. Die Mediensituation, in der sich der Autor selbst wiederfindet, wird zum Thema gemacht. Anstelle eines Lebensthemas wählt man das Metathema. Es ist wie wenn Gutenberg und seine Zeitgenossen haufenweise Romane über die schwierigen Umstände des Buchdruckes und das Schreiben für ein neues, noch unbekanntes Publikationsmedium veröffentlicht hätten. Die Wahl des Metathemas ist wohl nur in einer Zeit möglich, in der sich die digitale Literatur in den Kinderschuhen befindet. Soweit meine Antwortskizze. Fotis Jannidis und Ulrike Landfester skizzierten in der Diskussion in Romainmôtier die Thesenergänzung, die Technologie werde wohl als Wiederherstellung eines Verlorenen betrachtet.

Und Jannidis und Landfester lieferten auch gleich die zweite These zu einer Antwort auf das Ausbleiben der Liebe: Die Liebe sei nicht semantisierbar, darum werde sie in der digitalen Literatur sehr selten zum Thema gemacht.


Ein Vortrag anlässlich des Symposiums Modemfieber, zum Liebesdiskurs in Mail-, SMS, Chat- und MUD-Kommunikation, das vom 18. bis 21. Juli 2002 im L'arc RomainmÙtier (Schweiz) statt fand.