Die Liebe
in der Netzliteratur
Digitale Literatur zum Thema Liebe? Ein einfaches Thema
könnte man denken, wo doch die Liebe allgemein ein sehr
beliebtes literarisches Thema ist und andererseits auch im
Netz und durch das Netz ein vielbeschriebenes Thema ist.
Doch weit gefehlt:
Digitale Literatur, die sich mit der Liebe auseinandersetzt,
ist gegenwärtig so selten wie gute digitale Literatur
an sich.
Keiner der sechs Preisträger des Wettbewerbs
"literatur.digital"
(2001) beschäftigt sich mit der Liebe. Und unter den 20
nominierten Beiträgen finden sich gerade einmal
fünf, welche Liebesbeziehungen zum mehr oder weniger
dominierenden Thema machen. und von den Fünfen bleiben
nach der Lektüre gerade noch zwei übrig, die
sowohl inhaltlich als auch formal zu überzeugen
vermögen.
Immerhin, wenn Liebesbeziehungen zum Thema eines Projektes
gemacht werden, geht dann aber meist die Post ab. Die
Liebes-Autorinnen und -Autoren gehen mit einer rechten
Portion Ironie und Skurrilität ans Werk, es werden
schräge Geschichten erzählt oder die
Erzählsituation wird mehrfach gebrochen oder maskiert.
Ironie und Skurrilität scheinen denn auch die
dominierenden Merkmale jener wenigen netzliterarischen
Projekte zu sein, die sich mit der Liebe beschäftigen.
Das war schon in den älteren Projekten von Netzautoren
wie Susanne
Berkenheger,
Peter
Berlich,
Martin
Auer und anderer so
aufgefallen.
Sie sehen, die relativ seltene Beschäftigung von
deutschsprachiger Netzliteratur mit Liebe hat mich dazu
bewogen, den letzten Wettbewerb zur Netzliteratur aus dem
Jahre 2001 exemplarisch nach Liebesgeschichten zu
durchforsten.
Ich werde ihnen nun also einige digitale Texte
präsentieren, die sich stärker mit der Liebe
auseinandersetzen. Zuerst die Texte des erwähnten
Wettbewerbs, danach eine Auswahl weiterer
»früherer« Texte. Zum Schluss müssen wir
uns - soviel sei hier vorweggenommen - dann wohl die Frage
stellen, warum denn die Liebe gegenwärtig kein
dominantes Thema ist für die meisten digitale
Literaten.
Liebe
im Wettbewerb "literatur.digital" 2001
Unter den sechs
Preisträgern, den drei der Jury und den drei des
Publikums, findet sich kein Beitrag zum Thema "Liebe". Die
Jury hatte in einer Vorauswahl 20 Beiträge nominiert,
die dann nochmals gesichtet wurden. Unter diesen 20
Nominierten finden sich immerhin fünf Beiträge,
die sich mehr oder weniger mit dem Thema "Liebe" auseinander
setzen. Das sind:
1)
Yatoo:
die Zeitgenossen (Ursula Hentschläger und Zelko
Wiener)
2) Neben
mir: Wolfgang
Flür
3) Cocktailstories:
Jochen Metzger
4) Btong:
Michael Kaiser
5) Kahuna-Modus: Nika
Bertram
Einige Kurzbemerkungen zu
den ausgewählten Beiträgen:
=> 1 und 5 überzeugen sowohl inhaltlich als
auch formal.
=> 1 und 5 sind interaktive Texte (mit
unterschiedlichsten Ansätzen).
=> 2 und 3 sind lediglich literarische Texte im
Netz, die multimedial ornamentiert wurden.
=> 2 ist ein vollkommen linearer Text. Er wurde
mit Geräuschen und Bildern etwas aufgemotzt. Ein guter
Text, aber leider keine Netzliteratur. Der Autor kommt
selbst zum Schluss, dass sein Versuch, sich in
netzliterarische Gefielde zu wagen, gescheitert ist. Er
werde lieber traditionell weiter schreiben.
=> 2 und 5 scheinen Texte von literarischer
Qualität.
=> 3 ist in einer Tentakelstruktur konstruiert.
Das Projekt vergibt seineChancen mit der vorgetäuschten
Interaktivität des Mixens und gebraucht eine Technik,
die inadäquat ist für die einzelnen statischen
abgeschlossenen Erzählungen. Hier fehlte wohl die
kritische Hand von Jürgen Daiber, der mit Metzger
zusammen das Projekt »Der
Trost der Bilder«
produziert hatte.
=> 4 bietet
einen formal interessanten Ansatz,
der aber nicht konsequent durchgehalten wird. Das Projekt ist sprachlich
schwachbrüstig und enthält starke narrative Schwächen.
Die 5 Texte im
einzelnen:
Werk 1:
Yatoo: die Zeitgenossen
Yatoo
(You Are The Only One) ist ein Vertreter der
»Audio-Kontakt-Kunst«, wie das Roberto Simanowski
im Band
»literatur.digital«
(dtv 2001) formuliert. Man könnte das Projekt auch als
»digitale kinetische Poesie« bezeichnen. Es ist
sicherlich unter den amerikanischen Begriff der »New
Media Poetry« einzureihen. Audio-Kontakt spielt darauf
an, dass der Text sich uns durch das Mausover erschliesst in
Form von je fünf gesprochenen Worten, die Sätze
ergeben. Die mittels Berührung initialisierte
Soundaktivierung wird jedoch gleichzeitig zu einem visuellen
Ereignis, indem sich einzelne Formen bewegen und neu
gestalten. Das Zusammenspiel von Sound und visuellen
Effekten scheint in Yatoo perfekt ineinander zu spielen.
Am Anfang haben wir einen fünfeckigen Stern. Jede Ecke
des Sterns ist zweigeteilt. Während beim Mausover
über die helleren Dreiecks-Hälften eine
Frauenstimme spricht, redet beim Berühren der dunkleren
Dreiecke ein Mann. Die fünf Felder der Frauenstimme
ergeben das Bekenntnis: »I/love/you/so/much«. Die
fünf Felder der Männerstimme antworten mit
»You/are/the/only/one«. Diese Sätze ergeben
sich unabhängig davon, bei welcher Ecke begonnen
wird.
Der Stern verändert durch den Kontakt mit der Maus
gleichzeitig seine Form, indem die einzelnen Felder sich
verschieben, die Dreiecke sich verflachen oder später
in andere Formen, Rechtecke, Segmente, Sektoren, Kreise und
Variationen mit gekrümmten Seiten verwandeln. Wer die
nächste Runde der Frauen-Sternfelder anklickt, der
hört: »I/won't/leave/you/alone«. Gleichzeitig
entwickelt die kinetische Grafik wieder eine neue
harmonische Form mit angeschnittenen Segmenten (einem
Windrad ähnlich), die sich mit den männlichen
Dreiecken paaren. Doch es folgen durchaus auch weniger
harmonische Seiten in der Beziehung der beiden Personen:
»I/will/suffer/from/you«. Oder später:
»I/want/you/to/escape«. Oder auch:
»We/will/survive/this/moment«. Schliesslich nach
einigen weiteren Bekenntnissen und kaleidoskopischen Formen
nimmt der Stern wieder seine Ausgangsgestalt an, und die
Worte und Sätze und die visuellen Formen beginnen sich
zu wiederholen.
Ein mehrmaliger Durchgang des kinetischen Gedichts ist fast
ein Muss. Erst dann wird einem bewusst, dass die Sternfelder
mit der Männerstimme die gleichen Sätze
produzieren wie die Felder der Frauenstimme, dies lediglich
in einer anderen Reihenfolge. Der mehrmalige Durchgang ist
aber vor allem deshalb nötig, weil es schwierig ist,
die Reihenfolge der Felder beim Überfahren
(Anwählen) einzuhalten. Wer nämlich Mann und Frau
durcheinander aktiviert - und das passiert jedem Besucher
unweigerlich, da die Mausover-Aktivierungsflächen eng
bei- und übereinander liegen -, der bekommt keine
klaren Sätze mehr, sondern erzeugt ein kleineres oder
grösseres Wort-Durcheinander. Nicht zuletzt versuchen
die Zeitgenossen ja hier audio-visuell eine Beziehung
abzubilden. Dies legt den Schluss nahe, dass auch in einer
Beziehung Verständigung nicht immer leicht ist. Und
dass Liebesbeziehungen nicht nur Höhen kennen, sondern
auch viele Untiefen, die es gemeinsam zu überleben
gilt. Und dass manche Momente einen der Partner mehr leiden
lassen als den andern. Bezieht man die strikte Einhaltung
der Reihenfolge der Berührungen mit ein, um die
Aussagen ungebrochen zu erhalten, so darf man das auch als
Anspielung darauf sehen, dass eine Liebesbeziehung klare
Regeln und Bedingungen fürs Zusammenleben setzt. Einer
der wichtigsten Aspekte aber ist die Berührung. Sie ist
auch zum Er-Fahren des Gedichts deutlich intimer als ein
Mausklick. Mann und Frau sind sich in Yatoo stets so nahe,
dass sie sich unweigerlich berühren können und
damit jeweils eine emotionale Reaktion beim Gegenüber
auslösen.
Werk 2:
Neben mir: Wolfgang Flür
Wolfgang
Flürs Geschichte
ist spannend. Bereits die ersten Zeilen ziehen einen
unweigerlich in die Geschichte hinein. Es wird in der
Ich-Form erzählt. Der Erzähler, das ist
unmissverständlich, nervt sich tödlich über
die, die da neben ihm im Bett liegt, ... seit dreissig
Jahren.
»Was würden Sie denn machen, wenn sie mit so einer
zusammen wären? Vollkommen rechtwinklig will sie ihr
Kopfkissen. Und aufgeschüttelt. Und rein. Also tut sie
es - aufschütteln, zurechtklopfen, viereckig machen.
Und glätten. Wie jeden Abend. Seit dreißig Jahren
immer dasselbe Ritual. Jede Nacht nach dem letzten
Fernsehen, wenn ihr fast schon die Augen zufallen davon,
klopft meine Frau ihr Kissen in eine ihr angenehme Form.
Will sich wohlfühlen in der Bettung ihres Hauptes,
gleich neben mir, der ich mich seit Ewigkeiten da abends
neben sie zur Ruhe hinstrecke und ihr blödes Ritual
erdulde.«
Die Geräusche zur Untermalung erinnern an
Filmgeräusche: zuerst das Zähneputzen vor dem zu
Bett gehen, dann das penetrante Ticken des Weckers. Sie sind
gut gewählt, aber wären nicht unbedingt
nötig. Der Autor scheint das Medium Internet nicht
richtig eingeschätzt zu haben. Er spricht in einem
Interview denn auch davon, dass das Projekt "Neben mir"
lediglich ein Versuch war, der wohl gescheitert sei. Der
Text ist vollkommen linear gehalten, er wird auf 12 Seiten
(!) aufgeteilt und mit wenigen Geräuschen (Sounds) und
Bildern ornamentiert. Ausserdem veranschaulicht ein
Quicktime-Video auf Seite 1 das Zurechtklopfen des
Kopfkissens. Der Text ist gut geschrieben, spannend und
voller Untiefen. Leider kann er nicht als digitale Literatur
gelten, sondern ist ein Beispiel von Literatur im Web.
Roberto Simanowski beschreibt den Inhalt
in »literatur.digital«:
»Der Text richtet sich direkt an die Leser und
verrät ihnen Schlafzimmergeheimnisse. Es geht ums
Schnarchen, um Verdauungslärm, um das ausgiebige
Betätigen der Toilettenspülung, wenn einer nachts
raus muss: das Problem des gemeinsamen Alterns, zentriert
auf die Enge des Ehebettes.«
Es geht um eine Liebes- und Leidensbeziehung in den letzten
Zügen. Die Sicht ist die des Mannes, der von seiner
Frau gegängelt wird und sich frägt, wie er
überhaupt in diese Position gekommen ist. Die
Rückblenden in die gemeinsame Kindheit der beiden
Ehepartner sind aufschlussreich. Die Geschichte birgt dazu
noch einige weitere Überraschungen. Wir blättern
zur Seite 6, wo der Ich-Erzähler
unmissverständlich meint:
»Heute ist der Höhepunkt meiner Toleranz
überschritten. Heute muß endlich etwas geschehen!
Ich kann es einfach nicht mehr aushalten neben ihr
[...] « - und dann weiter auf Seite 9 unten:
«Ich stehe leise auf, um meine Frau nicht zu wecken,
und mache, was ich mir schon lange überlegt habe.
Zuerst hole ich mir nämlich aus der Küche das
lange, besonders scharfe Tranchiermesser und dann noch ein
dickes Frottéhandtuch aus dem Badezimmer.»
Werk 3:
Cocktailstories: Jochen Metzger
Gemixte
Getränke und direkte
Geschichten bekommt
man bei Jochen Metzger serviert. Die Geschichten seien je
passend zu den Getränken meint der Autor, in den
meisten geht es um Liebe, Sex, Verlangen und Einsamkeit.
So ist die Auswahl der Drinks denn unmissverständlich:
»Sex on the Beach«, »Pink Pussy Cat«,
»Kamikaze«, etc. Die Drinks (und somit die
Geschichten) kann man sich aus einzelnen Zutaten
zusammenmixen.
Sie nehmen als zum Beispiel Wodka, Grenadine und Ananas -
keine Angst, ihre Wahl der Zutaten wird gelenkt -, und
erhalten einen »Pink Pussy Cat«, dessen Geschichte
nach dem Bild eines wackelnden Cocktailshakers
erscheint.
Doch das Prinzip ist weniger interaktiv, als es sich
ausgibt. Der Leser kann sich lediglich acht vorgegebene
Cocktails mixen, die acht Texte ergeben.
Genau hier vergibt sich das Projekt seine Chancen: Die
Interaktivität des Mixens ist lediglich
vorgetäucht. Das Mixen der einzelnen Zutaten und Shaken
der Cocktails ist technisch und grafisch gut umgesetzt, es
werden aber keine Hypertext-Geschichten zusammengemixt,
sondern lediglich acht lineare Geschichten angeboten, die je
einem Drink fest zugeordnet sind. So erhalten wir durchs das
Mixen und Schütteln die immergleichen Geschichten, die
inhaltlich wie sprachlich wenig überzeugen und mit
vermeintlich überraschenden Effekten aufwarten.
Zur Darstellung des Mixens sowie der einzelnen Stories, die
jeweils mit einer Barszene präsentiert werden, wird mit
Flash eine Technik gebraucht, die multimediale Elemente
verbinden kann. Sie löst das Mixen auf elegante Weise,
scheint aber fehl am Platz zur Darstellung des Textes der
linearen Geschichten, bei denen es sich lediglich um acht
statische abgeschlossene Erzählungen handelt. Diese
Geschichten muss man sich nämlich mühsam Abschnitt
für Abschnitt erklicken bzw. Zeile um Zeile des
Spaltentextes nach oben schieben, wie wenn man einen
unheimlich langsamen Browser hätte. Hier fehlte wohl
die kritische Hand von Jürgen Daiber, der mit Metzger
zusammen 1998 das Projekt »Der
Trost der Bilder«
produziert hatte. Trotz kompetenter Verwendung von Flash
lässt sich an den tentakelmässig angeordneten
Cocktailstories nichts innovatives erkennen. Ausserdem sei
noch vermerkt, dass sich das Mixen der Getränke gar
übers Menü umgehen lässt. Im Menü lassen
sich nämlich die acht Cocktails direkt
anwählen.
Werk 4:
Btong: Michael Kaiser
»samstag abend. gegen 22 uhr in einer hochhaussiedlung
am stadtrand, in einem treppenhaus:«
»22:02 uhr. frau nessel: wir werden diese farce nun
endgültig zu einem abschluss bringen.«
In Michael Kaiser »Btong«
wird Hochhausgossip in einen Hypertext aus fünf Levels
verpackt, die den Etagen eines Hochhauses entsprechen und
durch Liftknöpfe aktiviert werden. An sich eine gute
Idee. Wir befinden uns auch gleich mitten in der Geschichte:
im zweiten Stock, in dem die Witwe Nessel wohnt, die, wie
der Steckbrief am Anfang verrät, am Montagmorgen immer
die Mülltonnen an den Strassenrand stellt. Wir
müssen nun herausfinden, was denn eigentlich los ist im
Haus. Eines ist klar, und damit wären wir bei einer
Variation des Themas Liebe: Frau Tobel ist übel, sie
ist schwanger. Herr Gauch, allein lebend im Parterre
bestreitet, etwas mit Frau Tobel gehabt zu haben. Frau Tobel
wiederum behauptet, sie habe die Schwangerschaft beim
Toilettengebrauch(!) aufgelesen. Und als ob dies nicht schon
genug Unfug wäre, dreht sich die ganze Story im
Hochhaus um ein Päckchen eines Erotikversands, das im
Hauseingangsbereich liegt und niemandem gehören soll,
aber von den meisten Bewohnern dem Rentner Baas im siebten
Stock, den man lange nicht mehr gesehen hat, zugeschrieben
wird.
Beim Lesen der einzelnen Textteile erfahren wir, dass die
ehrenwerten Leute im Hochhaus alle in Wahrheit nicht ganz so
eherwert sind und etwas zu verbergen haben. Der eine ist
nicht verheiratet, der andere hat keine Freundin, die dritte
war einmal eine Striptease-Tänzerin und so weiter. Die
Storyline von Btong ist wirklich keine Trouvaille. Immerhin
versucht Kaiser die Etagen des Hochhauses als
unterschiedliche Erzählebenen zu nutzen. Dies gelingt
ihm aber nur bedingt. Die alternative
Einstiegsmöglichkeit in den Text über die
Kategorien »Bilder, Gerüche, Farben«, sind in
der umgesetzten Form vollends unnötig, da sie alle zu
den gleichen Texten führen und also nicht
unterschiedliche sinnlich Atmosphären schaffen, wie man
eigentlich annehmen dürfte. Zuletzt stellt sich die
Frage, wo denn in dieser Geschichte die Liebe abgeblieben
ist? Es ist ihr wohl gleich ergangen wie dem Rentern Baas,
der nach Wochen tot in seiner Wohnung aufgefunden wird.
Btong dreht sich um Nachbarschafts- und Liebesbeziehungen,
doch die Liebe ist genauso abhanden gekommen wie der Text
dem Autor entglitten ist.
Werk 5:
Kahuna Modus: Nika Betram
Der fünfte Beitrag ist das
»Kahuna
Mode Fiction Game«
von Nika Bertram, indem der Stoff des gleichnamigen Romans
(»Der Kahuna Modus«, Eichborn, 2001) für ein
neues Medium ganz neu bearbeitet wurde. Bertram sagt, sie
hätte sich nach dem Buch überreden lassen, eine
Website dazu zu machen, dann hätte sie der Ehrgeiz
gepackt, und sie hätte ein MUD und ein Spiel daraus
machen wollen. Umgesetzt ist mittlerweile alles.
Das MUD steht allen offen zum Auskundschaften und Bewohnen.
Das kahunaMUD
ist ein interaktives Spiel. Der Kahuna Modus ist ein
sorgfältig programmiertes Text-Adventure, ein
abgeschlossenes Spiel, das unter Shockwave läuft. Der
Kahuna Modus ist kein Cyberroman, sondern eine klassische
mythologische Geschichte. »Wie kommt das Fantastische
in die reale Welt?« fragt sich die Hauptfigur
Nadine.
Zu Beginn des Spiels erfährt der Spieler, dass er sich
in eine Romanfigur namens Nadine verwandelt hat. Nadines
Leben ist ziemlich ruiniert. Sie weiss nicht mehr, wie alles
angefangen hat. SeitMonaten geht nichts mehr mit rechten
Dingen zu. Immer wieder findet sie sich in seltsamn
Situationen wieder, die nicht einfach als Traum
identifizieren kann. Aber davon will sie sich nicht klein
kriegen lassen.
»You're looking at a nice and romantic beach. It must
be early in the day. You can smell a morning breeze.
Everything seems so real, so idyllic, so inviting, it it
were't for ...«
Die Befehle müssen von Hand eingetippt werden:
»look at screen«, »press button«,
»look at tide« ... Manchmal erscheinen mit dem
Eintippen auch vorgegebene Satzteile in der
Befehlszeile.
Wenn der Spieler die Fischsuppe isst, verwandelt er sich
augenblicklich in einen Hummer, der fest
zusamengeschnürt darauf wartet, in den kochenden
Suppentopf geworfen zu werden. Der Spieler muss nun
Widerstand leisten und für seine, bzw. für Nadines
fiktionale Unabhängigkeit ein Recht auf eine eigene
Story kämpfen. Kafkaeske Verwandlungen zwischen Traum
und Realität sind dabei an der Tagesordnung.
Im Kahuna Modus taucht häufig George auf: Er entspricht
dem anglophilen Ausdruck für das Unterbewusstsein im
Kahuna Mythos. Neben Nadine begegnen wir weiteren
Romanfiguren von Bertram: Ary ist Nadines Freundin,
Punkrock-Fan und wissenschaftlicher Hilfsgeist. Und Arthur
ist Nadines technophiler Halbbruder. »Nadines
Geschichte ist auch eine Liebesgeschichte zwischen Fiktion
und Wirklichkeit. Und wie Bertram ergänzt: »In
Zeiten post-sexueller und trans-humaner
Identitäten.« Ziel des Spiels ist, Kahuna Stufe 3
zu erreichen, »das Herz einer Frau zu gewinnen
[...] und es zu behalten.«
Die Erzähltechnik des Text-Adventure entspricht dem
neuen Medium am besten von all den fünf betrachteten
Projekten. Zudem macht es schlichtweg Spass, hier am Text
mitzuspielen.
Fazit:
Unter den 20 nominierten
Texten des Wettbewerbs »literatur.digital« von
2001 finden sich gerade einmal zwei - Yatoo und Kahuna Modus
- die das Thema Liebe mediengerecht und literarisch
überzeugend umsetzen. die Frage, die sich uns
unweigerlich stellen muss, lautet deshalb: Warum ist die
Liebe in der digitalen Literatur kein dominierendes Thema?
Oder etwas vorsichtiger formuliert: Ist die Liebe in der
digitalen Literatur tatsächlich kein wichtiges Thema?
Stellen die Autoren digitaler Literatur andere Themen ins
Zentrum ihres Schaffens als die traditionellen Autoren?
Ein
kurzer Rückblick auf »frühere« Texte
digitaler Literatur:
Erbsenzählen:
Meine eigene Datenbank zu
digitaler Literatur unter http://www.cyberfiction.ch/liste.asp
verzeichnet etwas über hundert ausgewählte Werke
digitaler Literatur. Darunter finden sich ebenfalls nur 10
bis 20 Werke (je nach subjektiver Einschätzung), in
denen das Thema Liebe dominiert. Auch hier ist wie bei den
20 nominierten Wettbewerbsbeiträgen bereits eine grobe
qualitative Vorauswahl vorgenommen worden.
Der Vorläufer dieser Datenbank,
die Hyperfiction-Liste, die unter
http://www.cyberfiction.ch/beluga/hypfic.htm
als Archiv noch einsehbar ist,
verzeichnete 1996 bis 1999 cirka 40
ausgewählte
Werke, die von folgenden Themen
geprägt sind: 20 Werke machen das
Medium Internet bzw. Technologie zu
ihrem dominierenden Thema. 9 beschäftigen
sich mit der Liebe, mit
Sexualität, Liebesbeziehungen und
-konflikten.
Die restlichen 11 Werke gliedern sich auf verschiedene Themenbereiche
auf wie Kriminalgeschichten und SciFi.
Insgesamt beschäftigen sich also lediglich 10 bis
höchstens 20 Prozent der Werke digitaler Literatur
intensiv mit dem Thema der Liebe.
Trotzdem finden sich unter den aussagekräftigeren und
gelungeneren Werken digitaler Literatur einige, die das
Thema Liebe beschäftigt. Die folgende Auswahl soll dies
verdeutlichen:
Eine Auswahl weiterer
digitaler Literatur zum Thema »Liebe«:
>>> Susanne Berkenheger: Zeit
für die Bombe
(1997)
>>> Susanne Berkenheger:
Hilfe!
ein Hypertext aus vier
Kehlen
(1999/2000)
>>> Susanne Berkenheger:
die
Schwimmmeisterin
(2002)
>>> Peter Berlich: Core
(Parodie auf den Film Casablanca) (1997)
>>> Claudia Klinger (hg.):
kollaboratives
Projekt "Beim Bäcker"
(1996-1998)
>>> Martin Auer: die
Lyrikmaschine
(1996-1998)
>>> Jürgen Daiber, Jochen Metzger:
der
Trost der Bilder
(1998)
>>> Kyon (Gruppe): Metatron
(1998)
>>> Andrea Gnam: Wasserspiegel
- das Badewannenbuch
(2000)
>>> Schlampe: Liebesübungen/Leibesübungen
(2002)
Und selbstverständlich
findet sich unter den amerikanischen Hyperfictions eine
ansehnliche Zahl von Werken, die sich mit dem Thema Liebe
beschäftigen. So zum Beispiel:
>>> Mark Amerika:
Grammatron
(1993) (Amerika erfindet Liebes-Avatare)
>>> Michael Joyce: Afternoon,
a Story (1987/1991)
(Eine vertrackte Beziehungsgeschichte zwischen vier
Personen, zwei Paaren)
>>> Stuart Moulthrop: Victory
Garden (1991)
(Liebe, Uni, Verführung und Irak-Krieg)
>>> Shelley Jackson: Patchwork
Girl (1994)
(Frankensteins Monster ist eine Frau)
Einige
»frühere« Werke:
Susanne Berkenheger: Zeit
für die Bombe
(1997)
Ein Klassiker: die Geschichte einer Liebe und einer Bombe.
Sie läuft teilweise wie ein Film ab. "Nicht einmal die
Zeit rast so schnell durchs Leben wie Veronika." Der Leser
kann sich mit verschiedenen Personen durch die
Hypertext-Geschichte bewegen und erlebt dabei die Ereignisse
aus unterschiedlichen Perspektiven. Es geht ums Liebes-Leben
von Veronika. Der Leser braucht zwei bis drei
hartnäckige Lesedurchgänge, bis klar wird, welche
Beziehungen die einzelnen Personen zueinander pflegen, bzw.
bis wirklich deutlich wird, dass die Geschichte vier
Erzählstränge besitzt, welche die Standpunkte der
vier beteiligten Personen Veronika, Vladimir, Iwan und
Blondie wiedergeben.
Peter Berlich: Core
(1997)
«Core» ist eine Geschichtenmaschine, die die
Begegnung von Humphrey Bogart und Ingrid Bergman im Film
Casablanca neu erzählt, beziehungsweise parodiert. Als
Interface dient die Imitation eines nostalgischen,
grünen Computer-Screens: In der oberen Hälfte sind
die Befehle und Programmiercodes der Erzählmaschine
simuliert, in der unteren Hälfte läuft die
Geschichte Casio Blanco ab: "die dramatische
Geschichte eines Mannes in einem Dreieck aus Liebe, Gewalt
und Teilchenphysik" so erklärt das jedenfalls Berlich.
Eine witzige Sache, wenn man sich an den ziemlich
nervtötenden Umgang mit der (ironisierten)
Erzählmaschine gewöhnt hat. Die beiden
Hauptfiguren übrigens entpuppen sich bei Berlich als
ziemlich desillusionierte Trinker, ihr Sprachgebrauch ist
relativ vulgär un die Liebe auch nicht mehr das, was
sie (im Film) einmal war.
Claudia Klinger (hg.): kollaboratives Projekt
"Beim
Bäcker"
(1996-1998)
»Beim Bäcker ist ein typisches lineares
Web-Mitschreibeprojekt. Es ist nicht innovativ, dafür
aber interessant dank der direkten Verwicklung der
Autorencharaktere ins Projekt. Statt eines roten Fadens
entsteht eher eine "Aneinanderreihung belangloser Episoden".
Immerhin das Spannende des linearen Mitschreibeprojektes
ist, wie die einzelnen Autoren die zugeworfenen Bälle
auffangen oder nicht auffangen.
Carola Heine beginnt die von Claudia Klinger moderierte
Geschichte am 18. juli 1996 mit einer unverfänglichen
Szene beim Bäcker: Eine junge Frau schenkt drei
finanzschwachen Kindern neben dem Tresen drei Lollilutscher.
Die strahlenden Gesichter der beschenkten Kinder wecken den
Kinderwunsch der Spenderin. Diese mündet aber in eine
Quicky-Phantasie "zwischen Laugenbrezeln und
Aufbackbrötchen", denn zur Kinderzeugung wäre in
den Augen der jungen Frau gerade jener "muskulöse und
attraktiv verschwitzte junge Mann in dem blauen Overall" im
Ladeninneren sehr geeignet. Damit aber nimmt schon das
kollaborative "Verhängnis" seinen Lauf. Denn Herbert
Hertramph bringt im zweiten Beitrag einen Bauarbeiter ins
Spiel, der von aussen in den Bäckerladen schaut und an
der dort entdeckten Frau seinerseits die gleiche Phantasie
entwickelt. Hertramph führt aber nicht nur eine neue
männliche Figur ein, aus deren Perspektive er das
Geschehen weiterschreiben kann, er weist auch der Frau
bestimmte Attribute zu, die bei Heine teils noch
unbeschrieben und teils anders beschrieben waren. Die junge
Frau wird nämlich vom Bauarbeiter als klein und
altmodisch gekleidet beschrieben. Heine hatte ihr eine
Seidenbluse und einen Rock mitgegeben, Hertramphs
Bauarbeiter wünscht sich aber lieber Jeans. Heine
passten die Fantasien von Hertramph gar nicht, und sie
schlug zurück. Insgesamt kreierten verschiedene Autoren
38 kurzweilige Episoden. Daneben entstanden heisse
Diskussionen umd Inhalt und Verflechtung. Roberto Simanowski
hat die ganze Geschichte bereits vor zwei Jahren
in
einem längeren Beitrag in Dichtung
Digital
aufgearbeitet.
Kyon: Metatron
(1998)
Metatron ist ein Textkonvolut aus ziemlich
schrägen Textfragmenten zum Thema Aids, Krankheit, Sex,
Liebe, Tod, Hypertext und Architektur. DasProjekt
enthält Versatzstücken aus Epen und
Kunstgeschichte, die nicht in Teilen, Kapiteln oder Szenen,
sondern in (zerreissenden) Seilen organisiert
sind und weit in die Zukunft reichen. Teile des Projektes
sind hörspielmässig konzipiert und als
Audio-Dateien abspielbar. Metatron wird als Bezeichnung
für den stark erweiterten Komplex des Petersdoms in Rom
Mitte des 21. Jahrhunderts gebraucht.
Jürgen Daiber, Jochen Metzger:
der
Trost der Bilder
(1998)
Der Trost der Bilder ist ein multimediales Stück, das
einer Bilder- bzw. Kurzgeschichtengalerie gleicht. Die
Geschichten sind eingebettet in Musik und grafische, teils
animierte spielerische Abschnitte, begleitet von bewegten
Bildern. Eine Bühnenshow breitet sich auf dem
Bildschirm des Besuchers aus: "Meine Damen und Herren,
kennen sie die Psychographie? Nein? Macht nichts. Ganz kurz,
in medial-mundgerechtem Umfange aufbereitet, eine
Einführung: Mit der Psychographie erfahren sie
unbeschränkten Erfolg durch bessere Menschenkenntnis".
Die digitale Therapie kann beginnen. Dem Besucher bieten
sich schliesslich 6 Trostgeschichten an, die sich in jeweils
eins bis drei Kurzgeschichten (insgesamt 13) aufgliedern,
welche wiederum aus je drei bis neun "nodes" bestehen.
Themen sind unter anderem die Liebe, Sportereignisse,
Autounfälle, kleine Alltagsbeobachtungen. Im Abschnitt
zur Liebe werden drei Geschichten angeboten: Die Liebe zu
einer Schaufensterpuppe, die Weinverkäuferin, der Junge
mit Akne.
Andrea Gnam: Wasserspiegel -
das
Badewannenbuch
(2000)
Andrea Gnam erläutert ihr digitales Projekt gleich
selbst: «Ich habe das "Badewannenbuch" geschrieben, als
ich anfang zwanzig war. Es spielt Ende der siebziger, Anfang
der achtziger Jahre. Ich habe damals oft Auszüge auf
Lesungen vorgetragen, aber zwischen zwei Buchdeckel wollte
es seiner Konzeption nach nie so recht passen. Das hat zum
einen mit seiner Länge zu tun, das Badewannenbuch ist
kurz, man könnte es während einer
Badewannensitzung lesen. Zum anderen aber besteht es aus
verschiedenen parallellaufenden Erzählsträngen
wie: "Geschichten für ein Badewannenbuch", "Vorstellung
von A" "Vorstellung einer Stadt" und dem laufenden Text. Man
kann es konventionell von Anfang bis Ende lesen, aber auch,
und deshalb hat es jetzt hier im Netz zwanzig Jahre
später seinen Platz gefunden, sich von Fenster zu
Fenster durchklicken: Man kann also beispielsweise die
kleine Liebesgeschichte, die in "Vorstellung einer Stadt"
aufgerollt wird, am Stück lesen. Oder nur die kurzen,
witzigen Badewannentexte. Oder den Haupttext. Falls man aber
doch lieber das Ganze in der Badewanne goutieren will, steht
es jedem frei, sich das Badewannenbuch auszudrucken. als
Badeessenz empfehle ich in diesem falle etwas
Konventionelles, wie Fichtennadel oder
Latschenkiefer.»
Michael Joyce: Afternoon,
a Story
(1987/1991)
Als Reminder: Afternoon, a Story bietet eine
überkreuzte Beziehungsgeschichte zwischen zwei Paaren:
Wert und Peter, Nausicaa und Loli. Peter und Nausicaa sind
verheiratet, ebenso Wert und Loli. Peter arbeitet für
Wert, Loli ist Nausicaas Therapeutin. Die verkreuzten
Lebens- und Liebesgeschichten werden bald einmal deutlich,
der Verflechtungen sind kein Ende gesetzt, was auch zu
keinem Ende der Wirrungen führt.
Mark Amerika: Grammatron
(1993)
Ebenfalls
als Reminder: Mark Amerika erfindet in seiner
Hyperfiction von 1993 Liebes-Avatare. Ms. A. ist einer von
vielen Liebes-Avataren. Abe Golam ist in Cynthia verliebt
und trifft fortwährend auf Frauenfiguren, die ihn
irgendwie an Cynthia erinnern. Wurden diese Frauen
vielleicht nach ihr konstruiert? welche ist die echte
cynthia? Die Hauptfigur Abe Golam ist sich eigentlich
bewusst, dass Ms. A. nicht Cynthia sein kann, er ergibt sich
aber nur zu gerne der Illusion mit Cynthia (in der Gestalt
eines Liebes-Avatars) zusammen sein zu können.
Schlussfrage
und Antwortskizzen:
Auch wenn diese kleine Auswahl weiterer
Werke zum Thema Liebe die Auswertung
des Wettbewerbs »literatur.digital«
von 2001 etwas relativiert - und
ausserdem leise darauf hinweist, dass
im angelsächsischen Bereich Hyperfictions deutlich öfters
von der Liebe dominiert werden und sich die Sachlage da wohl anders
präsentiert -, so bleibt doch die Frage offen, warum denn Liebe
heute kein Thema ist für die
deutschsprachige digitale Literatur?
Es bieten sich hier zwei Antworten an,
die am Symposium zum »Modemfieber«
im arc
in Romainmôtier angedeutet
wurden.
Innerhalb des Internets wird der
Liebesdiskurs alles andere als
vernachlässigt.
Er dominiert in deutlich höherem
Masse die Mail-, SMS-, Chat- und
MUD-Kommunikation als die digitale
Literatur. Auch im Web selbst finden
Liebe, Sexualität und Beziehung einen nachhaltigen Abdruck, sei
es in kommerziellen Sex-Angeboten, in
Untergrundforen, in Dating-Services,
in professionellen und weniger
professionellen Ratgebern und so weiter.
Es scheint aber, dass dieser
"natürliche" Niederschlag des Themas
im Internet sich nicht auf die
Festplatten (in die Stuben) der digitalen
Autoren verbreiten konnte, da er von
den Autoren lediglich als nebensächlich
(und trivial) vermerkt wurde. Es sei
denn, es handelt sich um aufmerksame
Zeitgenossinnen, die sich die
Chaträume, Mailboxen und MUD-Umgebungen
zur festen Heimat gemacht haben wie
Susanne Berkenheger, Gisela Müller
und Nika Bertram.
Die erste These zu einer Antwort
skizziert den Autor als technikverliebt.
Das Begehren weicht auf die Technologie
aus. Es scheint, als wären
viele der digitalen Autoren in erster
Linie in die Technologie, in ihre
eigenen Tools und in die Möglichkeiten verliebt, die sich ihnen
dadurch auftun. Diese Preokkupation und
Faszination vermag Autoren effektiv
von den wichtigen inhaltlichen Themen
abzulenken. Der Fokus wird nicht
auf die Liebe zum Menschen, sondern auf die Technik gelegt. So kommt
es, dass sehr viele digitale Projekte das Internet oder allgemein die
Medien als ihr dominierendes Thema behandeln - und nicht die Liebe.
Die Mediensituation, in der sich der Autor selbst wiederfindet, wird
zum Thema gemacht. Anstelle eines
Lebensthemas wählt man das Metathema.
Es ist wie wenn Gutenberg und seine Zeitgenossen haufenweise Romane
über die schwierigen Umstände
des Buchdruckes und das Schreiben
für ein neues, noch unbekanntes
Publikationsmedium veröffentlicht
hätten. Die Wahl des Metathemas
ist wohl nur in einer Zeit möglich,
in der sich die digitale Literatur in
den Kinderschuhen befindet. Soweit
meine Antwortskizze. Fotis Jannidis und Ulrike Landfester skizzierten
in der Diskussion in Romainmôtier die Thesenergänzung, die
Technologie werde wohl als
Wiederherstellung eines Verlorenen betrachtet.
Und Jannidis und Landfester lieferten auch gleich die zweite These zu
einer Antwort auf das Ausbleiben der
Liebe: Die Liebe sei nicht semantisierbar,
darum werde sie in der digitalen
Literatur sehr selten zum Thema gemacht.
Ein Vortrag anlässlich des
Symposiums Modemfieber, zum Liebesdiskurs in
Mail-, SMS, Chat- und MUD-Kommunikation, das vom
18. bis 21. Juli 2002 im L'arc RomainmÙtier
(Schweiz) statt fand.
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