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Ästhetik Digitaler Literatur, 20./21. Oktober 2000, Kassel
Die unsichtbare Geschichte Thesen zum Wesen der Netzliteratur von Christiane Heibach
"The Impermanence Agent" von Noah Wardrip-Fruin et. al. (1999) ist in erster Linie eine Software, die den Benutzer beim Surfen begleitet. Eine leichte Veränderung der Browsereinstellung bewirkt, daß der Benutzer bei seiner Tour durch das Internet nun von einem Agenten begleitet wird, der Elemente aus den besuchten Seiten kompiliert und zu einer fiktionalen Geschichte zusammenstellt. Ausgangspunkt ist eine vorgegebene Erzählung, die nach und nach Bilder und Textteile aus den Surfstationen integriert und somit auch ihren Inhalt verändert. Schließlich erhält der Benutzer eine ästhetisierte Dokumentation seiner Surfspuren - in Form seiner ganz persönlichen Erzählung. "The Impermanence Agent" materialisiert damit die Vernetzung in einem literarischen Produkt, das an sich niemals vollendet ist und sich theoretisch unbegrenzt weiter verändern kann. Der "Web Stalker" von I/O/D/ (1997) - ein Klassiker der Netzkunst - ist eine Art "alternativer Browser". Er interpretiert zwar die Webseiten des Internets - wie es die Standardbrowser auch tun - allerdings in einer ganz anderen Art und Weise. Er visualisiert nur den Text (mit den HTML-Tags) der Webseiten, bietet aber vor allem Features, die in erster Linie die Vernetzung der Dokumente darstellen. Der Web Stalker ist damit vor allem ein Dekonstruktionsinstrument im wahrsten Sinne des Wortes: Er entkleidet die Webseiten ihrer schönen glatten Oberfläche und zerlegt sie in ihre Einzelteile, zeigt sie als das, was sie letztlich sind: eine Kombination semiotischer Systeme, die nur aufgrund der elektronischen Impulse zur Darstellung gelangen. Damit konzentriert er sich nicht auf den "Inhalt" der Webseiten, sondern auf die Prozesse und Verbindungen des Internets. Er macht deutlich, daß gerade durch die Immaterialität der computerinhärenten Prozesse Darstellung und Kontrolle von Daten von einer Interpretationsarbeit abhängig ist, die der Endbenutzer nicht mehr beeinflussen kann. Dessen Sichtweise und Verhalten im Umgang mit dem Computer wird insofern enorm durch die für ihn zugänglichen Programme (und damit von deren Entwicklern) geprägt. Der Web Stalker reflektiert damit gleichzeitig die etablierten Wahrnehmungs- und Handlungsgewohnheiten in bezug auf das Medium Computer. "The Great Wall of China" von Simon Biggs (1998) basiert auf einer (unvollendeten) Erzählung von Franz Kafka, "Beim Bau der Chinesischen Mauer", deren gesamter Text in eine Datenbank eingegeben wurde. Per Textgenerator und mittels eines komplexen Syntaxprogrammes werden aus dieser Kafka-Datenbank nun neue Satz-Kombinationen generiert. Fährt man mit der Maus unten über den Text, verändert sich das Bild mitsamt den danebenstehenden Sätzen und den chinesischen Schriftzeichen in der Mitte. Bewegt man die Maus über dem rechten Textblock, so verändert dieser seine Typographie und seinen Aufbau - es werden ständig neue Sätze generiert, die Positionen gewechselt, die Schlüsselwörter ausgetauscht. Lesen kann man den Text, wenn man mit der Maus aus dem Text herausgeht - erst dann kommt er zur Ruhe. Ähnlich wie bei der automatisch erzeugten Lyrik werden hier aus einem vorgegebenen Textkorpus neue Versionen erzeugt, die aber erst durch die Intervention des Benutzers entstehen, vor dessen Augen dann diese Texttransformation abläuft. Im Unterschied zur frühen Computerlyrik wird hier der Prozeß, nicht das Ergebnis in das Zentrum des Interesses gerückt. Weder gibt es eine endgültige Textversion, noch scheint das Lesen die adäquate Reaktionsweise auf die Struktur des Projektes zu sein. Es ähnelt eher einem Spiel, das beim Benutzer die Lust an der Bewegung hervorruft. Die Wahrnehmung der Textveränderung steht sehr viel mehr im Mittelpunkt dieses Projektes als das "sinnsuchende" Lesen einer Version. "BEAST" von Jacques Servin ist das bisher einzige mir bekannte wirklich hypermediale Projekt, - hypermedial in dem Sinne, daß Bild, Text und Ton einander in der Generierung beeinflussen. Der Benutzer steht zunächst machtlos den sich unabhängig von seiner Kontrolle transformierenden semiotischen Systemen gegenüber, die miteinander in Interaktion treten. Die Dynamik des Projekts entwickelt sich beginnend mit einem Textfeld, das sich selber fortschreibt, meist in einer Geschwindigkeit, die ein gründliches Lesen unmöglich macht. Begleitet wird diese "Textrolle" von verschiedenen Tonelementen, die ebenfalls einen gewissen Bezug zum Thema vermuten lassen. Nach einer gewissen Zeit öffnet sich ein navigierbares zusätzliches Fenster mit "floating images" - Symbolen, deren Generierung von den Inhaltsschwerpunkten der bisher erschienenen Texte abhängt. Jedem Symbol ist wiederum ein Tonelement zugeordnet - klickt der Benutzer auf eines der Symbole, fixiert er es und löst damit gleichzeitig das dazugehörige akustische Feature sowie die Generierung eines thematisch mit dem Symbol korrelierten Textsegments aus; gleichzeitig erscheint eine "Karte", die das Symbol erklärt. Die programmgesteuerte Text-, Bild- und Tongenerierung ist somit reziprok in Abhängigkeit voneinander gekoppelt, wobei diese Hypermedialität [1] den Rezipienten zunächst einmal einerseits durch den Transformationsprozeß, andererseits durch die Interaktion kognitiv überfordert, zumal er gleichzeitig mit (fingierten) Systemmeldungen unter Druck gesetzt wird, die Computercrashs androhen, falls er nicht selber in Aktion tritt. Erst nach und nach erschließen sich ihm die Steuerungsmöglichkeiten, die dieses auf einer hochaufwendigen Programmierarbeit basierende Projekt ihm übrig läßt. Deutlich wird hier auch eine weitere Konsequenz der Computerbasiertheit: Semiotische Systeme können nun in direkte Interaktion miteinander treten, wodurch der Text damit seine Bedeutungsdominanz verliert. Bei BEAST wird der Bedeutungsraum von den einzelnen semiotischen Systemen abgekoppelt und aus deren Oszillationsbewegung und Transformationspotentialen eine neue umfassende Interpretationssphäre geschaffen, die sich auf das Wahrnehmungs- und Aktionsverhalten des Betrachters erstreckt.
"Oss" von Jodi (o. J.) ist eigentlich eine Software. Sobald man die Seite des Projektes aufsucht, verselbständigt sich der eigene Browser: Er vervielfältigt sich in kleine Browserfenster, die auf dem eigenen Desktop einen wilden Tanz aufführen, der mit der Zeit immer schneller wird. Der Benutzer verliert zunächst völlig die Kontrolle über diese Fenster, die ihre Performance auch dann munter weiterführen, wenn man die Internetverbindung getrennt hat. Überwindet man jedoch den ersten Schrecken (der von dem durch Virenwarnungen und Computerabstürze sowieso schon sensibilisierten Umgang mit unkontrollierbaren Vorgängen sehr leicht hervorgerufen wird), stellt man fest, daß man teilweise die Optik des Tanzes verändern kann, indem man Fenster schließt oder vergrößert, Fenster wieder öffnet etc. Der Browser selbst allerdings wird in seiner Funktion verfremdet - die Fenster bleiben schwarz und verweigern sich jeder Darstellungspflicht. Durch den Zustand der Hilflosigkeit, in dem der Benutzer sich befindet, lernt dieser dabei in erster Linie einiges über sein eigenes Verhalten gegenüber dem Computer - ihm wird deutlich gemacht, wie viele Prozesse unkontrolliert und unbeeinflußt ablaufen und wie hilflos er einem (hier nur scheinbaren) Fehlverhalten der Programme gegenübersteht. Die Ironie dieses Projekts besteht darin, daß erst die Resignation und die Aufgabe des Willens zur Kontrolle den Genuß möglich macht. Hat man z.B. den Fenstertanz erstmal akzeptiert, findet man auch Vergnügen daran und fängt an, mit möglichen Einflußnahmen auf die Performance zu experimentieren. Somit ist "Oss" mehr als nur eine Verfremdung der Computerwerkzeuge - es ist ein Verhaltensexperiment, das mit dem Benutzer gemacht wird, ein Werk, das zur Reflexion und Veränderung der eigenen Reaktionen gegenüber dem Computer auffordert. Golem@home (2000) nennt sich ein Projekt, das die elektronischen Impulse in Nahrung für künstlich erzeugte Lebewesen umwandelt. Die Screensaver-Software erzeugt künstliches Leben, das sich über das Netz weiterverbreitet - die aus der digitalen Nahrung des "Geburtscomputers" erzeugten Lebewesen suchen sich eine neue Heimat auf einem vernetzten Computer mit derselben Software; sie bewahren sich aber den "genetischen Code" ihres Ursprungsortes. So entwickelt sich künstliches Leben jenseits von menschlicher Kontrolle, rein softwaregesteuert und durch die Vernetzung topographisch verteilt - die Golems sind Computer-Vagabunden. "Third Voice" ist eine Software, die eine Art "Metanetz" erzeugt. Sie erlaubt es dem Benutzer, Kommentare und Bemerkungen auf Webseiten zu hinterlassen, die wiederum nur von Third-Voice-Benutzern gelesen werden können. Insofern verliert der Webseitenbesitzer dadurch die Kontrolle über die Daten seiner Webseite - ein Effekt, der bei der Einführung der Software einen Sturm der Entrüstung entfachte. "Third Voice" unterstreicht die Loslösung der Kommunikation von der Präsenz an einem bestimmten Ort, der jegliche technisch vernetzte Kommunikation kennzeichnet. "Conversation with Angels" der finnischen Gruppe "meetfactory" (1998) nutzt die topographisch verteilte Kommunikation als Kern ihres Kunstprojektes. Der Benutzer findet sich inmitten von comicartig dargestellten Figuren wieder, mit denen er sich unterhalten kann. Während er die Welt entdeckt und durchwandert, erzählen die Protagonisten Details über sich und ihre (fiktive) Biographie. Auf diese Weise entstehen Geschichten, die gleichzeitig in den Avataren repräsentiert sind. Die "Autoren" haben dafür Geschichten realer Personen und Ereignisse aus Zeitungen und Zeitschriften als Basis genommen und ihren fiktiven Geschöpfen so "reale" Biographien verliehen, die der Besucher durch seine kommunikativen Aktionen zu erfahren versucht. Gleichzeitig kann er sich selber fiktionalisieren, indem er eine andere Identität annimmt und für diese eine Biographie erfindet. Jeder Besuch in dieser Welt verläuft anders, jedesmal werden durch die Interaktion der Benutzer neue Geschichten entwickelt, die nur so lange bestehen, wie die Besuche andauern. Hier also wird der Besucher tatsächlich zum Mitautor, auch wenn er sich in einem vorgegebenen Rahmen bewegt. Was sich an Narrativitäten letztlich wirklich "realisiert" und wie diese verlaufen, liegt zumindest zum Teil in seiner Hand. "Toywar" der Schweizer Künstlergruppe Etoy ist das Resultat einer konkreten wirtschaftlichen Attacke durch eine Internet-Firma namens eToys, die elektronische Spielwaren herstellt. Aus einem Rechtsstreit um den Domain-Namen www.etoy.com wegen der angeblich verwirrenden Ähnlichkeit mit der Firmendomain www.etoys.com ging eine komplexe Protestaktion gegen die schließlich gerichtlich erwirkte Schließung der Künstlerdomain hervor. Über tausend Menschen beteiligten sich an dieser Aktion, die von Etoy auf der Domain www.toywar.com in ein virtuelles Schlachtfeld umgesetzt wurde. Die eigentlichen Aktionen liefen v.a. über E-Mail-Proteste an die Firmenleitung, über für die Firma schädliche PR-Aktionen und die Webseite angreifende Virtual Sit-Ins (die es der ausschließlich über das Internet agierenden Firma eToys ausgerechnet vor dem großen Weihnachtsgeschäft zeitweise unmöglich machte, Bestellungen aufzunehmen). Etoy visualisierte diese Aktionen martialisch in Form von Legomännchen-Truppen, virtuellen Schlachtfeldern und einem Seegrab für gefallene Soldaten (Soldaten, deren Leben aufgrund zu geringer aktiver Beteiligung schließlich erlosch). Die Protestaktionen liefen im wesentlichen über Text, auch der Virtual Sit-In nutzte die Computer-Kommunikation, um über die zu exzessive Anwahl der Firmenwebseite den Server zum Zusammenbruch zu bringen. Eingesetzt wurden also die symbolischen Ebenen des Computers: die Kommunikation von Mensch zu Mensch, die nach wie vor hauptsächlich über Schrift funktioniert einerseits, die Kommunikation der vernetzten Computer über Protokolle andererseits. Etoy selber erklärte diese Aktion zu einem Kunstwerk, und sie mag sich tatsächlich auch eher in die Tradition politkünstlerischer Aktionen einreihen. Die Hauptwaffe jedoch war der Text bzw. der Einsatz semiotischer Systeme, so daß zumindest eine Überschneidung zwischen Literatur und Kunst zugestanden werden muß. Die "Toywar"-Aktion stellt in jeder Hinsicht also ein Netzkunstwerk dar: Sie ging aus dem Zusammenschluß von räumlich entfernt lokalisierten Personen hervor und nutzte die technische Vernetzung für ihre Zwecke. "Tyrell.Hungary" der ungarischen Künstlergruppe EastEdge (1998) dagegen spielt mit der Realisierung zukünftiger Möglichkeiten. Der Name ist der Replikanten produzierenden Firma aus dem Film "Blade Runner" entnommen, und so stellt sich "Tyrell.Hungary" als Biotechnologiefirma vor, die mit Gen-, aber auch mit Informationsmanipulationen genetischer und kognitiver Art arbeitet. Der Kunde kann den eigenen genetischen Code verändern lassen, andere Lebensformen ausprobieren, sich in Zeiten der Rezession einen komplett neuen Kundenstamm für seine Firma erzeugen lassen, neue Seuchen ordern, für deren Bekämpfung erfolglose Mediziner dann öffentliche Gelder beantragen können; alles, wovon die Genforschung und die freie Marktwirtschaft bisher nur träumen können. Neben einem persönlichen, nach eigenen Wünschen programmierbaren Sklaven wird auch eine Selbstdefinitions-Maschine angeboten, die einem die Suche nach der eigenen Identität abnimmt, oder eine Software, die das Eindringen in das Denken von anderen ermöglicht. Das Projekt "Tyrell.Hungary" lebt
in erster Linie davon, daß es in einem vernetzten Raum existiert,
in dem Reales nicht leicht von Fiktionalem getrennt werden kann. Dadurch
erhält es eine Intensität, die auf ganz andere Art und Weise
wirkt, als z.B. der als Fiktion ausgewiesene Roman "Schöne neue
Welt" von Aldous Huxley. Es läßt die Utopie als möglich,
sogar nicht fern von der Realisierung erscheinen, erzeugt also eine
Unmittelbarkeit, die der expliziten Fiktionalität verwehrt bleibt.
Erst die Vernetzung erlaubt solche Spiele: Da die Grenzen zwischen Kunst
und Realität nicht mehr klar durch räumliche Verortung (an
Galerien, Museen oder zwischen Buchdeckeln) gekennzeichnet ist, können
Projekte wie "Tyrell.Hungary" mit der Konsumgier der Benutzer spielen.
"Verbarium" von Christa Sommerer und Laurent Mignonneau erklärt den Text zum "Dünger" für einen Urwald. Jede Texteingabe in einem Feld führt zum Wachstum einer Pflanze und im Ganzen gesehen zur Expansion eines urwaldähnlichen Biotops. Dieser Transformationsprozeß führt dazu, daß die Gestalt von Zeichen nicht mehr festgelegt ist - beliebige Metamorphosen sind möglich und eröffnen neue Darstellungsformen, zeigen aber auch, daß wir uns in Zukunft mit neuen Bedeutungsvermittlungssystemen auseinanderzusetzen haben, die nicht mehr nur mit den traditionellen semiotischen Systemen arbeiten. Das Programm "MetaSynth" erlaubt es dagegen, Töne in Graphik und Graphik in Töne umzuwandeln. Die Zeichensysteme können reibungslos ineinander transformiert werden, der Benutzer kann beide Systeme - Bild und Ton - manipulieren, so daß sich im jeweils anderen Bereich entsprechende Änderungen ergeben. Ähnliches praktiziert die Software "Earshot", die beim Surfen im Netz die HTML-Tags einer Webseite als Töne wiedergibt. Wenn nun alle akustischen, textuellen und graphischen Zeichensysteme untereinander transformierbar sind, verschwimmt die Funktionszuweisung für die Bedeutungsvermittlung, aus der Transformation können neue bedeutungsvermittelnde Systeme entstehen. "INCorpos" spielt mit den Transformationsmöglichkeiten auf sozialer Ebene. Das Projekt arbeitet mit einem fingierten Meetingpoint - ähnlich dem eines Chats - nur werden die Benutzer mit Bildern realer Menschen repräsentiert, um die Illusion einer realen Präsenz zu erzeugen. Gleichzeitig wird dazu aufgefordert, Photographien einzusenden, die nach Wunsch fragmentiert werden, so dass nur noch einzelne Körperteile zu sehen sind. Diese können zu einem neuen Gesicht zusammengesetzt werden, das allerdings durch seine patchworkartige Unproportioniertheit einen extremen Verfremdungseffekt erzeugt. Die Freiheit, im Netz in beliebige Rollen zu schlüpfen, wird damit als Teil einer multiplen Persönlichkeit visualisiert. Im Unterschied zu BodiesInc. von Victoria Vesna, das dem Benutzer ermöglicht, sich einen Avatar aus einem breiten Angebot an beliebig kombinierbaren Körperteilen zusammenzusetzen und käuflich zu erstehen, erzeugt INCorpos durch den Authenitizitätsbezug von Photographien, die plötzlich in einen völlig anderen Kontext gestellt werden, eine seltsame Spannung zwischen dem, was möglich ist und dem, was tatsächlich ist.
Zur technischen Gruppe gehören der "Impermanence Agent", der die Intertextualität des Netzes für die Erzeugung von Geschichten fruchtbar macht, der "Web Stalker", der die intertextuelle Vernetzung visualisiert und die textuellen Symbolebenen des Computers freilegt, und "Golem@home", das die Erzeugung und Migration von künstlichem Leben im Netz jenseits der Kontrolle des Benutzers ermöglicht. "Conversation with Angels", das seinen literarischen Charakter aus der Kommunikation räumlich entfernter Benutzer bezieht und "Toywar", das die technische Vernetzung zum Kern einer politkünstlerischen Protestaktion machte, nutzen die vernetzte Kommunikation für ihre Zwecke. Virtualität als das erzeugbare Mögliche ist damit allen hier beschriebenen Projekten zueigen: Sie nutzen das technische System, um in unterschiedlicher Weise neue oder modifizierte Formen sozialen Handelns und psychischer Wahrnehmung zu erzeugen. Dabei arbeiten sie meistens mit Effekten, die - da sie auf Prozeß und Transformation beruhen - nicht speicherbar, nicht lokalisierbar, damit auch nicht mehr sichtbar und auch nicht vorhersehbar sind. Ausgehend von der These, daß wir es bei all diesen Projekten mit Literatur zu tun haben - denn darauf zielen meine Thesen in erster Linie ab - müssen wir uns wohl darauf gefaßt machen, daß die Veränderungen für den Literaturbegriff noch viel gravierender sind, als wir es bisher ahnen. Die kategorische Erklärung, hier hätten wir es ja nicht mit Literatur zu tun, greift nicht - gerade die Frage, inwieweit Literatur- und Textbegriff einander überschneiden, wird mit der ästhetischen Praxis in digitalen Medien wieder neu gestellt. Denn mit Text sind wir allemal konfrontiert - sowohl in der Kommunikation als auch in den tieferen Schichten der Programmiersprachen. Dies zur Erklärung meiner Schlußthese, die lautet:
Anmerkungen: [1] "Hypermedialität" ist im Unterschied zur Multimedialität, bei der verschiedene Zeichensysteme nebeneinanderstehen, durch genau diese gegenseitige Abhängigkeit geprägt. Vgl. auch Hall, Wendy/Lowe, David: Hypermedia & the Web. An Engineering Approach. Chichester u.a. 1999, S. 6. [2]
Vgl. zu einer ausführlicheren Entwicklung dieses Begriffs: Heibach,
Christiane: The Process Appears. Representation and Non-Representation
in Computerbased Art. In: Ascott, Roy (Hg.): Art, Technology, Consciousness
- mind@large. Bristol/Portland (intellect books) 2000, S. 47-52. |