Rezensiertes Werk: Stephan Porombka: Hypertext. Zur Kritik eines digitalen
Mythos, München 2001, zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1999
Nach einer zunächst ungebrochen begeisterten Aufnahme des Hypertext-Konzepts
in die medien- und kulturtheoretischen Diskurse der frühen 80er
Jahre, wurde in einer zweiten Phase der Aneignung von Kulturtechniken
zunehmend Kritik laut. [1]
Gewiss, der Mythos ist eine Aussage ... aber Hypertext? Warum muß
ausgerechnet der Hypertext kritisiert werden?
Wissen wir doch, daß bei jedem Medienwechsel «wie an der
Schnittfläche von zwei optischen Medien auch, Raster und Moirés
[entstehen]: Mythen, Wissenschaftsfiktionen, Orakel.» [2]
Hier setzt auch Stephan Porombka an, der die geheimen Triebkräfte
der Technokultur bloßlegen will und nach den wahren Medientraumata,
den Fixierungen und den Vermeidungs- und Abwehrreaktionen der User (S.
16) fragt, die sich (vergeblich) bemühen, der «Zwangsherrschaft
des Textes» über die lesenden Menschen zu entkommen: «Mit
dem Hypertext im Computer, so hieß es, könne diese Zwangsherrschaft
überwunden werden. Nicht nur werde auf hypertextuelle Weise die
Macht des Autors neu definiert, weil er einen weit verzweigten Text
nicht mehr wirklich im Griff haben kann. Zugleich werde die Macht des
Lesers gestärkt, weil der sich durch das Textnetzwerk bewegt und
sich an jeder Abzweigung entscheiden muß, welchen Leseweg er weitergehen
möchte. Auf diese Weise könne der Leser direkt mit dem Text
<interagieren>, ihn manipulieren, um ihn als eine Art Lese-Autor
in seinen eigenen Text zu verwandeln.» (S. 17)
Stefan Porombka malt immer wieder die totalitäre Vision eines
allumfassenden Hypertextes als eine Art Meta-Software für die gemeinsamen
Strukturen von Computer, Welt und Gehirn, an die Wand, um dann dagegen
anzuschreiben.
Das Programm dieser Arbeit könnte benannt werden mit: Interpretation
der Verknüpfungs- und Speichermanie im Hypertext als technisch-kulturelle
«Angstabwehr» (S.19), als «suchtartige» Projektion
und Ankopplung des <verlorenen Subjektes> an die «technologisch
und phantastisch konstruierte Wirklichkeit des Computers» (S.
21).
Die Geschichte des Hypertexts als Geschichte der Anpassung
So weit so gut. Hello I am Eliza, tell me your Problems! [3]
Die Geschichte des Hypertextes wird gelesen als eine Geschichte der
Anpassung, der Adaption (S.21):
Der erste Abschnitt versucht die Phantasiearbeit dreier «Heroen
des Hypertextes» (Bush, Engelbarth, Nelson) als «kulturelle
und technologische Konstruktion» zu re- und de-konstruieren. Part
zwei legt drei Universalisierungs- und Totalisierungsstrategien des
Hypertextes frei: Komplexität, Interaktivität und Räumlichkeit
werden als «Querschnitt durch den Hypertext- und Computerdiskurs»
herausdestilliert - und gleichzeitig als die entscheidenden Momente
für die Weiterentwicklung des Computers und des Hypertextes bestimmt.
Im dritten Teil schließlich wird die «Geschichte des computerisierten
Netztextes»(S. 22) gegen den Strich gebürstet, die Verdrängungsleistungen
eines postmodernen Hypertextdiskurses sollen durch einen Rückgriff
auf Science Fiction-Texte aus den frühen fünfziger Jahren
eingeholt und als eine Art <innere Fiktion> des aufkommenden Computerzeitalters
in die Literaturgeschichte eingeschrieben werden:
«Von der bloßen Fiktion geht man zum Ausagieren der Phantasien
über. Denn die ersten Netztexte im Computer sind sogenannte Text-Abenteuer,
in die der Leser hineingezogen wird, um als <Ich> die feindlichen
Objekte im Computer zu bekämpfen. Es wird zu zeigen sein, daß
der literarische Hypertext nicht nur in der Tradition der Science Fiction-Erzählungen
steht, sondern auch als direkter Nachfolger dieser Text-Abenteuer verstanden
werden muß. Von hier aus ist es dann nur ein kleiner Schritt zu
den Netztexten, an deren Entstehung man sich in den weltweit gespanten
Datennetzen beteiligen kann und von denen man sich bis heute die eigentliche
Erfüllung der Hypertext-Utopien verspricht. Hier wird es dann noch
ein letztes Mal um das Scheitern dieser Utopien gehen. Und damit um
das Scheitern des hypertextuellen <Heilungsversuchs>.» (S.
23)
Eine Eschatologie des Hypertext-Diskurses also?
Nicht nur. Hier wird kein bloßer Abgesang auf den Hypertext und
die Computerkultur vollzogen, kein Eskapismus gepredigt, sondern die
«detailreichen Geschichten» der Entwicklung des Hypertextes
werden als eine zwanghafte Erfüllung der Postmoderne in der Technik
gelesen: «Dies ist die Geschichte der Hyperfiktion von der gesagt
wird, daß sie die Großen Erzählungen der Moderne abgelöst
hat. Die These ist, daß es sich bei der Hyperfiktion um die eine
Große Erzählung der Postmoderne handelt, die in einer späteren
und längeren Phase der <Anpassung> erzählt wird und
die längst noch nicht abgeschlossen ist.» (S. 23)
Es geht Stephan Porombka also um eine Umkehrung der Perspektive: Hypertext
wird nicht als eine mögliche Befreiung aus den Zerstreuungen postmoderner
Technologie-Technikfolgen gelesen, sondern geradezu als das Leitmedium
und die Schnittstelle zur Durchsetzung von Weltbildern, zur Programmierung
der Köpfe der Anwender: Vorsicht! Komplexitätsfalle! [4]
Break out? Log-in? Jump?
Aber zweifellos macht es großen Spaß, dem Autor auf den
Spuren dieser kulturwissenschaftlich-psychoanalytischen Gegen-Analyse
des Hypertext-Traum(a)s als eines traumatischen Einbruchs quer durch
die (hauptsächlich historischen) Hypertextdiskurse zu folgen, zu
beobachten, wie er immer wieder versucht, den Hypertext vom Kopf auf
die Füße zu stellen, die Verkörperungsthese [5] umzudrehen,
um ...
Ja, um was damit anzustellen? Wohin führt Stephan Porombkas Kritik
an den totalitären Zirkelschlüssen, Rückkoppelungsschleifen
und Remediatisierungen [6] zwischen Welt, Selbst und Computer? Auch
die Theorie ist bisweilen ein monströses Ungetüm, vielleicht
auch der «Ausdruck des Wunsches des jeweiligen Autors, sich in
einer labyrinthischen Textadventure-Welt im Innern einer riesigen Black
Box zu befinden, in der nur die wahren Abenteurer die wahren Abenteuer
bestehen und die Hyperfiktion von Welt, Selbst und Computer fortschreiben
können - ohne den Computer zu erwähnen.» (so die letzten
Worte auf S. 362)
Break out? Log-in? Jump?
Hic rodus! Hic salta! Das Abenteuer kann beginnen!
Am plastischsten wird Porombkas Ansatz im Kapitel über Computerspiele,
deshalb gehen wir direkt dorthin, nachdem wir den Theoriefiktionen der
Hypertextpioniere (die als Wunschmaschinen, fiktive Einstiege in den
>Kopf des Anderen< (S.297) entlarvt werden) intertessiert studiert,
die Reise durch die kulturellen Hauptschlagworte des Hypertext-Diskurses
(Komplexität, Interaktivität, Hyperraum- den umfangreichsten
Abschnitt der Arbeit (150 von 360 Seiten) mit zunehmender Geschwindigkeit
(und bisweilen leichten Schwindelgefühlen) durchquert und sogar
die Fahrt durch die Hölle, eine Umleitung durch die Untiefen ins
’Innere’ der Black-Box Computer (eine Re-Lektüre von
dystopischen Science Fiction Erzählungen als negatives narratives
Modell und «Ergänzung der Interpretation der Hypertext- und
Hyperraumtheorien» (S. 274) ...) unbeschadet überstanden
haben:
«Nachdem diese Landschaften in den Buchfiktionen zu sehen waren,
können wir uns nun mit den Erzählungen beschäftigen,
die das Buch verlassen, um Ernst zu machen. Deshalb reisen wir in den
folgenden Kapiteln tatsächlich in den Computer hinein, um dort
auf dieselben programmierten Landschaften zu treffen. [7] Nun aber ist
man als Leser nicht mehr von dieser Landschaft getrent, sondern ist
selbst der Held, der die Abenteuer im rechnenden Raum bestehen muß
[...]> (S.297), warnt uns der skeptische Reiseleiter Porombka. Und
diese Warnung ist - zumindest aus seiner Sicht - angebracht. Denn nur
ungern verläßt der Autor das Buch. [8]
Aber: Wir spielen ja nur. Wir haben ein Alibi! [9] Und in diesem Genre
funktioniert vieleicht auch am ehesten etwas, das der Autor auch vom
Hypertext verlangt – eine Erwartung, die allerdings in den meisten
Fällen enttäuscht wird: eine «Übertragungsbeziehung»
(S. 300) zwischen User und dem Text im digitalen Medium: Ein kurzer
narrativer Aufriss. Direktansprache des Lesers als handelnde Person.
Du stehst irgendwo und siehst eine riesige Bleiwüste vor dir ausgebreitet.
Kein Link führt aus diesem Text heraus. Der Cursor blinkt. Du bist
ausgeliefert. Das Spielprogramm wartet auf deine Eingabe.
Ein weiterer Grund für die melancholisch-negativen Befunde ist
methodischer Art: außer im Kapitel über Text-Adventures spürt
man wenig Neigung seitens des Verfassers, sich – auch nur ansatzweise
– einzulassen auf Kodierungen oder Verknüpfungs- und Linkstrategien
des Hypertextes, auf Interfaces oder die Kunst des Programmierens …
. Meine Umkehrthese –ganz im Sinne der linearen Porombkaschen
Hausmannsdialektik wäre: Porombka tötet den Hypertext ab,
seziert ihn, trocknet ihn aus, so daß er als bloße Verlängerung
des Techno-Imperiums erscheint, als Kontrollmedium für Lese-Akte
und Leser-Projektionen und verkauft dann diese diskursiven Aufgüsse
noch als «Kritik» am Mythos Hypertext!
Denken statt klicken? [13]
So rezipiert er z.B. den Hypertextklassiker «Afternoon»
[14] durch die Gegenüberstellung zweier Lesarten: Wingerts akribische
Evaluation hypertextueller Leseweisen [15] vs. Douglas’ serielle
Leseprozesse [16]. Porombka pickt sich jetzt gemäß seiner
Programmatik die passenden Passagen heraus, paraphrasiert und verstärkt
den Eindruck der Überforderung des Lesers, indem er den zitierten
AutorInnen die Sätze «Ich kann nicht mehr» und «Ich
will nicht mehr» in den Mund legt, um dann die durchwegs positiven
Ergebnisse aus Douglas’ Lektüre durch einen bewußt
oder unbewußt falsch gesetzten <Link> [17] zur mehrschichtigen
narrativen Struktur von Ulysses oder Finnegans Wake als Übersteigerung
und Anmaßung zu brandmarken und damit dann letztlich jegliche
hypertextuelle Lektüre als «verdrängende Lektüre»
zu disqualifizieren und eine Verdrängung der medialen Aspekte [18]
vorzuwerfen (S.334), was wiederum zu Eskapaden gegen die Verkörperungsthese
(s.o.) führt.
Ist hier der Leser in einer Endloschleife gefangen, der Rezensent oder
der Autor?
Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose.
Aber: «Hypertexte zu lesen, heißt, das Netzwerk zu bestätigen,
indem man sich selbst als Netzwerk versteht.» (S. 336)
Und: «Diese Erfahrung zu scheitern, wo sie die postmodernen Theorien
ins wirkliche Leben übersetzen wollte […]» (S: 360)
Und was wird aus der «Kritik des digitalen Mythos»?
Stephan Porombka wollte mit seiner Arbeit programmatisch die technokratischen
digitale Mythen entzaubern und deren Zwangscharakter entlarven:
«Denn Software und Hardware wird keineswegs von Menschen entworfen,
die phantasielos Programmzeilen schreiben oder Drähte verlöten.
Was sie herstellen ist im Gegenteil das Ergebnis einer lebensgeschichtlich
und kulturell formierten Phantasiearbeit […]. Und deshalb darf
man die Entwicklung des Computers nicht abgetrennt von den dämonisierenden
Phantasien betrachten, die diese Entwicklung begleitet und vorangetrieben
haben.» (S. 13)
Diese Entmythologisierung des Digitalen eröffnet neue und interessante
Perspektiven auf die gängigen Topoi der Hypertext-Theorie (wie
die Befreiung des Lesers oder die Utopien der Interaktion oder des ‘offenen
Textes’ …) und ist streckenweise in den gedanklichen Figuren
wirklich amüsant und unterhaltsam zu lesen. Im Verlauf der Untersuchung
verstrickt sich allerdings der Autor zusehends in seine eigene Rhetorik
und Polemik, gerät in Rekursionen und Rückkoppelungen und
verliert in den Echos seiner Eskapaden teilweise den Kontakt und den
Anschluß an die <digitalen Diskurse>, die er zu kritisieren
sich anschickt.
Das ist schade, denn die Entwicklung kritischer – auch gerade
auf der Basis kulturtheoretischer Ansätze entstehender –
Diskurse ist gegenüber den globalisierten Interface-Kulturen sowie
der universellen ‘kulturellen Software’ [19] dringend erforderlich.
«Hände weg vom Hypertext!» möchte man dann aber
dem Autor zuweilen zurufen, wenn er sich – auch teils auf technische
Fehlinterpretationen und falsche Bezugnahmen gestützt – immer
wieder in Fundamentalopposition begibt, und somit fast im (selbstgebastelten)
Mythos einer Kritik der Entlarvung ertrinkt, so als wünsche er
sich geradezu eine Befreiung nicht nur vom «digitalen Mythos»,
sondern vom Digitalen selbst:
… « […] und die Hyperfiktion von Welt, Selbst und
Computer fortschreiben können – ohne den Computer zu erwähnen.«
(S. 362)
Und wie entkommt der Rezensent als Leser diesem Text? [20]
Fußnoten
[1] «Netzkritik ist ambivalent (descriptiv, immanent, unordentlich,
symptomatisch, parodistisch), sie steht mit einem Bein im staubigen
Gutenberg-Archiv der schmutzigen Materialitaet, mit dem anderen aber
im koerperlosen Digitalia. Sie bringt das Unbehagen in der Information
an die Oberflaeche und versucht das Unvereinbare produktiv zu machen,
wie zum Beispiel die Schreib- und Uebertragungsgeschwindigkeit mit der
der Reflexion. Es geht nach (dem fruehen) Virilio darum, wieder einen
Moment der Enscheidung herbeizufuehren. Ziel dabei sind illegitime Anschluesse,
hybride Konstruktionen, eine <Aesthetik der Verlangsamung> und
eine ganz eigene Mischung aus lokalen und globalen Elementen.»
Geert Lovink und Pit Schultz: Grundrisse einer N e t z k r i t i k,
Version 1.1.2 (Hamburger Fassung), anti-copyright 1995: < http://www.thing.desk.nl/bilwet/TXT/NK1.txt>(13.03.02)
[2] Friedrich Kittler: Grammophon, Film, Typewriter, S. 4, zit. nach
Porombka, S. 13
[3] So begrüßt Joseph Weizenbaums «Eliza», Mitte
der 60er Jahre als Simulation eines psychoanalytischen Dialogs entwickelt,
den Leser – als Patienten: durch simple <Gegenübertragungen>
und Rückkoppelungen einzelner Schlüsselwörtern aus den
Leserantworten werden subtile Fragesätze und Aufforderungen («Erzähle
mir mehr von deiner Mutter!») an den Leser ausgesprochen.
[4] Somit dreht Porombka den Spieß einfach um: Der Hypertext
befreie keineswegs von der Linerarität der Buchkultur, sondern
«Nun erweist sich der Hypertext als durch und durch defizitäres
Medium, das eine kulturell folgenreiche Entfremdung des kognitiven Apparats
bin hin zum Wahn nach sich zieht, weil es den Nutzer in eine pseudo-komplexe
Wahrnehmung der Welt einübt und damit den Drang zur mythischen
Vereinfachung bedient. » (S. 136)
[5] Hypertext sei die <Erfüllung> und praktische Ausführung
poststrukturalistischer Entgrenzungsstrategien, der Link verkörpere
etwa den Intertext, die Vielstimmigkeit, das Rhizom. "Der Hypertext
ist das Wörtlichnehmen der Metapher vom Lesen als Schreiben im
Zeichen interaktiver Computermedien. Freilich mit den ganzen Folgen,
die das Wörtlichnehmen von Metaphern so mit sich bringt: die ganze
Sache kippt entweder ins Banale oder ins Bizarre." Uwe Wirth, Literaur
im Internet. Oder: Wen kümmert's, wer liest?, in: Mythos Internet,
Stefan Münker, Alexander Roesler (Hg.), Frankfurt/Main 1997, S.
319-337, hier S. 321; < http://www.netzliteratur.net/wirth/wirth99.htm>
(13.03.02). Vgl. auch: Ulrike Bergermann: <Verkörpert> Hypertext
Theorien vom Schreiben? <http://www.uni-paderborn.de/~bergerma/texte/zmm.html>
(13.02.02) und Eckhard Schumacher: Hyper/Text/Theorie: Die Bestimmung
der Lesbarkeit, in: Andiopoulos, Stefan; Schabacher, Gabriele; Schumacher,
Eckhard (Hg.): Die Adresse des Mediums, S.121-135. ( Besprechung)
[6] Vgl. Bolter, Jay David/Grusin, Richard: Remediation. Understanding
New Media. Cambridge (Mass.)/London 1999. ( Besprechung)
[7] Die Science Fiction Geschichten werden als Erzählungen aus
dem Inneren des Computers verortet: «Wenn sich der Nutzer also
am Computer durch die Lichtwege des elektronischen Netzwerks klickt,
dann [...] soll er sich durch das Innere des Computers bewegen. Und
das Innere des Computers soll dabei nichts anderes sein als der utopische
Ort. [...] Eine Milchstraße in der Black Box. Und der Computernutzer
mittendrin. Folgen wir einigen dieser Nutzer, die den Weg in die Black
Box gesucht und den Ausgang aus ihr nicht mehr gefunden haben.»
(S. 253)
[8] So bezieht er sich, was bei dem Thema schon ein diskursives Kunststück
des besonderen Art ist, lediglich auf zwei Netzdokumente ( http://www.addventure.com
(13.03.02) und Frequently Asked Questions: Basic Information about MUDs,
das sich schon nicht mehr an dem angegebenen Ort befindet, aber vielfach
im Netz zu finden ist, etwa unter:
http://www.lysator.liu.se/mud/faq/faq1.html (13.03.02). Der Autor beansprucht
im Vorwort das Recht, die vorliegende Arbeit als ein «geschlossenes
Werk vorzulegen» (S. 9). Ausdrücklich gibt er –quasi
als aktuellere Paratexte zum Buch - auch weitere Aufsätze an, die
im Jahr nach Abschluss der Arbeit erschienen sind. Der letzte dieser
Aufsätze (Stephan Porombka: literatur@netzkultur.de, in: Neue Rundschau,
Heft 2 (2000) («netculture»), S, 49-75;
online: http://www.digitab.de/hyperbox/Porombka/index.htm
(14.03.02), eine fulminöse Abrechnung mit den frühen Utopien
der Netzliteratur, zeigt dann schließlich doch sehr deutlich,
welche Art von «Netzliteratur» der Verfasser bevorzugt:
10 Jahre nach dem Erscheinen eines der beiden hier angesprochenen und
ausgiebig kritisierten Hypertexte «Afternoon» sollen ausgerechnet
die ausschließlich an der Buchkultur und am Buchmarkt orientierten
Projekte von Matthias Politycki («Weiberroman. Historisch-Kritische
Gesamtausgabe», München 1997:
http://novel.zdf.de/, Reinald Goetz (»Abfall für alle. Roman
eines Jahres», Frankfurt am Main 1999, seit Erscheinen des Buches
nicht mehr online! [
Besprechung]) und Thomas Hettche und Jana Hensel («Null. Literatur
im Netz», Köln 2000:< http://www.dumontverlag.de/null/>
(13.03.02) [
Besprechung]) «unverhoffte Lösungen für [die] eigenartige
Problemlage» des Hypertextes eröffnen: «So klang sie
am Ende der 90er, die Internet-Literatur, die durchaus auch im Buch
stattfinden konnte.« (ebd., S. 63)
[9] «Angstabwehr» würde Porombka dianostizieren.
[10] … und nicht als als w/reader oder Schreib/Leser, wie es sich
in der amerikanischen bzw. dekonsruktivistisch orientierten Hypertext-Theorie
eingebürgert hat.
[11] .. zwischen Büchern und elektronischen Texten, zwischen Mensch
und Maschine, zwischen Hochkultur und Technokultur, zwischen Geisteswissenschaften
und
Informatik, zwischen Hypertexten und Computerspielen und, zwischen
Postmoderne und dem wirklichen Leben, zwischen Dekonstruktivismus und
Populärkultur, zwischen dem Innern der Maschine und dem Innern
des Menschen, zwischen Innen und Außen …usw. usf.
[12] Die oft schein-dialektische Umkehrungen bzw. Verdrehungen darstellen:
Hypertexte seien Konfliktverkörperungen (S. 93; statt Problemlösungen),
Browsen sei ein Prozeß der Verdrängung (S.332), Klicken ein
ewiges Aufschieben, mechanisches inter-agieren statt durcharbeiten (S.
339)
[13] Auch Schumacher (vgl. Anm. 5) gelinkt diese gnadenlose Theoretisierung
des Hypertextes. Wird aber jegliche hypertextuelle Praxis geleugnet,
fällt es auch nicht schwer, dem Hypertext in einem Zirkelschluß
wiederum die Prinzipien einer veralteten Textualität zuzuweisen
- und ihn zu identifizieren mit einer finalen Denkbewegung, die das
endgültige Ende aller dekonstruktivistischen, wenn nicht überhaupt
aller Theoriedebatten einläutet: "An die Stelle des Interpretationsprozesses
tritt ein Text, der offenbar nicht mehr gelesen und interpretiert werden
muss. Das differenzielle Netzwerk muss nicht mehr [...] immer wieder
neu in wiederholten Lektüren produziert werden, sondern liegt bereits
vor und muß nur noch abgerufen [...] werden." (Schumacher
(vgl. Anm. 3) S. 128/129)
[14] Michael Joyce: Afternoon, a story, Cabridge, Mass., 1987 [Elektronischer
Hypertext]; vgl. <
http://www.eastgate.com/Storyspace2.html> (13.03.02).
[15] mittels feinmaschiger Interpretationsmethoden (wie z.B. Karteikarten),
die allerdings durch und durch der Buchkultur verpflichtet und keine
Spur medienreflexiv sind. Vgl. Bernd Wingert: Kann man Hypertexte lesen,
in: Dirk Matejovski; Friedrich Kittler (Hg.) Literatur im Informationszeitalter,
Frankfurt am Main, 1996. S. 185-218 (diese Literaturangabe fehlt im
Porombkas Literaturverzeichnis)
[16] Die eben gerade durch das Aneinanderreihen verschiedener Lesedurchgänge
dem Problem der Abgeschlossenheit in interaktiver Narration auf die
Spur kommen will. Vgl. J. Yellowlees Douglas: «How Do I Stop This
Thing?» Closure and Indeterminacy in Interactive Narratives, in:
George P. landow: Hyper/Text/Theory, Baltimore, Maryland, 1994, S. 159-188.
[17] S. 334, Anm.1 und 2: Die angegeben Stellen von Douglas beziehen
sich in keiner Weise auf Afternoon, wie Porombka suggeriert, sondern
auf den Hypertext «Writing on the Edge», der u.a. gerade
durch sein visuelles Mapping Bezugnahmen auf James Joyce nahelegt. Porombkas
Methode ist somit «hypertextueller» als er es selbst zugeben
mag: das Zusammenschneiden verschiedener Theorie-Versatzstücke,
die Entwendung von Aussagen, das Herausreißen aus dem Kontext.
[18] Da Porombka seine Aussagen zum Hypertext durch die Lektüre
von Sekundarliteratur über Hypertexte gewinnt, stellt gerade das
Fehlen medienspezifischer Methoden oder auch nur die Einbeziehung entsprechender
Fragestellungen eine Schwachstelle seiner Arbeit dar. So entgeht ihm
z.B. bei der Diskussion um Bolters «Writing Space» gerade
die Differenzierung zwischen der Print- und der Hypertext-Version, die
1991 noch auf Diskette vertrieben wurde, Annotationen, Randbemerkungen
und Kommentare zum Buch enthält, mit der Aufforderung an die Leser,
diese Kommentierung selbst weiter zu treiben und selbst Kommentare an
Bolter zu schicken, die dieser dann verspricht in Neuauflagen einzubauen.
Die von Porombka entdeckte «Pointe», daß der Leser
in Wirklichkeit «gar nichts einschreiben kann» und als großer
Betrug stattdessen nach einem Neustart des Programms immer wieder nur
die «der unversehrte Text von Bolter [erscheint]» (S. 342)
findet seine Begründung im Datenträger und in der Software:
er hat anscheinend lediglich eine »Reader-Version» des zugrunde
liegenden Programms Storyspace benutzt, eine Art Browser – bei
einem Aufruf des Bolter Hypertextes mit einer vollständigen Editor-Version,
ist selbstverständlich auch ein Verändern des Textes möglich!
[19] «In Short, Every cultural object is partly a Palm Pilot.»
Lev Manovich: Post-media Aesthetics: < http://www.manovich.net/texts_00.htm>
(13.03.02).
[20] Durch einen Link: http://www.google.de/search?q=hypertext+porombka