von Heiko Idensen
        
        
        
          
        
        
         
          
        
         
          anmerken, kommentieren, ersetzen
        
        Aktive Interpretations- und Kommentartätigkeiten finden sich keineswegs 
          erst in der Moderne, sondern ziehen sich durch die gesamte Kulturgeschichte 
          in den unterschiedlichsten Ausprägungen: extreme Verschachtelungen von 
          Text und verschiedene Auslegungen aus unterschiedlichen Epochen zu bestimmten 
          kanonischen Stellen finden sich schon in der jüdischen Thora: eine Textstelle 
          in der Seitenmitte ist hier von verschiedenen Textrahmen umgeben (Referenzen, 
          Kommentare, Auslegungen). In frühen Bibel-Konkordanzen werden die Anmerkungen 
          zwischen zwei Textspalten eingelagert. Die mittelalterlichen Abschreiber 
          sparen nicht damit, den zumeist auf der Seitenmitte stehenden Haupttexten 
          am Rande in kleinerem Schriftgrad eine Glosse hinzuzufügen. Im 16. Jahrhundert 
          tauchen kürzere Marginalien auf, die an bestimmte Textsegmente angehängt 
          werden, woraus sich im 17.Jahrhundert die Fußnoten entwickeln.
        die Fußnote als satirische Intertextfunktion
        Während der Aufklärung entwickelt sich das Medium Fußnote - in der 
          Tradition von Rabelais, Sterne, Cervantes - in den innerhalb der Salonkultur 
          zirkulierenden Texte zu einem äußerst beliebten diskursivem Trick, um 
          einem breitem Publikum unterschiedliche Konversationspraktiken, Stile, 
          Abschweifungen, Belehrungen und ironische Anspielungen nahe zu bringen.
          Welche verzwickten intertextuellen Konstruktionen durch extensiven Gebrauch 
          von Fußnoten produziert werden können, zeigen unzählige satirische literarische 
          Entwendungen der Fußnotentechnik.
          Als literarische Produktionsweise verstärken Anmerkungssysteme eine 
          nicht-lineare Verschachtelungen von Texten, bilden Abschweifungen und 
          mehrschichtige Textformationen - etwa im X.Kapitel von Finnegans 
          Wake, das an beiden Rändern und am Fuße der Seite bestimmte Anmerkungsorte 
          für verschiedene Sprecher markiert. Leser und Leserinnen versehen ihre 
          Bücher mit Markierungen, Unterstreichungen, Eselsohren. In wissenschaftlichen 
          Arbeiten werden komplexe Anmerkungsapparate aus dem physischen Körper 
          des Buches ausgelagert: Exzerpte, Zettelkästen, Materialienbände.
          Das historisch-kritische Wörterbuch, das Pierre Bayle nach zehnjähriger 
          Forschungs- und Kompilationsarbeit herausbrachte - und das zu einem 
          einflußreichen Konversationslexikon der aufklärerischen Salons wurde. 
          Es liest sich wie das Projekt einer `historisch kritischen' Neu-Auflage 
          aller bisherigen Wörterbücher: ein Lexikon der Fehler, Irrtümer, Auslassungen 
          und Verdrehungen der gängigen Lexika seiner Zeit: "Ich habe mir in den 
          Kopf gesetzt, die größte mir mögliche Sammlung von Fehlern zusammenzustellen, 
          die sich in den Nachschlagewerken finden [...]."[1] Bayles Verfahren der Textauswahl und der -generierung beruht 
          auf einem endlosen Prozeß der Relativierungen (Behauptungen und Erwiderungen, 
          Meinungen und Gegenmeinungen usw.). Als fortwährende Textkritik ist 
          es eine Frühform des intertextuellen Verfahrens. Die Autor-Funktion 
          gleitet über zu der eines Kompilators, Transformators, Herausgebers, 
          Kommentators.[2] Die überbordende Verwendung von Fremdmaterialien treibt Form 
          und Aussehen der Buchseiten an die Grenze der Buchkultur.[3]
          Bayles Paradigmenwechsel in der Wissensverarbeitung - Abwendung vom 
          Vollständigkeits-Anspruch einer Universalenzyklopädie, Hinwendung zur 
          Ausdifferenzierung vielschichtiger Materialienbestände - wurde von einigen 
          seiner Zeitgenossen (u.a. von Leibniz, der u.a. die chaotische Organisationsweise 
          nicht akzeptieren konnte[4]) vehement kritisiert; die umfangreichen Such- und Stöbermöglichkeiten 
          jedoch übten gleichzeitig eine große Faszination auf Leser aus den unterschiedlichsten 
          sozialen Schichten aus. Die von allen Enzyklopädien her bekannten Schwierigkeiten 
          bei der Lokalisation von Wissensfragmenten wurden hier gleichsam auf 
          die Spitze getrieben. Die vorherrschende Gebrauchsweise ("nicht zielstrebiges 
          Suchen [...], sondern bildungshungriges Lesen und Blättern, dessen Lohn 
          der überraschende Fund [sei] " (Neumeister, Sebastian 1990: Pierre Bayle 
          oder die Lust der Aufklärung. In: Hans-Albrecht Koch (Hg.): Welt der 
          Information. Wissen und Wissensvermittlung in Geschichte und Gegenwart. 
          Stuttgart
          , S. 75) [5] hat bereits eine strukturelle Ähnlichkeit mit dem Navigieren 
          in Informationsnetzen.
        Assoziations-Blaster
        
          Vernetzungsstrategien als neue Produktionsparadigmen für Texte werden 
          mittels automatischer Verlinkungsroutinen zum zentralen Moment des Schreibens 
          im Netz - zur Hauptfunktion der Textkonstitution erklärt: der Link, 
          der Zwischenraum der Texte, die Intertextualität.
          Bisherige Mitschreibe-Projekte im Netz kranken größtenteils daran, dass 
          sie nach wie vor immer noch so tun, als würde ein vereinzelter User-Autor 
          in einem einzigen Textfenster ganz allein für sich schreiben. Die Diskussions-, 
          Konversations- und Kooperationskulturen in Diskussionsforen, newsgroups, 
          MUDs und Mailinglisten stellen dagegen die gemeinschaftlichen Aspekte 
          der Netzkommunikation in den Vordergrund, die durch selbstgeschaffene 
          Regeln geordnet und durch entsprechende Features in den verwendeten 
          Interfaces unterstützt werden: Reply- und Zitatfunktionen, Bewertungs- 
          und Kommentierungsroutinen, grafische Darstellungen des Diskussionsverlaufs, 
          Such- und Verknüpfungsoptionen.
          Genau an dieser Schnittstelle zwischen technischen Parametern der Übertragung 
          und Speicherung und den darauf aufbauenden kulturellen Kodierungen setzt 
          der Assoziationsblaster an, indem er keine Themen und keine Geschichte 
          vorgibt, sondern ausschließlich mit der Linkstruktur selbst arbeitet:
          ",Die Entscheidung liegt bei uns, den Usern.` (TRON)
          Der Assoziations-Blaster ist ein interaktives Text-Netzwerk in dem sich 
          alle eingetragenen Texte mit nicht-linearer Echtzeit-Verknüpfung(TM) 
          automatisch miteinander verbinden. Jeder Internet-Benutzer ist aufgerufen, 
          die Datenbank mit eigenen Texten zu bereichern.
          Die einzelnen Beiträge können nicht der Reihe nach gelesen werden, stattdessen 
          wird anhand der entstehenden Verknüpfungen von einem Text zum anderen 
          gesprungen. Die dadurch entstehende endlose Assoziations-Kette vermag 
          dem Zusammenhalt der Dinge schlechthin auf die Spur zu kommen.
          Die Datenbank mit den Texten ist nach Stichworten geordnet. Jeder Text 
          gehört zu einem bestimmten Stichwort und die Stichworte stellen auch 
          die Verbindungen zwischen den Texten her. Jeder Internet-Benutzer darf 
          auch neue Stichwörter eintragen, die dann sofort Auswirkungen auf alle 
          bereits vorhandenen Texte haben."[6]
          Da sich keine Auswahlmenus oder Stichwortlisten zur Navigation anbieten, 
          kann ein User dieses Projekts sich lediglich über ein zufällig ausgewähltes 
          oder in eine Suchmaske eingegebenes Stichwort in den Datenbestand hineinbegeben. 
          Auch von hier aus kommt er nur über die generierten Links in dem ausgewählten 
          Text-Fragment weiter - oder er kann eben selbst in ein Eingabefeld seine 
          ,Assoziationen` einschreiben, woraufhin die eingegebenen Textfragmente 
          automatisch verlinkt werden: alle Worte, zu denen schon Stichworte existieren, 
          sind sofort wie durch ein Wunder in dem eingegebenen Text als Links 
          markiert, während der gerade eingegebene Text auch sofort in das Netzwerk 
          der kollektiven Assoziationen eingewoben ist. Der gesamte Datenbestand 
          des Assoziationsblasters ist über geschickte Suchmaschinen-Anmeldungen 
          mit dem Rest des Internets verbunden, so dass die relativ hohen Zugriffszahlen[7] von über 1000 pro Tag zu erklären sind.
          Kommt es zur Informationsverdichtung durch Linkhäufung und unmittelbare 
          automatische Anknüpfung an und in fremde Texte? Ist das vielleicht ein 
          möglicher Versuch, Ansätze für eine Poetik der Netzliteratur zu finden?
          
          Fast gegenläufig zum ursprünglichen Ansatz des ,freien Assoziierens` 
          werden im weiteren Verlauf des Projekts, Features zur Verdichtung[8], Kommentierung und Kommunizierbarkeit des Datenmaterials eingebaut: 
          ein skalierbares Bewertungssystem, vom User konfigurierbare Filtermechanismen, 
          ein Diskussionsforum, in dem die MitschreiberInnen ihre Beiträge, die 
          Features des Blasters und allgemeine Themen diskutieren.
        assoziieren
        Das Eingeben von kleineren Informationsfragmenten folgt dem Prinzip 
          eines momentanen Einfalls, einer Skizze, einem Entwurf, einer Idee zu 
          einem Gegenstand. Die produktiven Momente des Assoziierens werden 
          benutzt in der Psychoanalyse, in den Schreibspielen der Surrealisten 
          bis hin zu kollaborativen Schreibprojekten (etwa im Assoziationsblaster: 
          http://www.assoziations-blaster.de/).
          Die vernetzte Struktur von Hypertexten kommt assoziativen Gedankenoperationen 
          entgegen: Von einem Informationsknoten kann zu einer Vielzahl assoziierter 
          Informationen geschaltet werden.
        psychische Automatismen: surrealistische Kollaborationen
        
          Die surrealistische Bewegung ist zwar bekannt für Schreib- und Malspiele, 
          wie sie heutzutage in creative writing - Kursen massenhaft eingesetzt 
          werden ...
          etwa dem 'cadavre exquis' - einem Kreisspiel bei dem von jedem Teilnehmer 
          Bild- oder Text-Partien auf einem Zettel notiert werden, die an den 
          Folgespieler verdeckt weitergegeben werden, wobei nur die Anschlußpartien 
          bzw. das letze Wort sichtbar ist, so daß es zu überraschenden Verbindungen 
          und Übergängen kommen kann ... -
          wenig bekannt ist aber die Tatsache, daß ein kollaboratives Schreibexperiment 
          zwischen André Breton und Philippe Soupault geradezu den Beginn der 
          surrealistischen Kulturrevolution einleitet:
          die beiden Freunde setzten sich eine Frist von acht bis vierzehn Tagen 
          für ihre textuelle Zusammenarbeit. Zunächst schreibt jeder ein Kapitel, 
          die folgenden schreiben sie zusammen, wechseln sich ab. Eine Passage 
          schreibt der eine, die folgende der andere. Manchmal sitzen sie sich 
          gegenüber und vollziehen ein Frage- und Antwort-Spiel.
          Anschließend an diskursive Techniken wie Brainstorming oder freies Assoziieren 
          ruft der Surrealismus eine Revolution des Rausches (Benjamin) aus - 
          wobei die automatische Schreibweise als eine zentrale literarische Technik 
          eingesetzt wird, die einen metaphorischen Kollage-Prozeß in Gang setzt, 
          in dem spannungsreich unterschiedliche semantische Felder und Bilder 
          mit ganz unterschiedlichder kultureller Kodierung montiert werden.
          Als abgenutztes Schulbeispiel solch surrealistischer Metaphorik gilt 
          Lautreamonts vielzitierter Satz:
          "Er ist schön [...] wie die unvermutete Begegnung einer Nähmaschine 
          und eines Regenschirms auf einem Seziertisch!"
          (Lautréamont, Compte de: Die Gesänge des Maldoror, in: ders. Das Gesamtwerk, 
          Reinbk, 1988, S. 223)
          Der eigentliche Funke soll allerdings von der Literatur wiederum in 
          das Alltagslebens überspringen und somit die eigentliche surrealistische 
          Revolution auslösen:
          "Die improvisatorische Werkgenese durch Assoziation ist nicht nur eine 
          künstlerische Technik, sondern [...] sie wird ausgeweitet zu einer 'assiziativen 
          Lebensform, in einem Zustand permantenter produktiver Kombinatorik'.
          (Schulz, Holger: Das aleatorische Spiel. Erkundung und Anwendung der 
          nichtintentionaler Werkgenese im 20. Jahrhundert, München 2000. S. 75-76; 
          zitiert Fritz, Horst: Surrealismus, in: Borchmeyer, Dieter; Zmegac, 
          Viktor (Hg): Moderne Literatur in Grundbegriffen, Tübingen, 1994, S. 
          406-411)
          Kein Wunder, daß der Surrealismus in der Studentenrevolte eine fröhliche 
          Wiederauferstehung feiert! [9]
        automatische Schreibweise
        "Lassen Sie sich etwas zum Schreiben bringen, nachdem Sie es sich irgendwo 
          bequem gemacht haben, wo sie ihren Geist soweit wie möglich auf sich 
          selber konzentrieren können. Versetzen Sie sich in den passivsten oder 
          den rezeptivsten Zustand, dessen Sie fähig sind. Sehen Sie ganz ab von 
          Ihrer Genialität, von Ihren Talenten und denen aller andern. Machen 
          Sie sich klar, daß die Schriftstellerei einer der kläglichsten Wege 
          ist, die zu allem und jedem führen. Schreiben Sie schnell, ohne vorgefaßtes 
          Thema, schnell genug, um nichts zu behalten, oder um nicht versucht 
          zu sein, zu überlesen."
          (Breton, André: Erstes Manifest des Surrealismus, in: ders.: Die Manifeste 
          des Surrealismus, Reinbek 1968, S. 29f.)
          Was wir gerade heutzutage als das allerschwierigste ansehen, scheint 
          am Anfang des 20. Jahrhunderts noch ganz einfach zu sein:
          "Der erste Satz wird ganz von allein kommen, denn es stimmt wirklich, 
          daß in jedem Augenblick in unserem Bewußtsein ein unbekannter Satz existiert, 
          der nur darauf wartet, ausgesprochen zu werden. Ziemlich schwierig ist 
          es, etwas darüber zu sagen, wie es mit dem folgenden Satz geht; ohne 
          Zweifel gehört er unserer bewußten Tätigkeit und zugleich der anderen 
          an - wenn man annimmt, daß die Tatsache, einene rsten Satz geschrieben 
          zu haben, ein Minimum an Wahrnehmung mit sich bringt."
          (Breton, André: Erstes Manifest des Surrealismus, in: ders.: Die Manifeste 
          des Surrealismus, Reinbek 1968, S. 30)
          Tauchen dann doch Schreibhemmungen oder Schreib-Blockaden auf, empfielt 
          Breton einfach, sämtliche Fixierungen aufzugeben und künstlich Abschweifungen 
          und Unaufmerksamkeiten herzustellen.
        surrealiste Gemeinschaftsproduktionen
        Neben dem wichtigen Effekt der Aufbrechens linearer Strukturen, der 
          Umleitung, des Bruchs mit Konventionen und gängigen Sprachbildern ... 
          hebt Breton für die surrealisten Gemeinschaftsproduktionen in 
          Form von Gesellschaftspielen, bei denen jeder einzelne Teilnehmer einzelne 
          Elemente (Subjekt, Verb, Adjektiv oder Kopf, Leib oder Beine) beisteuert, 
          in anderem Zusammenhang gerade die interpersonalen Korrespondenzen als 
          eintscheidende Faktoren heraus:
          "Wir haben verschiedene Experimente in Form von 'Gesellschaftsspielen' 
          gemacht, deren amüsanter, ja erholsamer Aspekt mir in nichts ihre Tragweite 
          zu mindern scheint: [...] Und wir glauben, mit solchen Experimenten 
          eine seltsame Fähigkeit des Denkens aufgedeckte zu haben - die zu seiner 
          Vergemeinschaftlichung. [...] Tatsache ist, daß sich auf diese Weise 
          erstaumliche Beziehungen ergeben, bemerkenswerte Analogien sich zeigen 
          [...]"." (André Breton: Die Manifeste des Surrealismus, Reinbek bei 
          Hamburg, 1968, 92)
          Intertextuelle Verfahren, sprachliche Anspielungen, Textraub, künstlerische 
          Montage- und Collageverfahren bleiben niemals in der reinen Sphäre sprachlicher 
          Experimente gefangen, beschränken sich keinesfalls auf nur auf innersprachliche 
          Zeichen-Revolutionen oder einen Verbalradikalismus, wie er bezeichend 
          ist für einen machlosen, nicht in die Realpolitik eingreifenden Intellektuellenstatus, 
          sondern sie greifen im Laufe einer Sozialgeschichte der Literatur immer 
          wieder in das Zentrum kultureller Systeme ein - in das Herzstück sozialer 
          Systeme. Es stehen die tradierten Werte, die Grundlagen kultureller 
          Schätze und Überlieferungen - eben die Basiskonfigurationen der herrschenden 
          Kultur - auf dem Spiel - Zeichenökonomien ebenso wie auch ganz konkrete 
          ökonomische Beziehungsgeflechte und Wertmaßstäbe, etwa Besitz und Eigentum 
          kulturellerAktefakte und Muster, die z.B. durch gezielte Übertretungen 
          des Copyrights bedroht werden.
          Dieses Changieren zwischen Symbolischer Destruktion - einer "Revolution 
          der poetischen Sprache"[10] und ganz konkreten gesellschaftspolitischen Aktionen und Eingriffen 
          läßt sich bisher bei allen künstlerischen Avantgarde-Bewegungen erkennen.
        Schreiben und Assoziieren im Netz
        Leider funktioniert diese hier so schön beschriebene Technik im Netz 
          nicht immer - dabei müßte es doch online noch viel einfacher sein: sämtliche 
          Parameter surrealister Schreibspiele sind gegeben, ja größtenteils sogar 
          übertroffen: denn hier überlagern sich wirklich eine Vielzahl von Stimmen, 
          hier weiß wirklich ein Mitschreiber bei einem Schreibprojekt nicht, 
          was der andere schreibt, hier überlagern sich wirklich verschiedenste 
          Intentionen, die sich teils verstärken, teils abstoßen, aneinander reiben, 
          stören, sich widersprechen, dialogisieren, multilogisieren ...
          ... eine Strukturähnlichkeit zwischen den experimentellen Avantgarde-Texten 
          und Hypertexten ist das Paradox der Unlesbarkeit - besser gesagt, daß 
          sich die Poetizität 'offener Texte' erst in möglichen 'aktiven Rezeptionsprozessen' 
          äußert: eine Poetik des Transports, des Unterwegs-Seins, eine produktionsästhetische 
          Poetik der Kommunikation, die sich weniger in der Entschlüsselung und 
          dem Empfang einer Botschaft ausdrückt, als vielmehr in Eigenleistungen 
          der Rezipienten. Surrealistische Wort- und Bild-Konstelationen wie Netz-Texte 
          gleichermaßen werden vielmehr zu einer Art 'Sprungbrett', einer Absprungstelle, 
          an der sich die Imaginationsräume, die Textanalytischen Verfahren von 
          Autor und Leser treffen. Aus den Rezeptionsprozessen von Autor und Leser 
          geht ein Impuls aus, eine Verdichtung und Konzentration: das Kunstwerk 
          wird zu einem Gebrauchsmittel, eine Anleitung zur Realisierung ästhetischer 
          Kommunikation.
        autorisieren
        Es hat nie wirklich Autoren gegeben.
        Am Anfang war ein Text? Und der Text generierte andere Texte, überlagerte 
          sich mit Bildern, Metaphern, Briefen, Schriftrollen, Traumresten, Einritzungen 
          ...
          Jemand hatte das alles gehört und aufgeschrieben: die Märchen, die Mythen 
          des Alltags, abgeschrieben und heruntergeladen aus dem Internet. Die 
          Wolken, die vorüberziehen. Andere hatten weitergeschrieben, korrigiert, 
          gelöscht, umgeschrieben, übersetzt, Briefe verschickt, Reden gehalten, 
          Lieder gesungen, Theaterstücke aufgeführt ... aber Autoren, die hat 
          es niemals gegeben, nur Texte ...
          "Odysseus reist durch eine nur in der Sprache geborene Erlebnisidee, 
          in die reale Erinnerungsmomente eingeflossen sind, ohne daß sie direkt 
          in einen aktuell sich ereignenden Lebenszusammenhang eingebettet wären. 
          Unmittelbar erlebt ist allein der epische Text im Vollzug seines Entstehens 
          und seiner Wahrnehmung. Ob dahinter eine wie in diesem Fall plurale 
          Autorschaft steht, die sich der Obersignatur Homers bedient, oder 
          ob es wie beispielsweise für Vergils ,Aeneis` eine personal konkretisierbare 
          Autorschaft wäre, ist nicht von entscheidendem Belang.
          Wesentlich ist die unmittelbare und vor allem wiederholbare Erlebnispräsenz 
          von Sprache und daraus resultierendem Werk, in der sich Urheber und 
          Nutzer treffen" (Kleinschmidt, Erich (1998): Autorschaft. Konzepte einer 
          Theorie. Tübingen und Basel, 45).
          Jeder Text ist Bestandteil verschiedener textproduktiver und - rezeptiver 
          Prozesse: Textmaschinen, Sprachspielen, Auf- und Entladungen, Referenzen, 
          die sich aufbauen, abbrechen, vertiefen und vernetzen ... Differenzen 
          und Wiederholungen von Lese- und Schreibakten ...
        Adressierung von Informationen
        Autorenschaft wird - je nach dem technischen Stand des Kommunikationssystems 
          - als ein kulturelles Paradigma produziert und stellt somit in gewisser 
          Weise einen medialen Effekt des jeweils vorherrschenden Informationssystems 
          der Wissensverarbeitung dar. Der Autor ist insofern schon immer Bestandteil 
          eines komplexen kulturellen Netzwerks gewesen:
          "Als Autoren werden diejenigen informationsverarbeitenden Systeme bezeichnet, 
          die über ihre Sinnesorgane Informationen aufnehmen und diese zu Manuskripten 
          verarbeiten, die dann von den Druckereien aufgenommen werden. Erst durch 
          Herstellung einer Beziehung zu Verlegern und/oder Buchdruckern können 
          die ,Schreiber` also zu Autoren und damit zu Elementen eines neuen Kommmunikationssystems 
          werden" (Giesecke 1991, S. 400-401).
        Genauso produziert werden auf der anderen Seite des Kommunikationsprozesses 
          die Leser. (Untersucht man die unterschiedlichen Korrekturverfahren 
          von den Buchmalern über die Rubrikatoren zu den Korrektoren, so fällt 
          auf, dass in der typographischen Datenverarbeitung durch ausführliche 
          Druckfehlerverzeichnisse schließlich sogar der Leser in die Korrekturschleife 
          miteinbezogen wird, indem genau angegeben wird, auf welchen Seiten in 
          welchen Zeilen Korrekturen und Ersetzungen vorzunehmen sind. Vgl. Giesecke 
          1991, S. 121-123.)
        Text als Schnittstelle
        Ein Text stellt eine Oberfläche dar für die Begegnung von Leser 
          und Schreiber, Urheber und Nutzer, Sender und Empfänger ...
          "Autor und Leser sind durch gleiche Anstrengung und Aufmerksamkeit in 
          der Textarbeit vereint. Die Gültigkeit dieser Konstellation erstreckt 
          sich idealerweise auf einen zeitlich wie kulturell gemeinsamen Textort, 
          wo sich schreibender ,Leseautor` und dem Formulierungsprozess inhärenter 
          ,Autorleser` treffen. [...] Die impliziten Interaktionen, die sich im 
          unmittelbaren, weitgehend gleichberechtigten Korrespondenzwissen von 
          Autor und Leser intentional aufeinander bezogen aufbauen und zur Evidenz 
          gelangen, entziehen sich einer auktorialen Verfügung. [...] Dem Leser 
          fällt zunehmend Autorschaft zu, die aber nicht mehr mit dem ursprünglichen 
          Formulierer zurückgekoppelt ist, sondern die diese Bindungsgemeinschaft 
          nur noch simuliert" (Kleinschmidt, Erich (1998): Autorschaft. Konzepte 
          einer Theorie. Tübingen und Basel, S. 43).
          Der Text als anderer Schauplatz, als Bühne kultureller Wissenssysteme, 
          als Szenerie, in der sich kollektive Authentifizierungsprozesse abspielen: 
          begriffliche Regelspiele, mobile Organisationsprozesse, in denen die 
          Einbildungskraft wirken kann.
          "Der Redner hat, um mit seinem Text affektiv auf seine Zuhörer wirken 
          zu können, die Erregung zuvor durch Vorstellungen (phantasiai) zu projizieren" 
          (Kleinschmidt, Erich (1998): Autorschaft. Konzepte einer Theorie. Tübingen 
          und Basel, S. 28).
          Diese simple Maskierung, dieses auktoriale Rollenspiel mit teils göttlichen 
          Soufflierungen lassen letztlich den eigentlichen Ort textschöpferischer 
          Energie leer, die im Schauspiel von Text-Rezeption und -Produktion immer 
          wieder neu besetzt wird - auch schon in den frühen Reflektionen zu Textualität 
          und Autorschaft klafft die Lücke, die Leerstelle, der slash zwischen 
          Signifikat und Signifikant, den die Moderne/Postmoderne dann so wild 
          und emphatisch bearbeiten wird, eben der Zwischenraum zwischen 
          den Texten :
          "Zwischen ihnen droht stets das erinnerungslose Schweigen der Texte, 
          jene Grenzüberschreitung aus den sprachlichen Tauschvorgängen mit der 
          Welt in das Vergessen. [...] Die Verweigerung, sich in Texten zentrierend 
          zu äußern, führt zur Verdunkelung der Welt" (Kleinschmidt, Erich (1998): 
          Autorschaft. Konzepte einer Theorie. Tübingen und Basel, S. 29).
          Schriftlich fixierte Text bereiten (im Vergleich zur direkten oralen 
          Textweitergabe in Dialogen oder eben der klassischen Rede) schon die 
          direkte Adressierbarkeit von Texten jenseits von Autorfiktionen und 
          flüchtiger Rede vor, wie sie jetzt im Netz so schön möglich ist.
          Das alte ,väterliche` (Plato) verantwortungsbewusste und eben vor allem 
          personal gebundene orale Überlieferungsmodell von Texten mit klar definiertem 
          Sender/Autor/Autoritätszentrum wird durch eine entsubjektivierte Autorität 
          der Schrift selbst abgelöst, Kommunikationszusammenhänge und Kontexte 
          verschwimmen ...
          "Der Text wird wichtiger als sein Produzent, der nach der Niederschrift 
          ganz zurücktreten kann, es sei denn, dieser wollte als ein 'Freund der 
          Weisheit' (philósophos) jenen noch weiter kommentierend auslegen" (Autorschaft, 
          S. 31, mit Verweis auf E. R. Curtius, Europäische Literatur und lateinisches 
          Mittelalter).
          In dieser Trennung von Autor, Exeget und Leser scheint für die Textgenese 
          letztlich auch schon jene erschreckende Leere auf, die im Laufe der 
          Geschichte immer wieder mit anderen Phantasmen, technischen Projektionen 
          etc. gefüllt wird, bis hin zur momentan gültigen Produktionsanweisung, 
          dass eben das Internet selbst die Texte generiere, die hier fluktuieren 
          ...
          Die Frage "wer spricht" wird zur Frage nach den ideologischen und ökonomischen 
          Machtverhältnissen kultureller Produktionsweise, die zudem nicht selten 
          die Grundlage bilden für basale gesellschaftliche Produktionsverhältnisse. 
          (Eine Umkehrung der klassisch gedachten Basis/Überbau-Verhältnisse, 
          also zutiefst idealistisch?)
          "Dies führt in der Textformulierung erst einmal dazu, daß Autorschaft 
          dazu neigt, Masken anzulegen, sich sprechende Protagonisten zu wählen, 
          weil sie sich angesichts der zahlreichen Interaktionen im gesellschaftlichen 
          Beziehungsraum kommunikativ vervielfältigen will. Zugleich wird aber 
          der Formulierende zum Einen, der gleich allen ist, im Namen aller und 
          zu allen spricht. Seine Aussage repräsentiert nicht nur eine Identität 
          des eigenen Selbstbewußtseins, sondern sie spaltet sich auf in ein plurales 
          Wahrnehmungsbewußtsein vieler anderer Identitäten. [...]
          Autorschaft ist im Gegensatz zum physisch konkreten Sänger oder Dichter 
          etwas, das nicht selbstverständlich von Anfang aller Literatur vorhanden 
          wirkt. [...] Autorschaft erscheint funktional als ein Phantasma. Es 
          verleigt, was gegenständlich 'Text' genannt wird, Zusammenhang und überdeckt 
          so die disparat erlebte Wirklichkeit der Texte. Um diese negative, wenn 
          nicht traumatische Erfahrung zu überwölben, bedarf es der Vorstellung 
          von Autorschaft. Sie erlaubt es, die symbolischen Repräsentationen, 
          wie sie in der mythischen Kodierung noch möglich waren, zu ersetzen" 
          (Kleinschmidt, Erich (1998): Autorschaft. Konzepte einer Theorie. Tübingen 
          und Basel 1998., S. 33).
          Und eben an dieser Leerstelle der Texte, die für viele moderne und postmoderne 
          Texte geradezu konstitutiv war und in verschiedenster Art und Weise 
          zum Antrieb der Textgenese wurde, können wir jetzt ganz konkret in netzwerkunterstützten 
          kollaborativen System arbeiten, nach theoretischen Durchläufen, die 
          eben diese freigewordene Stelle der Texte auf selbstschöpferische, quasi 
          autopoetische Momente der Sprache zurückgebunden hat (Plato, Wittgenstein, 
          Luhmann), bzw. nach einer Wiederaufnahme der Vorstellung einer vorsprachlichen 
          transpersonalen sprachlichen Instanz (chora) etwa bei den poststrukturalistischen 
          Intertextualitätskonzepten (Kristeva).
          Autorschaft ist also ohne ein ,produktives Lesen` nicht denkbar. Sprachliche 
          Produktions- wie Rezeptionsakte schließen somit neben grammatikalischen 
          Regeln und sprachlichen Strukturierungen auch diskursive Formationen, 
          Nutzungsregeln, hermeneutische Zirkel etc. mit ein, eben die sprachlichen 
          und kulturellen Sinnproduktionsprozesse, worin eine gewisse Paradoxie 
          der Autorschaft evident wird. Der Autor wird zu einem Mediator, einem 
          Vermittler zwischen den vorliegenden Texten der Bibliothek und einer 
          möglichen Aktualisierung und Neuproduktion.
          
          Aus solchen verschiedenen Facetten intertextueller Textgenese, aus Projektionen 
          und Sprachspielen um diskursive Machtverteilungen in Texten können wir 
          nicht nur Figuren des Verschwindens von Autorschaft entdecken, wie sie 
          in der Text- und Theorieproduktion der Moderne und des Poststrukturalismus 
          genügend formuliert und zuweilen auch bis zum Überdruss und zur katastrophischen 
          (medizinischer Ausdruck für Krampf/Lähmung) Lähmung wiederholt worden 
          sind, sondern wir können daraus ebenso Methoden künstlerischer und politischer 
          Entwendung ableiten (cut-up-Methoden, Textmaschinen, offene 
          Textstrukturierungen, Sprachspiele, wie Momente der ,Entwendung bei 
          den Situationisten oder Operationen der vielleicht letzten Kolonne von 
          Medien- und Kommunikationsguerilleros ...), die sich wie Viren nicht 
          nur im Netz ausbreiten ("I love you"), sondern die auch als open 
          source-Bewegung, sowohl konstitutiv für das Netz (mit seinen Protokollen, 
          Programmen und Kommunikationsstrukturen) selbst sind, als sie auch darüber 
          hinaus Modelle für neue Ökonomie- und Gesellschaftsutopien freisetzen 
          können, auf deren Basis sich möglicherweise auch Widerstandspotentiale 
          gegen hyperkapitalistische dot.com Praktiken bilden (Vgl. Volker Grassmuck: 
          Freie Software 1/2 http://mikro.org/Events/OS/text/freie-sw.html)
        Aufschreibesysteme
        Die poetischen Operationen mit denen Ezra Pound, Stéphané Mallarmée, 
          James Joyce u.a. die Verwendung der Sprache revolutionieren, bereiten 
          Kulturtechniken vor, die in den sechziger Jahren von den Pionieren des 
          Hypertextes auf der neuen Wunschmaschine Computer implementiert werden 
          können: assoziativer Zugriff auf Daten unterschiedlichster Art, offene 
          Texte, die an jeder Stelle verändert, ergänzt und mit anderen Textstellen 
          (oder Bildern) verknüpft werden können; jedes Wort wird zu einem Knoten 
          von Bedeutungen, zu einem möglichen Absprungort für neue Konstellationen, 
          Anspielungen und Verweise ...
          Die aufkommenden technischen Medien beflügelten die Literatur seit der 
          Jahrhunderwende und führten zu einer Reflektion medialer Auflösungserscheinungen 
          in der Literatur (Futurismus, Noveau Roman, James Joyce).
          "Das Wort Aufschreibesystem [...] kann auch das Netzwerk von Techniken 
          und Institutionen bezeichnen, die einer gegebenen Kultur die Entnahme, 
          Speicherung und Verarbeitung relevanter Daten erlauben. [...] Nun sind 
          zwar alle Bibliotheken Aufschreibesysteme, aber nicht alle Aufschreibesysteme 
          Bücher. [...] Archäologien der Gegenwart müssen auch Datenspeicherung, 
          -übertragung und-berechnung in technischen Medien zur Kenntnis nehmen." 
          (Kittler, Friedrich (1987), Aufschreibesysteme 1800/1900, München, S.429)
        
        cut-up: Schneiden, knüpfen, verknüpfen
        Experimentelle Collage-Techniken des Schreibens werden immer wieder 
          auf das Zeitungs-Layout zurückgeführt: Spaltensatz, Mischungen von Text, 
          Bild und den unterschiedlichsten Genres, Meldungen, Anzeigen bilden 
          eine ideale Ausgangslage für die nicht-lineare Leseerfahrung des "Crossreading", 
          bei denen das Auge des Lesers die Grenzen der gesetzten Grenzen von 
          Textspalten überspringt und ungeanhte Querverbindungen erzeugt. So wird 
          in den zahllosen Gebrauchsanweisungen zur Herstellung experimenteller 
          Literatur von oder Buchseiten verlangt, damit die Worte als Material 
          aus dem Kontext gerissen und zur Wiederverwertung freigesetzt werden. 
          Der Schnitt markiert eine gewaltsame symbolische Operation einerseits, 
          aber auch einen konkreten physischen Akt.
          Als Methode des Denkens und Handeln geht eine Cut-Up- 'Lebensweise' 
          aber weit über ein einfaches Verschieben von Wortketten hinaus und bezeichnet 
          ganz anschaulich Momente postmodernen (und neuerdings vielleicht auch 
          postsymbolischen) Subjekt-Shiftings.
          Paßte die Technik des 'inneren Monologs' zur modernen bürgerlichen Autorenkonstitution 
          - mit den entsprechenden Leseanweisungen, nebst projizierter stellvertretenden 
          Identifikations- und Gegenidentifikationsmomenten der Rezipientinnen, 
          so ist das Cut-Up Ausruck einer grundlegenden Verschmelzung von Rezeptions- 
          und Produktionsmomenten unter den Bedingungen postmoderner Medienkonstellationen.
          Schon das Medienformat Zeitung produziert von sich aus eine zerstreute 
          verteilte und vernetzte Rezeptionsweise, die somit jeden Rezipienten 
          in eine Cut-Up-Professional verwandelt.
          Während im modernen Roman die Simultanität verschiedener Weltausschnitte 
          und Wahrnehmungsebenen noch künstlerisch produziert werden mußte durch 
          geschliffene schriftstellerische Methoden und die surrealistischen Spiele 
          wie auch die Psychotechniken der Psychoanalyse Assoziationen freizusetzen 
          versuchten durch ein Anzapfen unbewußter Bewußtseinsströme, sind die 
          Sinnesoperationen unter multimedialen Bedingungen von vornherein auf 
          ein permanentes Changieren zwischen Aufnehmen, Verarbeiten und Kommunizieren 
          eingestellt. so etwas wie innerer Monolog oder auch das Cut-Up-Gefühl 
          sind alltäglich geworden. Jeder Mensch ist ein Künstler und lebt wie 
          James Joyce. Dazu braucht man nicht mehr zu lesen oder Textschnipseleien 
          vorzunehmen.
          So nimmt Burroughs alltägliche Szenen schon als permanentes Cut-Up wahr 
          - durch die Cut-Up-Methode werden diese Simultaneitäten nur explizit 
          gemacht.
          Bei Zeitunglesen folgen die Augen den Text-Spalten zwar in gewohnter 
          aristotelischer Manier anscheinend unter der Bedingung, jeweils immer 
          eine Idee und einen Satz aufzunehmen, aber unter der Oberfläche der 
          Wahrnehmung laufen parallel mehrere Prozesse gleichzeitig ab, Wortfetzen, 
          Bildsegmente aus benachbarten Spalten drängen sich auf, Stimmen von 
          Unterhaltungen in der Nähe sind zu hören, ein Nachrichtenfenster springt 
          auf, eine Sounddatei spiel im Hintergrund, während ich mir gleichzeitig 
          den Source-Code anzeigen lasse, email angekommen ist und ich einen Platz 
          im Zug reserviert habe. Ist das noch Cut-Up - oder schon wieder etwas 
          anderes?
          Die Haltung zur Welt, zur Umgebung, zum Kontext ist keine passive mehr 
          - wie die des Romanciers , man kann nichts mehr abschreiben, einschreiben 
          und abspeichern, man bewegt sich einfach in einem System von Querbeziehungen. 
          Cut-Up als eine Methode Intertexualität zu praktizieren erweitert den 
          Raum und die Funktionsweise von Worten in die Welt. Der Cutter lebt 
          darin wie ein Fisch im Wasser, die Beschreibungen von Leben der Avantgarde 
          als ein Kampf um die Vereinigung von Alltagsleben und Kunst sind sein 
          alltägliches Brot, banale Erkenntnis. Das Leben im Cut-up, das Leben 
          als Cut-up.
          Und nicht nur die. Im Cut & Paste deutet sich eine Literatur an, 
          die von allen gemacht wird.
          .... Insofern hat die Cut-Up Methode nichts mit einem 'freien' Assoziieren 
          zu tun, eher mit zwanghaften, unter starken Einflüssen (unter Drogen 
          oder anderen extremen Wahrnehmungsmanipulationen) ausgeführten Materialschlachten, 
          wie sie unter vernetzten multimedialen Medienbedingungen auf der Tagesordnung 
          eines jeden Users stehen.
         
          Die Schnittstellen im cut-up
        
        Hier haben wir wieder die wundersame und wunderbare Benutzung von Worten 
          als Schnittstelle und finden verstreut im weiteren Werk von Burroughs 
          auch jede Menge Gebrauchsanweisungen, Anleitungen und Tips für die eigene 
          Hand-Habungen, Wörter zu berühren, mit ihnen in Kontakt zu treten:
          Das einfachste cut-up mit dem Tonbandgerät bekommt man, wenn man aufs 
          Geratewohl in bereits aufgenommenes Material neue aufnahmen einfügt: 
          die Wörter an den Schnittstellen werden natürlich gelöscht, man erhält 
          Überlagerungen, interessante Nebeneinanderstellungen. Im Medium des 
          Sounds lassen sich einfacher als mit dem gedruckten Wort (etwa durch 
          mehrspaltiges Layout) Effekte der Gleichzeitigkeit erreichen: Echos, 
          Beschleunigungen, Mischungen.
          Was Burroughs in seinen Experimenten erahnte, ist heute die strategisch 
          wichtigste Operation im Netzschreiben geworden: 
        copy & paste als Waffe im Medienkrieg
        "Die Schnittpunkte sind sicherlich sehr, sehr wichtig. Beim Zerschneiden 
          bekommt man einen Schnittpunkt, wo sich das neue Material, das man eben 
          erhalten hat, auf sehr präzise Weise mit dem bereists vorhandenen überschneidet, 
          und das ergibt dann einen neuen Ausgangspunkt."
          (William S. Burroughs: Der Job. Gespräche mit Daniel Odier, Frankfurt 
          am Main 1986, S. 16)
          Massenhaft angewendet erscheint die cut-up-Methode als eine revolutionäre 
          Waffe nach Art der Kommunikations-Guerilla. Möglich erscheinen Events, 
          Festivals, Konzerte, Demonstrationen, Aufmärsche, in denen die Masse 
          der Teilnehmenden - ausgerüstet mit walkmen als persönliche kleine Wunschmaschinen 
          - durch abwechselndes Betätigen der RECORD und PLAY-Taste wirklich zu 
          Produzenten werden:
          "[...] wenn tausende von Leuten mit Tonbandgeräten Informationen ausstreuen 
          wie durch ein Netz von Buschtrommeln: eine Parodie auf die Rede des 
          Präsidente, die Balkone rauf und runter, durch Fenster rein und raus, 
          durch Wände, über Hinterhöfe, aufgenommen und weitergetragen von Hundegebell, 
          brabbelnden Pennern, Musik [...]
          (William Burroughs: Die elektronische Revolution, Expanded Media Edition, 
          S. 27)
          Der eigentlich Kick dieser Operationen ist, daß - im Unterschied zu 
          den meisten künstlerischen Klang-Experimenten à la Cage eine Rückkopplung 
          in den sozialen Kontext vorgenommen wird, aus dem die Materialien 
          entnommen worden sind, und daß genau durch diese Feedback-Schleifen 
          ein Aufschaukeln, Übersteuerungen und Momente des Außer-Kontrolle-Geratens 
          initiiert werden:
          "Demonstraten sind aufgefordert, friedlich zu demonstrieren [...]. Zehn 
          Tondbandagenten mit Tonbändern unter der Jacke, Aufnahme und Wiedergabe 
          gesteuert durch Bedienungsknöpfe am Revers. Sie haben Bänder von Aufnahmen 
          von Kravallen in Chikago, Paris, Mexico-City, Kent State/Ohio. Wenn 
          sie den geräuschpegel ihrer Aufnahme dem der jeweiligen Umgebung anpassen, 
          wird man ihnen nicht auf die Spur kommen. Rempelei zwischen Polizisten 
          und Demonstranten. Die Tonbandagenten ziehen sich am Ort des Geschehens 
          zusammen, spielen Chikago ab, nehmen auf, gehen weiter zur nächsten 
          Rempelei, nehmen auf, spielen weiter. Die Sache wird langsam heiß [...]".
          (William Burroughs: Die elektronische Revolution, Expanded Media Edition, 
          S. 28)
          Also einfache Umwandlung eines kalten Mediums in ein heißes. Dekonstruktion 
          und Deregulierung aller Sinne einmal ganz platt und wirksam, Medienkritik 
          praktisch durch zerschneiden festgeleger Assoziationsverbindungen. Könnte 
          etwa so geklungen haben:
          "Gestern stürmte Präsident Johnson 26 Meilen nördlich von Saigon in 
          ein Nutten-Apartment und hielt drei Mädchen die Knarre vor." (S. 29)
          Das Programm ist ganz klar auch ein politisches, erfrischend anders 
          als die reinen Materialschlachten der Avantgarde oder des Techno:
          "Mit einem Tondbandgerät läßt sich das hypnotische Gemurmel der Massenmedien 
          schneiden und in veränderter Form auf die Straße bringen." (S. 29)
        Cut & Paste
        "nimm eine zeitung. nimm eine schere. suche einen artikel aus von der 
          länge des gedichts, das du machen willst. schneide ihn aus. dann schneide 
          jedes seiner wörter aus und tue es in einen beutel. schüttele ihn. dann 
          nimm einen ausschnitt nach dem anderen heraus und schreibe ihn ab. das 
          gedicht wird sein wie du."[11]
          Nach dieser simplen Gebrauchsanweisung kann freilich jedermann leicht 
          selbst Literatur herstellen. Und doch fordert ein solcher Appell, selbst 
          ein Gedicht nach dadaistischer Manier zu erzeugen, vom Leser das Unmögliche:
          Nämlich aus der passiven, teils quälenden, bisweilen aber auch lustvollen 
          Lese-Aktivität auf die Seite der Produzenten zu wechseln, auf die 'andere 
          Seite' des Textes. Aber was so einfach erscheint, stößt doch auf ungeahnte 
          Hürden auf dem Wege des Textes vom Leser in die literarische Produktion.
          Die verlockendende Versprechungen avantgardistischer Literatur auf eine 
          wie auch immer geartete Mitautorenschaft der LeserInnen werden im falschen 
          Medium ausgesprochen. Sie sind und bleiben Literatur, können kein 'ausführbares 
          Programm', keine kulturelle Praxis werden, weil die gesellschaftlichen 
          und kulturellen Produktions- und Rezeptionsformen derartige Überschreitungen 
          verhindern.
          Das Ausschneiden von Wörtern aus einem beliebigen Zeichenvorrat ist 
          und bleibt eben nur die Verlängerung eines selektiven Rezeptionsprozesses, 
          des ,Crossreadings`, das durch das Zeitungslayout mit seiner simultanen 
          Präsentation verschiedenster unzusammenhängender Materialien geradezu 
          herausgefordert wird.
          "Man muss sich vorstellen, das Lesen geschehe in einem öffentlichen 
          Blatte, worin sowohl politische, als gelehrte Neuigkeiten, Avertissements 
          von allerlei Art u. s. w. anzutreffen sind: der Druck jeder Seite sei 
          in zwei oder mehrere Columnen geteilt und man lese die Seiten quer durch, 
          aus einer Columne in die andere."[12]
          Kombinatorische Übungen, Umleitungen linearer Lesestrategien sind also 
          letztlich schon industriell vorproduziert: eine Zeitungsseite ist von 
          vornherein schon collagiert -- die vermeintlich dekonstruierende dadaistische 
          Geste erscheint als eine Überhöhung der Neukonditionierungen der Leser 
          durch massenmediale Formate. So zeigt gerade die Aufforderung an den 
          Leser zur Abschrift der Zufallskomposition genau auf, was dem Leser 
          fehlt: womit soll er schreiben, worauf soll er schreiben und wer wird 
          das je lesen?[13]
          Gleichsam als ironische Vertröstung und Aufforderung zur Solidarität 
          des Lesers mit dem unverstandenen dadaistischen Autoren erscheint dann 
          auch der Schlußsatz der dadaistischen Gebrauchsanweisung: "[...] Ziehen 
          Sie darauf die Zettel einen nach dem anderen heraus und ordnen sie nach 
          der Reihenfolge. Kopieren Sie gewissenhaft. Das Gedicht wird ihnen gleichen. 
          Und Sie stehen als ein Schriftsteller von unübertrefflicher Originalität 
          und bezaubernder Sensibilität da, wenn auch vom großen Publikum unverstanden."[14]
          Unverstanden oder nicht: 1920 jedenfalls las Tristan Tzara einen 
          Zeitungsartikel als Gedicht vor und die dritte Nummer der Zeitschrift 
          Dada brachte einen Höhepunkt dieser produktiven Schnipselei:[15] "Typen jeder Art und Größe sind hier durcheinander gewürfelt, 
          Worte in alle Richtungen über die Seite verteilt, bunte Papiere zwischen 
          die weißen geschoben. Der Leser muss Blatt um Blatt im Kreise drehen, 
          um den Sinn oder Unsinn zu entziffern."[16]
          Aber immerhin: Der Akt des Lesens wird durch die dadaistische Typographie 
          zu einer ganz handgreiflichen Tätigkeit und läutet einen ganz entscheidenden 
          Paradigmenwechsel in der Literaturproduktion, -theorie und -rezeption 
          ein: Der Akt des Lesens bekommt (wieder) Ereignischarakter. Er wird 
          zu einem Prozeß des sinnlichen An- und Kurzschließens zwischen Text- 
          und Leserkörper. In den ausschweifenden Bewegungen einer solchen ,Lust 
          am Text` liegen Befreiungspotentiale für eine Wiederauferstehung aller 
          toten Dichter in jedem möglichen Leser begründet:
          ,,,Heute wissen wir, dass ein Text nicht aus einer Reihe von Wörtern 
          besteht, die einen einzigen, irgendwie theologischen Sinn enthüllt (welcher 
          die ,Botschaft` des Autor-Gottes wäre), sondern aus einem vieldimensionalen 
          Raum, in dem sich verschiedenen Schreibweisen [écritures], von denen 
          keine einzige originell ist, vereinigen und bekämpfen. Der Text ist 
          ein Gewebe von Zitaten aus unterschiedlichen Stätten der Kultur. [...] 
          Ein Text ist aus vielfältigen Schriften zusammengesetzt, die verschiedenen 
          Kulturen entstammen und miteinander in Dialog treten, sich parodieren, 
          einander in Frage stellen. Es gibt aber einen Ort, an dem diese Vielfalt 
          zusammentrifft und dieser Ort ist nicht der Autor [...], sondern der 
          Leser. Der Leser ist der Raum, in dem sich alle Zitate, aus denen sich 
          die Schrift zusammensetzt, einschreiben, ohne dass ein einziges verloren 
          ginge. Die Einheit eines Textes liegt nicht in seinem Ursprung, sondern 
          in seinem Zielpunkt. [...] Die traditionelle Kritik hat sich niemals 
          um den Leser gekümmert; sie kennt in der Literatur keinen anderen Menschen 
          als denjenigen, der schreibt. [...] Wir wissen, dass der Mythos umgekehrt 
          werden muss, um der Schrift eine Zukunft zu geben. Die Geburt des Lesers 
          ist zu bezahlen mit dem Tod des Autors."[17]
        Electronic Café (anlässlich der Olympischen 
          Spiele Los Angeles 1984)
        Der Prototyp aller Internetcafés ist in der Geschichtsschreibung etwas 
          untergegangen. Wie fast immer ist die Dokumentation äußerst mangelhaft,.[18] und wir können uns die Szenerie nur mit etwas Phantasie ausmalen:
          Electronic Café (anlässlich der Olympischen Spiele Los Angeles 
          1984) ist ein multimediales an eine öffentliche Bilddatenbank[19] angeschlossenes Computer- und Video-Netz, das fünf von verschiedenen 
          Volksgruppen bewohnte Bezirke von Los Angeles sieben Wochen lang während 
          der Olympischen Spiele 1984 in sogenannter Echtzeit miteinander verband:
          In diesen multikulturellen Kommunikationszentren, die mit interaktiven 
          Systemen zur Bild-, Text- und Ton-Bearbeitung ausgestattet sind, werden 
          den Benutzern Zugänge zu unbekannten sozialen Welten ermöglicht. Durch 
          das Aufnehmen, Speichern, Übertragen und Vernetzen von Bildern und Daten, 
          die aus der Alltagskultur, den Bräuchen und Mythen der verschiedenen 
          Volksgruppen gewonnen sind, entsteht ein allgemein zugängliches Archiv 
          sozialer Gesten. Die Produktion, Reflexion, Bearbeitung der eigenen 
          kulturellen Bilder und Visionen erzeugt einen ,virtuellen elektronischen 
          Kommunikationsraum` -- eine ,Community Memory` --, der einen Austausch 
          mit fremden, direkt schwerlich kommunizierbaren sozialen Welten ermöglicht. 
          Eine solche aktive Art des ,Umweltdesigns` lässt für Gene Youngblood 
          letztlich auch die eigenen kulturellen Systeme als virtuell (künstlich 
          produziert) und somit veränderbar erscheinen: "Gestützt auf Simulationsinstrumente 
          (persönliche Metamedien), stellen wir Modelle alternativer Wirklichkeiten 
          her (Kunst); gestützt auf konversationelle Netzwerke (die öffentlichen 
          Metamedien also), können wir aber auch die kulturellen Kontexte kontrollieren, 
          die die Publikation und den Empfang dieser Modelle determinieren (Politik). 
          Die Kontrolle des Kontextes beinhaltet die Kontrolle der Bedeutung, 
          die Kontrolle der Bedeutung ist identisch mit der Kontrolle der Wirklichkeit."[20]
        Das Europäische Tagebuch (Wam Kat: Zagreb Diary, 
          1992)
        Das Europäische Tagebuch hat sich unmittelbar aus Kollaborations- 
          und Kommunikationsweisen innerhalb der Nachrichtenströme von Mailbox-Netzwerken 
          entwickelt:
          Ausgehend vom Zagreb Diary, in dem der holländische Friedensaktivist 
          Wam Kat seit Frühjahr 1992 seine persönlichen Eindrücke vom Kriegsgeschehen 
          im ehemaligen Jugoslawien -- "gewissermaßen wie offene Briefe an meine 
          Freunde oder an Menschen, die ich für Freunde halte" -- als öffentliches 
          Tagebuch innerhalb einer relativ geschlossenen Netzstruktur (des Zerberus-Mailbox-Netzes) 
          zirkulieren ließ, wurden auf Initiative von Peter Glaser Anfang 1993 
          persönliche Eintragungen, subjektive Geschichten und Erlebnisse quer 
          durch Europa in Mailbox-Netzen zusammengetragen: "Zur Idee des Europäischen 
          Tagebuchs:
          Durch Verbreitung über elektronische Medien zur ,Nachricht` geadelt, 
          erzeugen heute Agenturmeldungen den Anschein, die ,wirkliche Wirklichkeit` 
          wiederzugeben. Den jeweils speziellen Arten von Sprachgebrauch, die 
          sich ,Politik`, ,Wirtschaft` oder ,Wissenschaft` nennen, soll durch 
          das ,Europäische Tagebuch` eine Vielfalt individueller Realitäten zur 
          Seite gestellt werden, und zwar selbstbewußt. [...] Um Tagebuch zu schreiben, 
          muß man kein Künstler sein. Zu den Vorteilen des Tagebuchs gehört, daß 
          Inhalt und Stil freigestellt bleiben. Es geht um die Wahrnehmung der 
          Welt aus erster Hand."[21]
          Als eines der wenigen Netz-Werk-Schreibprojekte hat das Europäische 
          Tagebuch wirklich eine zeitlang in radikaler Autonomie funktioniert 
          -- ohne Leitung und ohne Kunstanspruch. Das Zusammenstoßen äußerst unterschiedlicher 
          Alltagsausschnitte aus den verschiedensten Schauplätzen ereignet sich 
          gerade in der Vermischung unterschiedlichster Privatzonen. Das Private 
          wird öffentlich -- die Öffentlichkeit konstituiert sich nicht mehr über 
          die Massenmedien, sondern durch Konversationspraktiken, die an mündliche 
          Erzählformen und Praktiken, wie sie die oral history untersucht hat, 
          anknüpfen.
        Die Imaginäre Bibliothek (1991)
        Inspiriert von den Bibliotheksphantasien von Borges, Eco und Foucault[22] wurde die "Imaginäre Biblihothek" zum Tummelplatz elektronischer 
          Texte, die - herausgerissen aus ihren ursprünglichen Zusammenhängen 
          jetzt 'befreit' von ihren eigenen Autoren zirkulieren können: Lieblingsstellen 
          und Szenen der 'Weltliteratur' werden dem umherschweifenden Leser als 
          Textadventure, Rollenspiel, Filmskript, Gebrauchswanweisung - kurz als 
          Material für Sprachspiele und Spielzüge präsentiert ...
          ... mit den Ziel, daß Leser und Leserin - völlig übermüdet und verirrt 
          im Labyrinth literarischer Verweise zwischen den Zeilen anfangen, selbst 
          etwas zu kombinieren, weiterzuschreiben, zusammenzusetzen.
          "Das Buch ist das radikalste Interface für den Entwurf virtueller Welten 
          ..."
        Plötzlich flackert der Bildschirm ...
        ... es wurde gesprochen, getanzt, gesungen, geliebt, verdoppelt, erzählt, 
          geknotet, gebetet, wiederholt, rezitiert, vergessen, eingeritzt, eingebrannt, 
          gemalt, gemeißelt, geschrieben, in Tabellen gelistet, in magischen Formeln 
          versteckt, gedruckt, gebunden, verlegt, als Fußnote an den Rand gedrängt, 
          indiziert, gereimt, gezählt, formalisiert, codiert, compiliert, gespeichert, 
          gescannt, als Muster wiedererkannt, übertragen, gefaxt, verschlüsselt, 
          komprimiert, optimiert, transformiert, konvertiert, genormt, gelöscht, 
          gelinkt, überschrieben, als Absprungsort markiert, zum Objekt erklärt, 
          als Programm aktiviert, das Worte schafft...
          Das Universum, das andere die Bibliothek nennen, setzt sich aus einer 
          undefinierten, womöglich unendlichen Zahl ineinander verschachtelter 
          Bildschirme zusammen..[23]
          ... und auf welche Art und Weise arbeitet das "Schreibzeug" mit an den 
          online-Gedanken?
          Wir wiederholen!
          Eine Methode besteht darin, das "lost in hyperspace"-syndrom des Gesamt-Webs 
          weiterzuschreiben, ästhetisch zu überhöhen und nicht-intentionale zufällige 
          Strukturen zum Prinzip zu erklären:
          "Die Imaginäre Bibliothek ist ein Werkzeug des Verirrens", 
          sie soll die Leser von Ihrem Wege abbringen, zu Irrungen, Wirrungen, 
          Umwegen, Sub-Versionen verführen. Extreme Linkhäufigkeit (ca. 10-30 
          Links pro Bildschirm-Seite) soll sprunghaftes Lesen erzeugen und dem 
          Leser bei der Entwicklung eigener Such- und Verknüpfungsstrategien und 
          Pfade helfen. (In der offline-Installation haben wir Engführungen zu 
          den "offenen Büchern" zu erzeugen versucht. Obwohl die Animation zum 
          Mitschreiben kein Selbstzweck ist ...)
          Das Feedback zur und in der Imaginären Bibbliothek (nur offline möglich 
          in den verschiedensten Installationen - etwa auf der Ars Electronica 
          1989 oder dem EMAF 1990) besteht hauptsächlich aus kleinen Assoziationen, 
          Ergänzungen, spontanen Einfällen zu dem von uns inszenierten Imaginationsraum 
          Bibliothek. Auch Schreibspiele (Endlosreime und rekursive Sätze) werden 
          ausprobiert und kombinatorische Text-Generierungen (eine Sonettmaschine 
          nach Queneau oder mesostische Wortgenerierungen a la Cage) durchgeführt. 
          Bei einer durchschnittlichen Verweildauer von 5 bis 15 Minuten werden 
          allerdings die von uns auch intendierten komplexeren Mitschreibemöglichkeiten 
          (Romananfänge weiterschreiben oder das Herstellen von Text-Cut-ups auf 
          der Basis eines Grundbestands von Science-Fiction Zitaten) wenig benutzt.[24]
        First Collaborative Sentence, 1995
        Der Pionier interaktiven Fernsehens und früher telematischer Projekte 
          Douglas Davis wollte schon in seinen TV- und Videoexperimenten aus den 
          starren Sender-Empfänger-Paradigmen massenmedialer Medienschaltungen 
          ausbrechen. Unvergessen ist eine Kameraeinstellung bei einer open-TV-Übertragung, 
          in der er immer wieder gegen das Objektiv der aufnehmenden Kamera trommelt 
          und den Zuschauern zuwinkt und sie auffordert, näher zu kommen.
          Dieses Durchbrechen der Zuschauenden zur ,anderen Seite` konnte freilich 
          in den Konzept-Art und Video-Kunst-Projekten nur simuliert werden -- 
          und so ist es nur konsequent, wenn gerade Douglas Davis den vielleicht 
          wirklich ,ersten` hypertextuellen Virus im Netz 1995 aussetzt, den ersten 
          wirklichen ,Welttext`[25]:
          Der First Collaborative Sentence ist ein einziger Satz, der immer 
          weiter geschrieben werden kann -- und auch wird: ohne Thema, unstrukturiert, 
          ohne Absender, ohne Empfänger, anonym, vollkommen offen. Ihn in seiner 
          jetzigen Version vorzulesen würde wahrscheinlich ein ganzer Tag nicht 
          ausreichen:
          "THE WORLD`S FIRST CLICK here if want to see a close-up of yourself 
          with your nose on the screen before plunging on ahead: CLICKCLICKCLICK 
          CLICKCLOSER CLOSERCLOSERCLICKCLICKCLICKCLICK [...]".[26]
         
          Interaktion
        
        Der schillernde Begriff der Interaktion ist kulturgeschichtlich im 
          Spannungsfeld technologischer Mensch-Maschine Interface-Entwicklungen 
          und sozialer Kulturpraktiken, die auch zwischenmenschliche Handlungs- 
          und Verhaltendmuster einschließen, entstanden. Interaktion ist nicht 
          zu reduzieren auf die vordergründige Useraktivität des Mausklickens, 
          den technologischen Akt des Auslösens unterschiedlichster Programmparameter 
          innerhalb eines kybernetischen Regelkreislaufes. Als Vorläufer ,kultureller 
          Interaktionsweisen`, die sich in den 60er Jahren herausbilden, während 
          gleichzeitg technologisch auch die Direktmanipulationen von Daten durch 
          Benutzereingaben auf Computer-Oberflächen entwickelt werden, können 
          gelten: partizipative künstlerische Environments, Closed-Circuit Video-Installationen, 
          kinetische Objekte als auch Fluxus-Aktionen, Performances und Happenings 
          sowie Straßentheater-Experimente.
          Die Einbeziehung der Rezipienten reicht dabei von schlichten reaktiven 
          Feedback-Schleifen bis hin zur unmittelbaren Einflußnahme und Beteiligung 
          in die künstlerischen Prozesse.
          Interaktion ereignet sich über das Interface, der entscheidende Kontaktflächen 
          zwischen internen Zeichencodes (von Kunstwerken, Texten, Benutzeroberflächen) 
          und den daran anschließenden externen Reaktionsweisen. Interaktionsprozesse 
          ermöglichen ein weites Feld partizipativer und dialogischer mimetischer 
          Strategien zwischen Künstler und Rezipient bzw. zwischen Programm und 
          Anwender.
        
        Interaktionen mit Texten/ Eingriffe der Rezipienten
        Um dem (von avantgardistischen Textverarbeitungen) unleserlich gemachten 
          Text zu Leibe zu rücken und die toten Druck-Buchstaben[27] wieder zum Leben zu erwecken und zu verflüssigen, wird der 
          lineare Textverlauf, der ,Fluß des Erzählens` in eine offene Möglichkeitsstruktur 
          umgeleitet: Dieser sprachliche Materialfluß (delinearisiert durch Parallelmontage, 
          Assoziationssprünge, Verweismomente) durchquert und zerstört letztlich 
          die feststehende Einheit der gedruckten Buchseite und kreiert ein neues 
          Drama des Lesens, indem der Leser zu direkten Eingriffen aufgefordert 
          wird.
          Schon oft wurde der (fiktive) Leser angesprochen, er solle es sich bequem 
          machen, sich hinlegen, die Welt vergessen, den Autor begleiten, solle 
          das Buch mit einer Pistole in der Hand lesen oder gar mit einer Hand 
          in der Hose -- aber jetzt muss er sich mit Schreib-Utensilien ausrüsten, 
          wie Franz Mon nahelegt: "der text erscheint in zwei fassungen, die durch 
          die drucktype unterschieden sind. es ist also jeweils die linke beziehungsweise 
          die rechte spalte im zusammenhang zu lesen. niemand ist es jedoch verwehrt, 
          von der linken in die rechte oder von der rechten in die linke hinüberzulesen. 
          es wird empfohlen, mit bleistift, kugelschreiber und filzstift zu lesen. 
          mit dem bleistift streicht man die stellen an, die zusammengehören, 
          auch wenn sie weit auseinander oder in verschiedenen spalten stehen. 
          mit dem kugelschreiber korrigiert man, was korrekturbedürftig erscheint, 
          ergänzt, was einem zur ergänzung einfällt, nicht nur die anführungszeichen 
          an stellen, wo man jemanden sprechen hört, sondern auch wörter, satzteile, 
          redensarten, sprichwörter, zitate (auch selbstgemachte, vom himmel gefallene, 
          denkbare, sagbare).
          der filzstift macht unleserlich, was überflüssig erscheint. bedenken 
          sie dabei, dass seine schwarzen würmer zum text gehören werden."[28]
          Solche Wiederaneignungen des Textkörpers durch Schreib- und Korrekturübungen 
          für Leser direkt am Drucktext rufen geradezu die kunstvoll abgestuften 
          Differenzierungen verschiedenster Schreib-Operationen im Kontext mittelalterlicher 
          Manuskriptkultur ins Gedächtnis, die ein breites Spektrum diskursiver 
          Rollenverteilungen aufführen, von denen wir heute nur noch träumen können: 
          "Es gibt vier Arten, ein Buch zu machen. Man kann Fremdes schreiben, 
          ohne etwas hinzuzufügen oder zu verändern, dann ist man ein Schreiber 
          (scriptor). Man kann Fremdes schreiben und etwas hinzufügen, das nicht 
          von einem selbst kommt, dann ist man ein Kompilator (compilator). Man 
          kann auch schreiben, was von anderen und von einem selbst kommt, aber 
          doch hauptsächlich das eines anderen, dem man das Eigene zur Erklärung 
          beifügt, und dann ist man ein Kommentator (commentator), aber nicht 
          ein Autor. Man kann auch Eigenes und Fremdes schreiben, aber das Eigene 
          als Hauptsache und das Fremde zur Bekräftigung beifügen, und dann muss 
          man als Autor (auctor) bezeichnet werden."[29]
        
        Interaktion mit Zettelkästen: Schreiben in nic-las
         
          
Das Wissenschaftsverständnis hat sich angesichts der postmodernen 
            Informationstechnologien von einem passiven deskriptiven Paradigma 
            (Relation zur Natur, Repräsentation von Fakten, Entdeckungen von ,Geheimnissen` 
            durch geniale Einzelwissenschaftler) zu einem konstruktivistischen 
            Ansatz hin entwickelt: Hier stehen die Prozesse und Operationen im 
            Vordergrund, durch die Erkenntnisse überhaupt erst erzeugt werden. 
            Diese Prozesse der Wissenserzeugung sind von vornherein als ein kollaboratives 
            Netzwerk angelegt; komplexe Forschungen können nur noch im teamwork[31] vollzogen werden.
            Von dieser Entwicklung haben sich die Kulturwissenschaften weitgehend 
            abgekoppelt, weshalb sie auch Schwierigkeiten haben, Anschlüsse herzustellen 
            zu den aktuellen Netzwerk-Diskursen und Praktiken.[32]
            Sie verkünden zwar schon seit mehreren Jahrzehnten theoretisch den 
            "Tod des Autors", Literaten deklamieren, daß die Poesie von allen 
            gemacht werden solle, Künstler beschwören, daß Jedermann ein Künstler 
            sei und die Textwissenschaften haben nachgewiesen, daß Homer ein bloße 
            Fiktion ist und jeder Text ein kulturelles Geflecht aus anderen Texten 
            ....
            ...aber bis auf wenige Experimente, spektakuläre Aktionen und immer 
            wieder vorkommende Coautorschaften haben all diese Lamentos zu wenig 
            diskurspraktischen Konsequenzen geführt.
        
        Von Repräsentationssystemen zur autopoetischen 
          Informationslanschaft
        Im Forschungsprojekt "Netz/Werk/Kultur/Techniken: kulturwissenschaftliche 
          Wissensproduktion in Netzwerken"[33] suchte ich zusammen mit Studierenden der Kulturwissenschaften 
          an der Universität Hildesheim nach Möglichkeiten, Hypermedia und Netzwerke 
          nicht nur zu rezipieren (=lesen), sondern kulturkritische hypermediale 
          Diskurse selbst zu initiieren, zu entwerfen, zu gestalten (=schreiben) 
          und in die kommunikativen Strukturen der Netzwerke zurückzukoppeln -- 
          d.h. Eingriffe in die Felder hypermedialer Diskurstechniken vorzunehmen. 
          Der oszillierende hybride Status von Netz-Texten im Spannungsfeld von 
          Lese- und Schreiboperationen wurde zum zentralen Kulminationspunkt unserer 
          Projektarbeit: Charakteristisch für online-Texte ist das kollaborative 
          Entwerfen und Strukturieren von Ideen, die Beschleunigung von Austausch- 
          und Verteilungsprozessen, die Öffnung von Textstrukturen: die Erstellung 
          und Überarbeitung von Texten sowie ihre Einbindung in andere Kontexte 
          vollziehen sich nicht mehr im Kopf einzelner Autoren, sondern digitale 
          Textnetzwerke konfigurieren sich von vornherein im öffentlichen Raum. 
          Jeder Teilnehmer an digitalen Diskursen ist potentiell gleichermaßen 
          Sender und Empfänger, Schreiber und Leser, Produzent und Rezipient.
        Mach eine Unterscheidung!
        In einer Verschränkung von inhaltlicher Recherche und Aufbereitung 
          aller im Forschungsprojekt angefallenen Materialien und Dokumente arbeiten 
          wir gemeinsam mit Kooperationspartnern an der Optimierung und Adaption 
          einer offenen Informationslandschaft nic-las:[34]:)
          Basierend auf der Systemtheorie von Niklas Luhmann liegen die Basisoperationen 
          in vielfältigen nicht-linearen Verknüpfungsmöglichkeiten von Textstellen 
          und Zitaten (automatische Verknüpfungen nach keywords ebenso wie ein 
          differenziertes Meta-Auszeichnungssystem etwa für Personen- und Sachregister 
          oder Zuordnungen und Zugriffsrechte für verschiedene AutorInnen) und 
          in dynamischen diskursiven und kommunikativen Operationen (wie intuitive 
          und assoziative Annotation und Kommentierung). Gerade diese Verbindung 
          von hierarchischen und rhizomatisch-chaotischen Strukturen ermöglicht 
          eine intertextuelle Praxis des Schreibens mit Synergieeffekten zwischen 
          Lesen und Schreiben wie sie in den emphatischen Debatten um den Text-Begriff 
          in den 60er Jahren und dem Poststrukturalismus theoretisch entwickelt 
          wurde. Die große Flexibilität im Interface-Design liegt vor allem darin 
          begründet, dass für die online-Schreib-, Kommunikations- und Archivprozesse 
          keine neuen Metaphern oder Datenstrukturen vorgegeben werden, sondern 
          dass jede Aktivität des Benutzers in der einfachsten möglichen Aktion 
          besteht: im Anlegen einer ,Unterscheidung`.[35] Verschiedene AutorInnen schreiben nicht nur zeitversetzt am 
          selben Dokument, tauschen nicht nur ihre Zettelkästen, Zitatdatenbanken 
          oder Referezen aus oder annotieren, kommentieren und ergänzen feststehende 
          Texteinheiten, sondern entwerfen verschiedene Perspektiven, konstruieren 
          Ein-, Aus- und Übergänge zwischen den Texten und re- und dekontextualisieren 
          ihre Eingaben dabei permanent: Der Text wird zu einer Oberfläche, 
          zu einer Schnittstelle für die Begegnung von Leser und Schreiber, 
          Anbieter und Nutzer, Sender und Empfänger.
          Ob solche Versuche wirklich längerfristig und nachhaltig neue Diskursformen 
          herausbilden helfen, vielleicht sogar die von Hypertext-Theoretikern 
          immer wieder geforderte (und von den Programmentwicklern bisher nie 
          eingelöste) Hybridisierung zwischen Form und Inhalt, zwischen Text und 
          Kontext, zwischen Produktion und Rezeption, zwischen Autorfiktionen 
          und Leserimaginationen zu bearbeiten und managen helfen - wird die Zukunft 
          gezeit haben werden.
         
          Intertextualität
        
        
          Intertextualität war in den politisierten Literaturdebatten der siebziger 
          Jahre der entscheidende 'Kampf'-Begriff zur Aufhebung bürgerlicher Autoren-Funktionen 
          zugunsten literarischer Netzwerk-Modelle. Diese Impulse führten - neben 
          einer explosionsartigen Ausbreitung intertextueller Schreibweisen - 
          auch zum Paradigmenwechsel in der Literaturtheorie. (Ein ausuferndes 
          'Lexikon' intertextueller poetischer Praktiken liefert Genette, Gérard: 
          Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe; Frankfurt am Main,1993).
          Die Intertexualität in der Druckkultur ist eine virtuelle, in literarischen 
          Texten explizit hergestellte, produzierte. Die Intertextualität im Netz 
          ist konkret, flach, pragmatisch, real(istisch), d.h. die einzelnen Dokumente/Fragmente 
          'treffen' sich tatsächlich - ein link führt 
          tatsächlich zu einer (oder mehreren) Referenzstelle(n) im selben Text 
          oder in anderen Texten.
        Jeder Text ist ein Intertext
        Es gibt keine offline-Links (auch die Literatur war in ihren produktiven 
          Momenten immer ,online`!)
          Jeder Text schreibt sich ein in ein intertextuelles Ensemble künstlerischer 
          / kultureller / formaler / kanonischer / biographischer Konstellationen. 
          Jedes Wort produziert Bedeutungen erst im Kontext der umgebenden sprachlichen 
          Einheiten - alles Geschriebene ist 'Zitat': Entwendung gelesener Schriften. 
          Neu ist allein die konkrete Zusammenschaltung sämtlicher Lese- und Schreibvorgänge 
          im Netz - auf einer einzigen Oberfläche (http://rolux.org/starship/).
          Die Intertextualität (Intertextualität war in den politisierten Literaturdebatten 
          der siebziger Jahre der entscheidende ,Kampf`-Begriff zur Aufhebung 
          bürgerlicher Autoren-Funktionen zugunsten literarischer Netzwerk-Modelle. 
          Diese Impulse führten - neben einer explosionsartigen Ausbreitung intertextueller 
          Schreibweisen - auch zum Paradigmenwechsel in der Literaturtheorie. 
          Ein ausuferndes ,Lexikon` intertextueller poetischer Praktiken liefert 
          Gérard Genette (1993).) der Druckkultur ist eine virtuelle, in literarischen 
          Texten explizit hergestellte, produzierte. Die Intertextualität im Netz 
          ist konkret, flach, pragmatisch, real(istisch).
          D.h. die Dokumente/Fragmente ,treffen` sich tatsächlich - ein link 
          führt tatsächlich zu einer (oder mehreren) Referenzstelle(n) im 
          selben Text oder in anderen Texten.
          Die Poetik eines link liegt keineswegs in der bloßen Anspielung, 
          in einer metaphorischen oder impliziten Bezugnahme, sondern vollzieht 
          sich in einem wirklichen Sprung, einer tatsächlichen Koppelung: eine 
          Poetik des Transports. (Was nichts über die ,Qualität` oder Literarizität 
          aussagt - ausgedruckt sind Netzwerktexte zumeist langweilig und ,nicht 
          lesbar`.)
          Versammelten, speicherten und bewahrten die Texte der Druckkultur noch 
          Informationen und poetische Energie in einem geschlossenen Korpus, so 
          sind die Dokumente der Netzwerk-Kultur eher exzentrisch, verweisen auf 
          andere Texte, Archive, Medien, Server ...
        Links-Fußnoten
        Die oft vorgenommene Analogisierung zwischen der klassichen Fußnote 
          und dem link in elektronischen Texten ist nur bedingt tauglich. 
          Der narrativen Funktion von links kommt man auf die Spur, wenn 
          man extreme Gebrauchsweisen von Fußnoten in literarischen oder theoretischen 
          Texten verfolgt: Fußnoten weisen über die (auch physische) Abgeschlossenheit 
          nicht digitaler Texte hinaus. Sie ermöglichen ein Schreiben über den 
          Rand des jeweiligen Diskurses. Als Absprungstellen für den Leser fordern 
          sie Interpretation, Kritik, eigene Suchbewegungen heraus und bewirken 
          einen Perspektivewechsel, der das diskursive und auktoriale Zentrum 
          des Textes aufsprengt und für Anschlußmöglichkeiten an andere Texte 
          und Diskurse sorgt.
          Die Poetik eines link liegt keineswegs in der bloßen Anspielung, 
          in einer metaphorischen oder impliziten Bezugnahme, sondern vollzieht 
          sich in einem wirklichen Sprung, einer tatsächlichen Koppelung - eine 
          Poetik des Transports. (Was nichts über die 'Qualität' oder Literarizität 
          aussagt - ausgedruckt sind Netzwerktexte zumeist langweilig und 'nicht 
          lesbar'.)
          Versammelten, speicherten und bewahrten die Texte der Druckkultur noch 
          Informationen und poetische Energie in einem geschlossenem Korpus, so 
          sind die Dokumente des Netzwerk-Kultur eher exzentrisch, verweisen auf 
          andere Texte, Archive, Medien, Server ...
        link (medial)
        Der Link auf dem Wort eines Textfeldes z.B. vereint in sich die Funktionen 
          von Überblendung und Montage, von Metapher und Metonymie und kann somit 
          als ein poetisches Instrument von hoher Wertigkeit eingesetzt werden, 
          indem es Operationen gestattet, die sich einerseits an der Poetik sprachlicher 
          Konstruktionen orientieren, als auch darüber hinaus solche, die auf 
          Kompositionstechniken der Zeitmedien Film, Musik und Drama verweisen.
          HyperMediale Dokumente ermöglichen damit Modelle der Einbildung, die 
          poetische Verknüpfungen sowohl aus den Schrift- als auch aus den Bildmedien 
          auf die medialen Oberflächen übertragen:
          "Technische Bilder sind eingebildete Flächen. Sie sind überhaupt erst 
          Bilder, wenn man sie oberflächlich anschaut. Wenn ich technische Bilder 
          einbilde, bilde ich aus dem Inneren des Apparates her. Alle technischen 
          Bilder sind Einbildungen, nicht reproduktive, sondern produktive Bilder. 
          Alle Zeiger, Zeichen, Verkehrssignale (HyperTexte) zeigen und deuten 
          von nun an exzentrisch von uns selbst weg. Wir sind es von nun an, die 
          auf die Welt Bedeutungen projezieren. Und die technischen Bilder sind 
          derartige Projektionen." (Villem Flusser)
        Netz-Kritik
        "Netzkritik ist ambivalent (descriptiv, immanent, unordentlich, symptomatisch, 
          parodistisch), sie steht mit einem Bein im staubigen Gutenberg-Archiv 
          der schmutzigen Materialität, mit dem anderen aber im körperlosen Digitalia. 
          Sie bringt das Unbehagen in der Information an die Oberfläche und versucht 
          das Unvereinbare produktiv zu machen, wie zum Beispiel die Schreib- 
          und Übertragungsgeschwindigkeit mit der der Reflexion.
          Es geht nach (dem frühen) Virilio darum, wieder einen Moment der Enscheidung 
          herbeizuführen. Ziel dabei sind illegitime Anschlüsse, hybride Konstruktionen, 
          eine "Ästhetik der Verlangsamung" und eine ganz eigene Mischung aus 
          lokalen und globalen Elementen.
          Es gibt kein wie auch immer genanntes Apriori mehr, auch keine Überlegenheit 
          von Hardware über Software (trotz Kittler). Jede Verschaltung kann durch 
          andere ersetzt werden, jeder Strom und jedes Kraftfeld ist als umpolbar 
          zu denken. [...] Trotzdem braucht es eine neue materialistische Netzanalyse, 
          die sich um Copyright und Kabelrechte sorgt."
          (Pit Schulz und Geert Lovink: Grundrisse einer Netzkritik:
          Archiv nettime-mailinglist
          http://www.desk.nl/~nettime/)
        Odysseen im Netzraum, 2000
        Das Interface ist oft entscheidend für kollaborative Schreibprojekte 
          im Netz. Nach der "Imaginären Bibliothek" suchten wird nach extremeren 
          Benutzermetaphern, die niocht nur das Internet als eine mögliche offene 
          Bibliothek inszenieren, sondern auch Brüche und Kritikmöglichkeiten 
          eröffnen.
          In diesem Zusammenhang sind die Erfahrungen mit dem HYPERKNAST 
          (http://www.hyperdis.de/hyperknast/) interessant:
          Als Replik auf die ersten Zensurmaßnahmen in Internet wurde eine krasse 
          ironische Benutzermetapher gewählt, die als Weiterführung des amerikanischen 
          Vorbild des "Hypertext-Hotels" oder eben der doch sehr literarischen 
          Bibliotheksmetapher eher mit netzpolitischen und netzkulturellen Strömungen 
          interagieren konnte und zudem Bezug nimmt auf das Foucaultsche Überwachungsmodell 
          des PANOPTIKONS: des Architekturmodells für Gefängnisse, Fabriken, Gesamtschulen 
          ...
          Auch thematisch ereignet sich hier einiges: Selbstbeschreibungen der 
          monadenhaften Situation vor dem Internet-Monitor, gepaart mit der Sehnsucht 
          nach weltkulturellen universellen Kommunikations- und Vernetzungsutopien, 
          Szenen aus Science-Fiction Erzählungen ... aber auch Materialien und 
          Beschreibungen konkreter Knast-Situationen, Texte zur Isolationshaft 
          ...
         
          Odysseen im Netzraum
        
        Unmittelbar daran anschießend, auf derselben Software aufgesetzt, läuft 
          seit Sommer 2000 der kollaborative Science-Fiction "Odysseen im Netzraum":
          Hier haben wir - neben umfangreichen Vorrecherchen und einer dezidierten 
          Auswahl von Textmaterialien für mögliche Cut & Paste-Operationen 
          - das Hauptaugenmerk auf das Herstellen von Schnittstellen gelegt:
          - Schnittstellen zu anderen Schreib-Oberflächen und online-Text-Generatoren 
          (etwa dem Assoziationsblaster, Florian Cramers Text-Maschinen, Cut-Up-Generatoren 
          oder auch Übersetzungsmaschinen)
          - Schnittstellen zu thematischen Materialien (eingescannte Text-Materialien, 
          Suchmaschinen)
          - Schnittstellen zu sozialen Kontexten, in denen ds Projekt vorgestellt 
          wurde, teilweise auch workshops und Schreibwerkstätten durchgeführt 
          wurden (log.in, Buchmaschinen, interfiction)
          - Schnittstellen zu online communities durch das Versenden von newslettern 
          mit den neusten Forsetzungen und der veröfentlichung von offenen Stellen 
          zum Weiterschreiben (Sience-Fiktion Mailing-listen, rohpost und Mailing-List 
          Netzliteratur, sowie an die Mitschreibenden insofern sie ihre email 
          angegeben haben).
          (vgl. http://www.hyperdis.de/txt/schnittstellen.html)
          Auf der Schnittstellen-Seite (http://www.hyperdis.de/hyperfiction/gvoon/) 
          sind all diese Links und die Verweise auf die entsprechenden Arbeitsseiten 
          versammet, wobei im linken Fenster jeweils die CUT-Materialien erscheinen 
          - während auf der rechten Seite die PASTE-Möglichkeiten erscheinen, 
          eben die offenen Stelle in der Vernetzten Struktur, an denen weitergeschrieben 
          werden kann. Eine HILFE-Seite mit der Erklärung der Einzelnen Funktionen 
          des GVOON-HYPERTEXT-TREES findet sich unter: http://www.hyperdis.de/hyperfiction/gvoon/howto.html 
          (Anzeige der Gesamtstruktur, der neusten Fortführungen, einer Index-Seite 
          sortiert nach AutorInnen und der Möglichkeit eines DOWNLOADS des gesamten 
          Bestandes als komprimiertes HTML-Geflecht.)
          Das recht schlichte GVOON-Interface wurde somit durch den Einsatz einfacher 
          Frame-Strukturen um die oben genannten Schnittstellen erweitert und 
          somit den jeweiligen Anforderungen angepaßt. Trotz der Wichtigkeit von 
          online-Aktivitäten und den Verbreitungsmöglichkeiten des Netzes hat 
          sich gezeit, daß die lokalen Aktivitäten gerade für die Herausbildung 
          etwas tiefer gehender narrativer Strukturen eine sehr wichtige Rolle 
          spielen. Auch aktuelle Ereignisse und Diskussionen fließen immer wieder 
          in die ODYSSEEN ein (etwa die EXPO-Kritik/Parodie oder auch Feulleton-Kriege 
          - mit Sloterdijk & Co.).
        
        offene Kunstwerke/Texte
        beschreiben verschiedene 'Kunstwerke in Bewegung', die über das Ansprechen 
          von Möglichkeitsfeldern einen aktiven Interpretations- und Rezeptionsprozeß 
          herausfordern (Partituren serieller Musik, informelle Malerei, Visuelle 
          Poesie, Live-Fernsehsendungen, Querschnittstechniken bei Joyce): "Jedes 
          Ereignis, jedes Wort steht in einer möglichen Beziehung zu allen anderen, 
          und es hängt von der semantischen Entscheidung bei einem Wort ab, wie 
          alle übrigen zu verstehen sind." (Eco, Umberto: Das offene Kunstwerk, 
          Frankfurt/Main 1990, Originaltitel: Opera aperta, Milano 1962, S. 
          39)
          Die Kunstwerke werden als Mechanismen aufgefaßt, derer man sich bedienen 
          kann.
        Publishing on demand
        Der klassische Markt für wissenschaftliche Publikationen bricht zusammen 
          und die Zirkulation von aktuellen wissenschaftlichen Materialien (seien 
          es Tagungsbände oder Zeitschriftenaufsätze) verlagert sich mehr und 
          mehr in das Docuversum elektronisch vernetzter Texte Mit großem Engagement 
          von Autoren, die sich als `operationelle' Teilnehmer einer Diskursgemeinschaft 
          begreifen, werden Archive aufgebaut, kostenlose online-Zeitschriften 
          angeboten, ganze Curricula nebst den dazugehörigen Materialien
          im Netz frei verfügbar gemacht, Diskussionsforen installiert, Verweis- 
          und Annotationsroutinen und viele andere nützliche Tools programmiert 
          und der Community zur Verfügung gestellt.
          Wie die Buchproduktion und Distribution unter den Einflüssen der Netzwerkkultur 
          revolutioniert und für Nischenproduktionen und Kleinstauflagen sozusagen 
          fast auf den einzelnen Leser hin zugeschnitten werden kann, zeigen die 
          Beispiele von `publishing on demand': durch neue Kooperationsformen 
          zwischen Autoren, Verlegern und Buchhändlern kann jenseits des Mainstreams 
          von Massenproduktionen ein digitales Buch in wenigen Minuten in ein 
          tragbares Taschenbuch konvertiert werden.
        
        Rhizom
        Als Metapher der postliterarischen Kultur wird das Rhizom in der Netzkultur 
          der neunziger Jahre verwendet, um Verknüpfungen von nichthierarchischen 
          Netzwerken zu beschreiben. Das wesentliche Merkmal eines Rhizoms ist, 
          daß an jeder beliebigen Stelle einer Sturktur neue Verzweigungen entstehen 
          können. Abgeleitet aus einem biologischen Fachbegriff (unterirdische 
          Wurzelknollen) anvanzierte der Begriff in der Theoriedebatte der 80er 
          Jahre zum emphatischen Gegenmodell zu hierarchischen Machtstrukturen 
          überhaupt und verbreitete sich, ausgehend von Deleuze/Guattaris "Anti-Ödipus", 
          in den unterschiedlichsten Diskursen. Es ist insofern ein dynamischer, 
          fließender, auch unscharfer Begriff. Ein Rizom kann genauso eine soziale 
          Formation sein (Massen, Meuten, herumstreunende Jugendbanden, Guerilleros), 
          wie es auch semiologische, kulturelle, technologische Netzwerke beschreiben 
          kann.
          Die topologische Metapher vom Rhizom eignet sich ideal als 
          Denkmodell für hypermediale Diskursverknüpfungen. Die Charakteristika 
          einer rhizomatischen Struktur sind die folgenden:
          "a) Jeder Punkt des Rhizoms kann und muß mit jedem anderen Punkt verbunden 
          werden.
          b) Es gibt keine Punkte oder Positionen in einem Rhizom; es gibt nur 
          Linien.
          c) Ein Rhizom kann an jedem Punkt abgebrochen oder neu verbunden werden, 
          indem man einer der Linien folgt.
          d) Das Rhizom ist anti-genealogisch. [...]
          f) Ein Rhizom ist kein Abdruck, sondern eine offene Karte: es 
          kann abgebaut, umgedreht und beständig verändert werden. [...]
          h) Niemand kann eine globale Beschreibung eines ganzen Rhizoms liefern; 
          nicht nur weil das Rhizom multidimensional kompliziert ist, sondern 
          auch, weil seine Struktur sich in der Zeit ändert; darüber hinaus gibt 
          es [...] auch die Möglichkeit widersprüchlicher Schlüsse [...] 
          j) An keinem seiner Knoten kann man die globale Ansicht aller Möglichkeiten 
          haben, sondern nur die lokale Ansicht der am nächsten gelegenen [...] 
          und denken heißt, nach dem Weg zu tasten. Das ist der Typ von 
          Labyrinth, an dem wir interessiert sind. Er stellt ein Modell 
          für eine Enzyklopädie als regulative semiotische Hypothese dar. (Eco, 
          Umberto: Im Labyrinth der Vernunft. Texte über Kunst und Zeichen, Leipzig 
          1990, 106, 107)
          (vgl. http://www.rhizome.org und Richard Barbrook: Die heiligen 
          Narren. Deleuze, Guattari und die High-Tech Geschenkökonomie, http://www.heise.de/tp/deutsch/special/med/6344/1.html)
          und Stefan Wray: Rhizomes, Nomads, and Resistant Internet Use:
          http://www.nyu.edu/projects/wray/index.html
         
          Schreiben mit der Hand
        
        Während die Typographie im Übergang von der Manuskript- zur Druckkultur 
          zunächst die skripturalen Gesten der Handschrift zu simulieren versuchte
          (In einer Schrift zum `Lob der Schreiber' versucht ein benediktinischer 
          Abt seine Ordensbrüder von der Notwendigkeit des manuellen Abschreibens 
          der heiligen Bücher angesichts der heraufkommenden Reproduktionsmöglichkeiten 
          der Drucktechnologie zu überzeugen: "Wer wüßte nicht, welcher Unterschied 
          zwischen Handschrift und Druck besteht? Die Schrift, wenn sie auf Pergament 
          geschrieben wird, vermag tausend Jahre zu überdauernd; wie lang wird 
          aber der Druck, der ja vom Papier abhängt, Bestand haben; [...] gleichwohl 
          glauben viele, ihre Texte dem Druck anvertrauen zu müssen. Hierüber 
          wird die Nachwelt befinden. [...] Selbst wenn alle Werke der ganzen 
          Welt gedruckt würden, bräuchte ein hingebungsvoller Schreiber von seinem 
          Eifer keineswegs abzulassen; er müßte vielmehr auch den gedruckten und 
          nützlichen Büchern Dauer verleihen, indem er sie abschreibt, da sie 
          ansonsten nicht lange Bestand hätten. Erst seine Leistung erwirbt den 
          dürftigen Werken Autorität, den wertlosen Größe und den vergänglichen 
          Langlebigkeit" (Trithemius 1492, S.63 ff.).
          lassen sich im Verlaufe der Herausbildung spezifischer Diskurstechniken 
          der Druckkultur zentrale diskursive Elemente und Funktionen auf der 
          Oberfläche der Schriftsysteme nieder: alphabetische Verweissysteme, 
          Indexe oder auch die Fußnoten als ein zentrales Diskurselement der sich 
          entwicklenden ,kritischen` hermeneutischen Techniken.
          Im Übergang zu elektronischen Diskurstechniken werden die zunächst für 
          die Rezeption wichtigen typographischen Zeichen schließlich zu Interaktions-Elementen, 
          die eine Schnittstelle von der Schriftoberfläche zu den - jetzt auch 
          für die Leser sich öffnenden - Programmfunktionen elektronischer Texte 
          darstellen: Buttons, Bedienelemente, Eingabefenster, Links ...
        Schreib/Leser
        Schreiben und Lesen im Netz ereignet sich gleichzeitig auf einer Oberfläche, 
          es gibt keine Hierarchisierung zwischen Primärtexten und Sekundärtexten. 
          Darüberhinaus verschwinden die Unterschiede zwischen Produktion und 
          Rezeption - der Leser wird (ähnlich der Praxis und Theorie des Noveau 
          Romans (lecture/ecriture) oder der Reader-Response Theorien) zu einem 
          Schreib/Leser: Der Weg durch Informationsmengen schreibt sich als Zusammenhang 
          auch in das Wissenssystem ein und wird selbst zu einem Informationsparameter. 
          Als universelles und offenes Informationsmedium steht dem Benutzer ein 
          Netzwerk von selbst gestaltbaren Ideen- und Daten-Assoziationen zur 
          Verfügung. Durch Kontextwechsel, durch Hin- und Herschalten zwischen 
          verschiedenen Texten und Text-Ebenen, durch das Verfolgen von Querverbindungen 
          wird der Raum zwischen verschiedenen Text-Fragmenten thematisiert ... 
          Lesen im Netz produziert Intertexte.
          Collage: Elemente unterschiedlichster Quellen werden entlang bestimmter 
          Muster und Figuren organisiert
          Eher rhythmisch-athmosphärische Komposition, auch Klang, Oberflächenstruktur, 
          Farbe, Muster etc. berücksichtigend
        Sympoesie und Konversationskultur (16. Und 17. 
          Jhts /1926)
        
          Nicht in allen historischen Situationen[36] war die Trennung zwischen Autor und Leser so stark herausgebildet 
          wie in der spätbürgerlichen Kultur der Moderne. Es hat in der Kulturgeschichte 
          immer wieder produktive Momente gegeben, die von Durchdringungs- und 
          Aufbruchsbewegungen gekennzeichnet waren, in denen kulturelle Austauschprozesse 
          zwischen den verschiedenen Segmenten kultureller Produktion und Rezeption 
          aufbrachen:
          So war etwa in den aristrokratischen Salons des 16. Und 17. Jahrhunderts 
          die gesellschaftliche Arbeitsteilung zwischen Produzenten und Publikum 
          noch fließend. Literarische Spiele wurden in dieser noch durch und durch 
          mündlichen Konversations-Kultur als Gesprächsspiele unternommen nach 
          dem Prinzip des Reihumerzählens oder Reiumflüsterns.
          Romantische Schreibspiele verliessen dann später das Ghetto des elitären 
          Salonmilieus und machten solche Spielformen öffentlich, z.b. der Kollektivroman 
          der Varnhagen-Kreises "Versuche und Hindernisse Karls".[37]
          "Vielleicht würde eine ganz neue Epoche der Wissenschaften und Künste 
          beginnen, wenn die Symphilosophie und Sympoesie so allgemein und innig 
          würde, daß es nichts Seltnes mehr wäre, wenn mehrere sich gegenseitig 
          ergänzende Naturen gemeinschaftliche Werke bildeten."[38]
          Die Surrealisten nehmen solche Programmatik wieder auf und entwickeln 
          literarische Techniken aus der Salonkultur zur Entindividualisierung 
          und Automatisierung weiter. Zahllose "Gebrauchsanweisungen" für geselliges 
          oder automatisches Schreiben sind erhalten:
          "Nehm einige Bogen Papier und schreibt drei Tage hintereinander, ohne 
          Falsch und Heuchelei, alles nieder, was euch durch den Kopf geht. Schreibt, 
          was ihr denkt von euch selbst, von euren Weibern, von dem Türkenkrieg, 
          von Goethe, von Fonks Kriminalprozeß, vom jüngsten Gericht, von euren 
          Vorgesetzten, was ihr für unerhörte Gedanken gehabt, ganz außer euch 
          zu sein."[39]
        Symphilosphie/Sympoesie: das romantische Kunstwerk 
          als gemeinschafticher Prozeß
        
          Die romantischen Netzwerke generierten zum Ende des 18. Jahrhunderts 
          ein intensives Feld wechselseitiger Anregungen und geistiger Durchdringungen. 
          In einer ausgeprägten Salonkultur blühte die Kunst der Konversation 
          in vielfältigen Gestalten auf und führte zu hybriden ästhetischen Produktionsformen 
          wie Korrespondenzen und Briefromanen mit teilweise verteilten Autorschaften. 
          So finden sich etwa in der 1798 herausgegeben Zeitschrift "Athenaeum" 
          451 Fragmente, die in Kollaboration zwischen dem Herausgeber Friedrich 
          Schlegel und Friedrich von Hardenberg (Novalis) sowie Friedrich Schleiermacher 
          entstanden sind und ohne Markierung des Autornamens abgedruckt wurden. 
          Hinter dieser Praxis stand die Idee des Symphilosophierens:
          "Vielleicht würde eine ganz neue Epoche der Wissenschaften und Künste 
          beginnen, wenn die Symphilosophie und Sympoesie so allgemein und so 
          innig würde, daß es nichts seltnes mehr wäre, wenn mehrere sich gegenseitig 
          ergänzende Naturen gemeinschaftliche Werke bildeten." (Friedrich Schlegel 
          in einem Brief an seinen Bruder August Wilhelm, zit. nach: Friedrich 
          Daniel Ernst Schleiermacher. Schriften auf der Berliner Zeit 1798-1799, 
          Kritische Gesamtausgabe Bd. 2, Berlin 1984, Historische Einführung des 
          Herausgebers Hans-Joachim Birkner, S. XXXII)
          Diese gemeinschaftliche Praxis wird sicherlich auch von romantischen 
          Verschmelzungswünschen angetrieben. Im selben Brief schwärmt Schlegel 
          von einer "Kunst, Individuen zu verschmelzen" und entwirft ein Programm 
          teilnehmender Kritik, die eben solche "fantastischen Kombinationen" 
          verschiedener Autoren vornehmen kann (durchgespielt am Beispiel von 
          Jean Paul und Peter Leberecht). Ganz praktisch leben die Romantiker 
          aber auch schon frühe Formen von Wohngemeinschaft[40], Frauenenmanzipation, und freier Liebe, was sie in dieser 
          Hinsicht zu Vorläufern der Studentenbewegung macht.[41]
          Die Intention des Symphilosophierens war radikaldemokratisch, die außerakademischen 
          gemeinschaftlichen literarischen Produktionsformen fanden ihren Ausdruck 
          in einem kompromißlos freien Ideenaustausch bis hin zu deren Verwertung.[42]
          
          Zentrum der frühromantischen Lebens- und Produktionspraxis wurde ein 
          auf Autonomie des Einzelnen zielender emanzipatorischer Begriff von 
          Gesellschaft und Geselligkeit, der die Segmentierung und Partialisierung 
          der arbeitsteiligen bürgerlichen Lebenszusammenhänge und eine nach Herkunft 
          selektierende geschlossene Gesellschaftsform zu überwinden trachtete:
          Schleiermacher entwickelte in seiner anonym veröffentlichten Abhandlung 
          "Versuch einer Theorie geselligen Betragens" das Konzept einer freien 
          produktiven Geselligkeit, in der der Einzelne in einem idealen Netzwerk 
          von Querbeziehungen mit den Anderen in permanentem Austausch steht und 
          durch Schnittstellen zu den fremden Spären seinen Horizont und vor allem 
          seine Perspektive erweitert:
          "Alles soll Wechselwirkung seyn [...] Alle sollten zu einem freien Gedankenspiel 
          angeregt werden."
          ( Friedrich Schleiermacher, ebd. S. 170)
          
          Da die Beschränkungen der "häuslichen und bürgerlichen Verhältnisse", 
          die "unzusammnehängende Empirie" von Kunst und Wissenschaft und insbesonders 
          die überstiegenen Selbstbilder der Künstler solche Praktiken aber behindern, 
          ist es die Rolle des Kritikers und Theoretiker, fast möchte man sagen 
          auch des Lesers, die in den vorliegenden Kunstwerken schlummernden Kräfte 
          zu wecken und wieder in soziale Praxis und gesellige Formen zu übertragen:
          "Der Theoretiker ist es, der bei der ganzen Untersuchung auf dem höchsten 
          Standpunkt steht; er allein sucht den Schlüssel des Räthsels und die 
          letzten Gründe der Handlungen; er allein will das gesellige Leben als 
          ein Kunstwerk construieren, das Virtuosen es oft nur als eine schöne 
          Fantasie betrachten."
          ( Friedrich Schleiermacher, ebd. S. 167)
          Die Frühromantik entwirft hier also schon einen produktiven Kritik- 
          und Rezeptionsprozeß, in dem die Werke und Texte vollendet werden: den 
          "abgerissenen Theilen" und fragmentarischen Werken wird ihre "Stelle 
          im System" zugewiesen und "durch eigene Ergänzungen" daraus ein Ganzes 
          (re)konsruiert. Die Formen romatischer Geselligkeit mit ihren fein verästelten 
          Bezugnahmen, Querbezügen und wechelseitigen Kommunikationsprozessen 
          können beispielgebend für den Entwurf neuer Partizipationsformen sein. 
          Frontale und unidirektionale ästhetische Kommunikationsformen wie Schauspiel 
          oder Vorlesung - ohne gleichberechtigten Rückkanal - werden als "gebundene 
          Geselligkeit" kritisiert. Als Utopie gilt ein freies nicht-hierarchische 
          Netzwerkmodell:
          "Denn das ist der wahre Charakter einer Geselschaft [...], daß sie eine 
          durch alle Theilhaber sich hindurchschlingende, aber auch durch sie 
          völlig bestimmente und vollendete Wechselwirkung seyn soll. [...] Es 
          sol keine bestimmte Handlung gemeinschaftlich verrichtet, kein Werk 
          vereinigt zu Stande gebracht, keine Einsicht methodisch erworben werden. 
          Der Zweck der Gesellschaft wird gar nicht als außer ihr liegend gedacht; 
          die Wirkung eines Jeden soll gehen auf die Thätigkeit der übrigen, und 
          die Thätigkeit eines Jeden soll seyn eine Einwirkung auf die andern. 
          Nun aber kann auf ein freies Wesen nicht anders eingewirkt werden, als 
          dadurch, daß es zur eigenen Thätigkeit aufgeregt, und ihr ein Objekt 
          dargeboten wird [...]; es kann also auf nichts anders abgesehen seyn, 
          als auf ein freies Spiel der Gedanken und Empfindungen, wodurch alle 
          Mitgleider einander gegenseitig aufregen und beleben."
          ( Friedrich Schleiermacher, ebd. S. 167)
          Eine solche nicht-funktionale Thoerie des geselligen Kunstwerks und 
          der Geselligkeit als ein Kunstwerk gleichermaßen kann durchaus als ein 
          Prolegomenum zur Netzkunst, als ein früher Aufruf zu einem kollaborativen 
          Netzprojekt verstanden werden!
          Die `freie Geselligkeit der Netzwerke' sei also - frei nach Schleiermacher 
          - keine Sphäre rein geschäftlicher oder rein künstlerischer Prozesse, 
          sondern ein Freiraum für Erweiterung und Ergänzung einzelner individueller 
          Perspektiven durch wechselseitigen Austausch von Gedanken!
        Transcopyright
        Hiermit sind Nelsons schon von Anfang an mitgedachten Ideen zum konsistenten 
          `Zitieren' anderer Texte im Netzwerk gemeint (http://www.xanadu.com.au/xanadu/transcopy.html): 
          anstatt Texte, Bilder etc. zu kopieren, wird innerhalb eines Dokuments 
          das zitierte `Original' direkt aufgerufen. Die technischen Möglichkeiten 
          und Parameter (Java, Plug-In, CGI ...) werden aufgeführt in: http://xanadu.com.au/xanadu/transclude.html)
          Über webbasierte Mikropayment-Systeme kann eine Nutzungsgebühr direkt 
          an den Publisher abgeführt werden. (Transpayment-Protokolle: z.B. Digi-Cash: 
          http://www.digicash.com/)
        verzweigen
        In Erzählweisen moderner Literatur ein oft vollzogener 'Trick', um 
          den linearen Handlungsablauf zu unterbrechen, die Illusion eines geradlinigen 
          Geschichtsverlaufs zu unterlaufen und multiple, simultane und chaotische 
          Strukturen, teilweise mit fiktiven Wahlmöglichkeiten für Leser, 
          zu produzieren: Gabelungen, Abschweifungen und Umleitungen 
          der Erzähl-, und Erinnerungsprozesse.
        
        Zettelkästen
        Die Organisation von Zettelkästen stellt ein komplettes (mechanisches) 
          Hypertext-Diskurs-System dar, in dem einzelne Karten Ideen, Zitate, 
          Fragmente enthalten, die durch Querverweise untereinander vernetzt sind. 
          Die dynamischen Möglichkeiten der Verknüpfung, Verschachtelung und Verzweigung 
          (und Überraschung!) ergeben sich gerade aus seiner unsystematischen 
          Organisationsweise, die auf einer schlichten Codierung mit 
          fester Stellordnung der einzelnen Zettel beruht:
          An den Zettelkasten sind - genauso wie an Hypertext-Systeme - herkömmliche 
          Diskurstechniken wie Register, bibliographischer Apparat etc. 
          anschließbar, so daß ein Gesamtenvironment entsteht - ein Speicher-, 
          Schreib- und Kommunikationssystem mit internem und externem Verweisungsnetz, 
          das strukturell eher wie das Gedächtnis - mit seinen neuronalen Netzwerken 
          - funktioniert und mit mehr - von seinem Autor unabhängigem - 'Eigenleben' 
          ausgestattet ist wie ein Buch.
        Zitate
        Die literarische und wissenschaftliche Prosa der Antike verzichtet 
          auf genaue Quellenangaben aus Gründen ihrer eigentümlichen Produktionsweise: 
          die Universalgelehrten zitieren - gespeist noch aus vorschriftlichen 
          Diskurstechniken - aus dem Gedächtnis und nicht auf der Basis vorliegender 
          Texte. Ähnlich der mündlichen Überlieferung hat diese Methode den Vorteil 
          einer unmittelbaren Aktualisierung. Die zitierten Textstellen werden 
          keinesfalls ,wörtlich` weitergereicht, sondern erfahren unmittelbare 
          leichte oder stärkere Veränderungen entsprechend dem neuen Kontext. 
          Sich in der Folge als Diskurstechnik herausschälende sehr genaue und 
          detaillierte Verweistechniken auf die zitierten (antiken) Textstellen 
          sind Ursprünge hermeneutischer Rekonstruktionen eben der oft in weitreichenden 
          ,Auszügen` zitierten verlorengegangenen Werke. Im Mittelalter wird dann 
          die ,hohe Schule exakten Zitierens` mit kurzen eindeutigen Kodierungen 
          zur Quellenidentifizierung zum gefragten Stilmittel:
          "Die Ränder von Manuskripten und frühen gedruckten theologischen, juristischen 
          und medizinischen Texten wimmeln von Glossen, die, wie die Anmerkung 
          des Historikers, den Leser instandsetzen, sich vom polierten Argument 
          zu denjenigen Texten zurückzuarbeiten, aus denen es entwickelt wurde 
          und worauf es beruht. Petrus Lombardus [...] führte in Randglossen ganz 
          systematisch seine Quellen auf und schuf damit , [...] ,den Vorläufer 
          des wissenschaftlichen Anmerkungsapparats` [...]. Petrus Lombardus ist 
          gewiß eine typisch moderne Eigentümlichkeit zugute zu halten: Er beschwor 
          die erste Kontroverse über einen falschen Verweis in einer Anmerkung 
          herauf" (Grafton, Anthony 1995: Die tragischen Ursprünge der deutschen 
          Fußnote, Berlin, S. 41-42).
         
        
        
        [1] Neumeister 1990, S. 62
          [2] Komplexe Texte und Textsammlungen sind in der Regel gespickt 
          mit einer ganz besonderen `Textauszeichnungsart', die zumindest einige 
          dialogische Elemente aus des Diskurszusammenhängen der oralen Kultur 
          in die Schriftkultur gerettet hat: dem Kommentar. In den sogenannten 
          Büchern der Bücher, wie dem Koran oder der Bibel, finden sich verschiedenste 
          Schichten von Kommentaren und Auslegungen, die sich schon im Verlaufe 
          handschriftlicher Reproduktionen von Schreibern, Kopisten und Lesern 
          um den feststehenden Haupttext in breiten Bändern herumlegen und so 
          Spalte um Spalte hinzufügen. Literarische wie wissenschaftliche Texte 
          antizipierten oft diese Form der Textverarbeitung, indem sie durch umfangreiche 
          `gelehrte' Kommentare zum poetischen oder sachlichen `Haupttext' weitreichende 
          Erklärungen, historische oder biographische Anspielungen für die zukünftigen 
          Leser mit einflechten (etwa bei Dante, Petrarca, Keppler).
          [3] Kurze Sachartikel in großen Lettern stehen einer enormen Masse 
          an Anmerkungs-Materialien gegenüber, die von Buchstaben, Ziffern, Zeichen, 
          Abkürzungen und Randbemerkungen durchsetzt sind. Im Artikel über Epikur, 
          der nach Diogenes Laertius über 300 Bücher ohne fremdes Gedankengut 
          geschrieben haben soll, stehen beispielsweise 93% eng gedruckte doppelspaltige 
          Anmerkungen den nur 7% des Buchumfangs füllenden Artikeln gegenüber.
        [4] "... denn jede frei umherschweifenden Reden, bei denen sich sich 
          die Zusammenhänge wie in einer Konversation rein zufällig ergeben, sind 
          für irgendein galantes Werkchen gut, das eher zu gefallen als zu nützen 
          bestimmt ist, doch sind sie nicht gut zur Aufklärung der Sachverhalte, 
          bei denen oft schon die gute Anordnung den Kommentar ersetzt und Wort 
          sparen hilft." (Leibniz, Gottfried Wilhelm 1885: Die philosophischen 
          Schriften. Hrsg. von Carl Immanuel Gerhard. Bd. 6, Berlin Reprint Hildesheim 
          1961, S. 16-20)
        [5] Neumeister führt auch ein Fülle von Anekdoten und prominente 
          Leseszenen (z.B. bei Goethe) an.
          [6] So die Begrüßungsseite des Blasters: http://www.assoziations-blaster.de/
        [7] Am 14.09. 2000 waren 61968 Texte zu 5026 Stichwörtern eingegeben 
          worden, innerhalb eines Tages kommen bis zu 300 Texte und 25 neue Stichwörter 
          dazu. Details zur Statistik (Suchmaschinenauswertungen, wenig und häufig 
          gesuchte Stichworte) sind abrufbar unter: http://www.assoziations-blaster.de/statistik/.
        [8] Mit diesem Begriff kritisierte Hartmut Winkler eine ausschweifende, 
          in die Breite gehende Tendenz zur Beliebigkeit in Texten aus kollaborativen 
          Schreibprojekten auf dem Workshop: Odysseen des Wissens, Weimar, 2.-3.3 
          2000. Vgl. Winkler, Hartmut: "Kollaborative Schreibprojekte im Netz. 
          Über Komplexität und einige mediengeschichtliche Versuche sie wieder 
          in den Griff zu bekommen" unter: http://www.uni-paderborn.de/~winkler/, 
          sowie das Kapitel "Verdichtung" in: ders. Docuverse, Berlin 1997.
        [9] Man lese nur den Anfang von Bretons Nadja (http://www.hyperdis.de/txt/nadja)
        [10] Kristeva, Julia: Die Revolution der poetischen Sprache, Frankfurt 
          am Main 1978, OT: La révolution du langage poétique, Paris 1978
          [11] Tristan Tzara, zit. n. Mon, Franz, "collage in der literatur", 
          in: prinzip collage, hg. v. Franz Mon; Heinz Neidel, Neuwied u. Berlin 
          1968, S. S. 50-62
          [12] Georg Christoph Lichtenberg, zit. n. Riha, Karl: Cross-Reading 
          und Cross-Talking. Zitat-Collagen als poetische und satirische Technik, 
          Stuttgart 1971, S. 7.
          [13] Bezogen auf die Eigentumsverhältnisse in und an Texten stellt 
          sich sogar die strafrechtlich relevante Frage, ob überhaupt private 
          Kopien von Texten angefertigt werden dürfen. Die Copyright-Vermerke 
          von Büchern, CD-Roms, Software sprechen in dieser Hinsicht eine sehr 
          deutliche Sprache.
          [14] Hier aus einer anderen Übersetzung entnommen: Tristan Tzara, 
          zit. n. Riha, Karl, Cross-Reading und Cross-Talking. Zitat-Collagen 
          als poetische und satirische Technik, Stuttgart 1971, S. 39.
          [15] Vgl. Wescher, Herta: Die Collage, Geschichte eines künstlerischen 
          Ausdrucksmittels, Köln 1968, S. 134.
          [16] Tristan Tzara, zit. n. Riha, Karl, Cross-Reading und Cross-Talking. 
          Zitat-Collagen als poetische und satirische Technik, Stuttgart 1971, 
          S. 40.
          [17] Barthes, Roland: "Der Tod des Autors", in: Texte zur Theorie 
          der Autorschaft, hg. v. Fotis Jannidis, Gerhard Lauer, Matias Martinez, 
          Simone Winko, Stuttgart 2000, S. 185-193, hier S. 190 f.
          [18] Ausführlicher lediglich in Youngblood, Gene: Der virtuelle 
          Raum. Die elektronischen Umfelder von Mobile Image, in: Ars Electronica. 
          Festival für Kunst und Gesellschaft, Linz 1986, S. 289-302. Der Text 
          entstand 2 Monate vor der Projekt-Realisierung aus konzeptuellen Entwürfen 
          der Künstler für einen Katalog, der allerdings nie erschienen ist.
          [19] Auf der Hardware-Ebene besticht das Elektronische Café durch 
          eine Systemintegration aller verfügbaren Medien - auf der Software-Ebene 
          fungiert eine Art simples Mail-Box-Programm als gemeinschaftliche Datenbasis 
          für die ,Community memory`: "Jeder Nutzer hat uneingeschränkten interaktiven 
          Zugang zu den Datenbasen und kann gleichberechtigt Beiträge einbringen. 
          Jedermann kann jederzeit Botschaften senden, Akten anlegen, andere Mitteilungen 
          lesen und Kommentare und Anregungen durch öffentlich zugängliche Terminals 
          in Bibliotheken, Lebensmittelgeschäften, Kaffeehäusern und Gemeinschaftszentren 
          vorbringen. Es gibt keine Zensur und keine persönlichen Akten, doch 
          können Botschaften oder Akten nur von ihren Autoren verändert werden 
          [...] ein Instrument für kollektives Denken, Planen, Organisieren, Entscheiden 
          [...]" Ebd., S. 300.
          [20] Youngblood, Gene: Metadesign, in: Kunstforum, Bd. 98, 
          2/1989, S. 76-84, hier: S. 80.
          [21] Peter Glaser in einer Einladungsmail vom 11.1.1993 20:53:33. 
          Vgl. auch das Kapitel "Leben im Netz - Geschichten" aus der Diplomarbeit 
          von Rena Tangens: Das Leben im Netz. Die Bürgernetze Z-NETZ, CL und 
          ZaMir und ihre Geschichten, Bielefeld 1996, S. 55-87. Jetzt ist es noch 
          als Archiv erreichbar unter der newsgroup: t-netz/alt/tagebuch oder 
          im Archiv des Zerberus-Netzes: http://www.zerberus.de/texte/wam_kat/.
        [22] "Das Imaginäre konstituiert sich nicht mehr im Gegensatz zum 
          Realen [...] es dehnt sich von Buch zu Buch zwischen den Schriftzeichen 
          aus, im Spielraum des Nocheinmal-Gesagten und der Kommentare; es entsteht 
          und bildet sich heraus im Zwischenraum der Texte. Es ist ein Bibliotheksphänomen."
          (Foucault, Michel: Die Phantasmen der Bibliothek, in: ders.: Botschaften 
          der Macht. Der Foucault-Reader Diskurs und Medien, hrsg. von Jan Engelmann, 
          Stuttgart 1999, S. 85-91, hier: S. 87)
        [23] Das Intro zur "Imaginären Bibliothek", die auf der Ars Electronica 
          1990 in Linz als eine interaktive Installation gezeigt 
          wurde. Impulse für die Arbeit lieferten Autoren wie Jorge Luis Borges, 
          Umberto Eco und Foucault mit ihren Ideen nach einer "offenen Bibliothek", 
          in der Texte, losgelöst von Autor und Entstehungskontext, frei zirkulieren 
          können und beliebig miteinander assoziierbar und vernetzbar sind. Die 
          "imaginäre Bibliothek" vereinigt elektronische Texte, Bilder und Grafiken. 
          Im Rahmen des ARS ELECTRONICA war die "imaginäre Bibliothek" auf zwei 
          Computern installiert, plaziert innerhalb eines Rundbaus inmitten von 
          präsentierten Büchern und Buch-Objekten, wobei zwei Drucker im Hintergrund 
          permanent die Lese-Touren der Benutzer ausdruckten. Diese Endlos-Ausdrucke 
          wUrden zu Buch-Rollen gewickelt, die auf diese Weise den Bestand der 
          imaginären Bibliothek sichtlich durch die unentwegte Produktion der 
          Leser vergrößern.
          Erst 1995 entstand die im Netz zugängliche Hypertext-Version der "imaginären 
          Bibliothek" Die Texte bilden dabei eine komplexe Matrix, durch die der 
          Leser sich horizontal oder vertikal fortbewegen kann. "Das Ziel der 
          Anwendung ist es, durch verzweigtes assoziatives Lesen und Navigieren 
          den Benutzer in ein Netzwerk aus Texten zu verstricken und somit eine 
          Beteiligung des Lesers an dem Imaginationraum Bibliothek zu simulieren. 
          Die "Imaginäre Bibliothek" könnte auf spielerische, ironische Art und 
          Weise in die neuen Kulturtechniken, die neuen Formen des Lesens und 
          Schreibens im digitalen Umgebungen, einführen und dazu anstiften, literarische 
          Modelle und Verfahrensweisen auf Hypertext-Produktion und Rezeption 
          zu übertragen." (Diese Beschreibung ist zusammengestellt von Torsten 
          Liesegang aus verschiedenen Konzepttexten von PooL-Processing)
          Archiv PooL-Processing(1988-1994): http://www.hyperdis.de/pool/
          (Imaginäre Bibliothek, UserInnen Inputs, Fotos & Texte)
          [24] Eine Dokumentation dieser frühen Mitschreibe-Experimente sowie 
          den Gesamtbestand der Imaginären Bibliothek findet sich unter http://www.hyperdis.de/pool/
          [25] "Welttexte" hieß ein heftig umstrittener Beitrag auf der Mailingliste 
          "Netzliteratur", den Reinhold Grether dort am 7. Januar 1999 veröffentlichte. 
          "Literatur, auf der Höhe unserer Zeit", so der Schlußsatz, "muß ,Welttexte` 
          schaffen, auf Basis der Konnektivität (Technologien, Materialien, Multipersonalität) 
          der Netze." Wie das globale Imaginäre sich in 24 Netzprojekten zeigt 
          und konzeptualisiert, untersucht Reinhold Grether in "Versuch über Welttexte", 
          in: Hyperfiction. Zum digitalen Diskurs über Internet und Literatur, 
          hg. v. Beat Suter u. Michael Böhler, Frankfurt am Main und Basel, 1999, 
          S. 85-100. Vgl. auch seine Artikel in telepolis (http.//www.heise.de/tp) 
          und das Projekt "Netzliteratur, Netzkunst und Netzwissenschaft" unter: 
          http://www.netzwissenschaft.de/.
          [26] "THE WORLD'S FIRST WHAT? YOU ASK. DON'T WORRY. SOON YOU'LL 
          KNOW. BUT FIRST LET ME ASK SOMETHING FAR MORE IMPORTANT: The temporary 
          author-artist of these lines and this work is Douglas Davis. In face 
          he (cf. me) is facing you at this moment, from a moment in 1973 when 
          he, that is, me, tried to focus the lens of his video camera directly 
          on you, the viewer on the other side of the then-imperial TV screen. 
          Well, we have broken that screen down many times then--,we` being the 
          early video artists determined to destruct the big lie that TV was a 
          ,mass` one-way medium, you, impatient viewer who lusted for something 
          better (and finally got it, in lots of ways), and the inexorable roll 
          of technological innovation, moving us finally into the digital era 
          and THIS MEDIUM, the InterNet/Web, where you take over from me....
          But not yet, please. Wait just a few pages....hold out your hand there...yes, 
          I think I got it...your fingers...hand in hand let's look through....
          ALL THE GOOD DIGITAL BITS YOU CAN RETRIEVE FROM US ALONG THE WAY [...]"
          http://ca80.lehman.cuny.edu/davis/.
          [27] Die ja nach Platos Fundamentalopposition zur Schrift bekanntlich 
          im Gegensatz zur mündlichen Kultur ohne Beisein ihres Autors zirkulieren 
          - und eben nicht antworten können
          [28] Mon, Franz: herzzero, Neuwied 1968, S. 5.
          [29] Illich, Ivan: Im Weinberg des Textes. Als das moderne Schriftbild 
          entstand. Ein Kommentar zu Hugos "Didascalicion", Frankfurt am Main 
          1991, OT: L'Ere du livre, Paris 1990, S. 112
        [30] http://hyperfiction.de/enzyklopaedie/
        [31] Ein Blick etwa in physikalische Forschungsliteratur zeigt Teams 
          von mehr als 2000 WissenschaftlerInnen, die über Jahrzehnte zusammenarbeiten. 
          Selbst bei einer Dissertation in einem solchen Arbeitskontext tauchen 
          dann etwa die Namen von über 500 ,Mitautoren` (in alphabetischer Reihenfolge) 
          auf, so dass - trotz der restriktiven Regeln des zunftartig organisierten 
          Wissenschaftsbetriebs - der einzelne Forscher ganz deutlich als Knoten 
          in einem Geflecht von Querbeziehungen positioniert wird. Der Konzeption 
          des WWW-Standards am CERN lag u.a. der Wunsch und die Notwendigkeit 
          der Entwicklung eines einfachen Austauschformats für wissenschaftliche 
          Texte im Netz zugrunde.
          http://hoshi.cic.sfu.ca/~guay/Paradigm/History.html gibt einen 
          sehr fundierten Überblick über die historischen Entwicklungen des Web-Konzepts 
          aus den verschiedensten Quellen - (Bush, Nelson, Engelbart, CERN) nebst 
          medientheoretischen Hintergrund (Mc Luhan, Landow).
          siehe auch: Tim Berners-Lee (Ted Nelson and Xanadu), http://www.w3.org/pub/WWW/Xanadu.html
          [32] Vgl. Kittler, Friedrich: Eine Kulturgeschichte der Kulturwissenschaft, 
          München, 2000
          [33] Alle Dokumente und Materialien des Projekts (Universität Hildesheim 
          1998-2000) sind archiviert unter: http://www.hyperdis.de/netkult/
          [34] Die Entwickler Rene Bauer und Joachim Maier bezeichnen nic-las 
          als ,autopoetische Informationslandschaft`: Das Akronym nic-las steht 
          für nowledge integrating communication-based labelling and access system. 
          http://www.nic-las.com/enzyklopaedie/
          [35] Diese Unterscheidungen strukturieren schon während der Texteingabe 
          den Datenbestand dynamisch und schreiben somit jede Veränderung in einem 
          kleinen Detail in den Gesamtkontext ein und diferrenzieren so die Wissensstrukturen 
          immer weiter aus. Personen-, Themen- und Zeitreferenzen vernetzen jede 
          Texteinheit innerhalb verschiedener Kontexte.
          [36] "Andererseits gilt die Funktion Autor nicht übertall und nicht 
          ständig für Diskurse. In unserer Kultur haben nicht immer die gleichen 
          Texte einer Zuschreibung bedurft. Es gab eine Zeit, in der die Texte, 
          die wir heute ,literarisch` nennen (Berichte, Erzählungen, Epen, Tragödien, 
          Komödien) aufgenommen, verbreitet und gewertet wurden, ohne daß sich 
          die Autorfrage stellte [...]. Im Gegensatz dazu wurden die Texte, die 
          wir heute wissenschaftlich nennen, über die Kosmologie und den Himmel, 
          die Medizin und die Krankheiten, die Naturwissenschaften oder die Geographie 
          im Mittelalter nur akzeptiert und hatten nur dann einen Wahrheitswert, 
          wenn sie durch den Namen des Autors gekennzeichnet waren" (Foucault, 
          Michel: Schriften zur Literatur, Frankfurt am Main 1979, S. 19).
          [37] Dieses romantische Schreibspiel - geplant als Satire auf akademischen 
          Bilddungsbetrieb und klassizistische Literaturkritik - ist wohl mehr 
          zu einer glossenhaft-parodistischen Selbstanalyse der beteiligten Mitschreiber 
          mit einer Fülle literarische Anspielungen geworden und stellt etwa mit 
          Bettina von Arnims zu Briefromanen montierten Korrespondenzen Materialien 
          für eine kollektive Selbstanalyse zur Verfügung. Solche Konversationstechniken 
          verweisen gleichzeitig auf kulturrevolutionäre Utopien, die eine Aufhebung 
          von Spezialistentum und entfremdete Arbeitsteilung in kultureller Produktion 
          in Aussicht stellen.
          [38] Schlegel, Friedrich: Athenäums Fragmente, in: Kritische Schriften, 
          München 1970; Materialien zu diesen kollektiven Schreibprojekten finden 
          sich in Rogge, Hellmuth: Der Doppelroman der Berliner Romantik, Leipzig 
          1926.
          [39] Börne, Ludwig: Die Kunst, in drei Tagen ein Originalschriftsteller 
          zu werden, in: Gesammelte Schriften, Bd. 1, 1862
          [40] Etwa von Schleiermacher und Schlegel, die ein intensives häusliches 
          Zusammenleben und - arbeiten pflegen: während der gemeinsamen Malzeiten 
          wird diskutiert, vorgelesen, über Formulierungen beraten .. die die 
          aus diesem Zusammenleben erwachsende gemeinschaftliche literarische 
          Produktion wird dann später wiederum zum Gegenstand und zum Stimulans 
          weiterer geselliger Zusammenkünfte. Vgl. Hoffmann-Axthelm, Inge: "Geisterfamilie". 
          Studien zur Geselligkeit der Frühromantik, Frankfurt am Main 1979, die 
          Geselligkeit als "jede Art von Berührung, Relation, Kontakt, Zusammenhang, 
          und, darüber hinaus, Vermischung zwischen den von ihm abgelehnten Extremen 
          der totalen Vereinzelung und des strengens Systems (S. 155)" geradezu 
          als Leitbegriff für Schleichermachers Denken herausarbeitet.
        [41] vgl. Gisela Dischners vorzügliche Zusammenstellung historischer 
          Dokumente in: Dischner, Gisela: Friedrich Schlegels Lucinde und Materialien 
          zu einer Theorie des Müßiggangs, Hildesheim 1980.
        [42] So ist etwa die Teilnahme von Schlegels Freunden an der Entstehung 
          der "Lucinde" nicht zu unterschätzen: Streichungs- und Änderungsvorschläge 
          wurden aufgenommen und geplant war eine Fortsetzung des Romans auf der 
          Basis von Briefen ... Eine "Mischung von Autoren" und ein prinzipiel 
          offener und unendlicher poetischer Produktions- und Reproduktionsprozeß. 
          In den romantischen Zirkeln fungiertenen die Texte als Vorlage und Vorschlag 
          zur weiteren Bearbeitung. Gemeinsames Vorlesen wurde begriffen als eine 
          produktive sympoetische Begegnung zwischen Autor, Vorleser und Zuhörern.