Der digitale Literaturbetrieb: 10 Thesen

1. Das WWW ist ein Veröffentlichungs- und Distributionsmedium. Es kann von allen Teilnehmer dazu verwendet werden. Zu den klassischen Massenmedien kommt Minimedia und Middlemedia hinzu. Die Massenmedien verlieren an Diskursmacht.

2. Es entsteht ein kollektiv produzierter Gesamttext, der ein großes Gemeinschaftspotential mit hohem Anonymitätswert aufweist.

3. Die Besiedlung und Interpretation des neuen Raumes ist eine Auseinandersetzung verschiedenster Interessengruppen mit unterschiedlicher Macht, und sich immer ähnlicher werdenden Strategien. Diese Subkulturen sind global erreichbar.

4. Im Netz gibt es (bisher) keine überprüfbare Identität.

5. Die Bewertung von Kultur als Ware der Informationsindustrie führt zu einer Dynamisierung des Begriffs und zu neuen Problemstellungen in verschiedensten Bereichen (z.B. Autorschaft, Copyright, Werkbegriff, Qualität). Literatur verläßt ihre angestammten Orte, das Netz bietet neue Artikulations- und Darstellungsformen. Damit verbunden sind wirtschaftliche, soziale und ästhetische Verschiebungen. Urteilsbildung findet verstärkt über kommunikative Momente (Polling) statt - weg von Expertenmeinungen, hin zu Mehrheitsmeinungen. Beziehungen zwischen Verlagen, Auslieferungen, Buchhandlungen, Autoren ändern sich.

6. Die IT-Industrie profiliert sich in Bereichen, die bisher dem Buchmarkt vorbehalten waren. Gleichzeitig verschieben Verlagshäuser ihre Arbeitsschwerpunkte.

7. Mehr Verantwortung trifft den Einzelnen durch die starken Tendenzen zum Individualismus, die mit der Globalisierung einhergehen.

8. Das Netz verlangt disparate, fragmentierte Texte, diese zirkulieren weltweit, verweisen ständig aufeinander und finden sich in unzähligen Kombinationen, oft als Polytexte, wieder.

9. Die ästhetisch schwierigen Formen der Literatur und Kunst, die sich nicht für die Vermarktung durch die Unterhaltungsindustrie eignen, brauchen mehr denn je eine Lobby. Die Verschiebung kultureller Werte legt mehr Gewicht auf global verwertbare Stoffe im Gegensatz zu lokalen Gütern. Der Kleinverleger wird ersetzt durch den Eigenverleger. Gleichzeitig werden im Zuge der Liberalisierung Budgets für Kulturförderung gekürzt und Verantwortlichkeiten in privates Sponsoring verlagert.

10. Die Verlage beteiligen sich wenig an der Entwicklung der Kommunikationstechnologien. Vor allem die literarischen Verlage betreiben eine Vogel Strauß Politik. Zwar negieren sie das Netz nicht, denn, wer kann heute noch ohne Website Geschäfte machen? Die neuen Formen, die sich allerorts ergeben, nehmen sie aber kaum wahr. Genügt die Feststellung, Literatur im Netz gäbe es nicht, damit es sie auch tatsächlich nicht gibt? Tatsächlich entstehen Strukturen, werden Geschichten erzählt und finden sich neue Allianzen. Es ist nicht damit getan, das Buch ins E-Book zu transferieren. Aufgabe der Verlage und der Autoren ist es, mitzubestimmen und mitzugestalten, Experimentierfelder zu eröffnen und in größeren Zusammenhängen zu denken.


1. Das Netz als partizipatorisches Medium

"The dream behind the Web is of a common information space in which we communicate by sharing information. Its universality is essential: the fact that a hypertext link can point to anything, be it personal, local or global, be it draft or highly polished." Mit diesem Anspruch an das WWW hat [1] Berners-Lee den Grundstein für das Netz als partizipatorisches Medium gelegt. Das WWW bietet jedem Menschen, der über einen Computer und einen Internetzugang verfügt, die Möglichkeit, dort Dokumente zu veröffentlichen. Im Unterschied zum teuren und schwerfälligen Buchdruck kann damit jeder sein eigener Verleger sein. Das WWW ist ein riesiges Publishingsystem, das aus unzähligen Mikroöffentlichkeiten besteht. Prinzipiell ist das Netz weltweit und "für alle" zugänglich, tatsächlich steht es aber vorrangig den sozial höheren Schichten der Industrienationen zur Verfügung und verlangt nach der dominierenden englischen Sprache.

Amy Bruckman beschreibt 1995 in dem Artikel "Cyberspace is Not Disneyland" das Netz als "a finger-painting party. Everyone is making things, there's paint everywhere, and most work only a parent would love. Here and there, works emerge that most people would agree are achievements of note. The rich variety of work reflects the diversity of participants. And everyone would agree, the creative process and the ability for self expression matter more than the product." [2] Mit dem WWW ist eine fast unüberblickbare Szene von Schreibenden und Publizierenden entstanden, die in den Vereinigten Staaten 'personal narrative' genannt wird. Die personal narrative Szene, die das Minimedia bildet, interessiert sich nicht für Qualität, Absatz oder Gewinn. Im globalen Medienverbund läßt sich für jedes Thema ein Ansprechpartner finden. Software wie Blogger erlauben das schnelle und einfache Erstellen von Websites. Daraus leitet sich der Begriff Weblog für die unzähligen Tagebuchprojekte ab.

Weblogs, die es sich neben der Tagebuchfunktion auch noch zur Aufgabe gemacht haben, über andere Weblogs und Sites zu berichten und deren Inhalte mit Freunden, Bekannten und anderen Usern zu besprechen, bilden die Ebene des Middlemedia. Hier werden Geschichten zusammengetragen, Seiten vorgestellt, wird gewertet, verteufelt und diskutiert. Metafilter (www.metafilter.com) war eines der ersten Weblogs, das auf privater Basis begann, Content zu sammeln und zu recyclen. Auf den Sites der neu entstandenen Middlemedia Ebene zeigt sich, wie das Netz die Produktion von Polytexten fördert: Texte kommen immer wieder vor, verweisen aufeinander, werden weitergeleitet, übersetzt, in Newsgroups zitiert, analysiert und wieder im Netz veröffentlicht. Kommerzielle Middlemedia Sites nutzen dieses kommunikative Prinzip in Verbindung mit den Zugriffszahlen der User, "recycling the web" heißt das bei Plastic, "The Encyclopedia of Everything, Built by Everyone" bei The Vines. Polling-Modelle setzen sich für Qualitätsermittlung im Netz immer mehr durch, das gilt auch für die Literatur (www.t-online.de/literaturpreis/ oder www.delreydigital.com).

2. Hyperfiction und der deutschsprachige Literaturbetrieb

Hyperfiction ist Literaturtheorie und -praxis, Medienkritik und ästhetisches Modell in einem. Die digitale Erzählform reklamiert postmoderne Literaturtheorie und –praxis, sprachwissenschaftliche Modelle, Literaturkritik und literarische Utopien für sich. Das Konzept des Hypertexts, verbunden mit dem Computer, versprach die radikale Änderung der Erzählform: vom Roman zum Hypertext. Damit wiederholten sich große Begriffe – Gott ist tot, das Buch ist tot, der Roman ist tot.

Hyperfiction als Form der Computerdichtung der achtziger und frühen neunziger Jahre thematisiert auf theoretischen Ebene oft die Frage nach der Existenzberechtigung im literarischen Kanon. Die Arbeiten bleiben dem Medium Buch verhaftet, gegen das sich Hyperfiction ausspricht, das für tot erklärte Buch bleibt das Maß aller Dinge. Eingezwängt von den begrenzten technischen Möglichkeiten der frühen Software und der Definition eines neuen Mediums (Computer, Hypertext) über ein altes (Buch, Schrift), ist es den Hyperfictions nicht gelungen, sich durchzusetzen.

Die Rezeption der "Computerliteratur" erfolgte im deutschsprachigen Raum über die Vereinigten Staaten, und hier besonders über das Hypertext-Konzept. Dieses beinhaltete die Botschaft vom Ende des Buches in Verbindung mit der Netzmetapher. Hypertext hat sich als Synonym für digitale Literatur eingebrannt. Dieser Diskurs bestimmt bis heute die mediale, wissenschaftliche und ästhetische Auseinandersetzung um Literatur und Neue Medien. Eine Auseinandersetzung um den Tod des Buches, um die Grenzen der Schrift, die Macht der Autoren, der Leser …

Der Literaturbetrieb setzt Neue Medien gleich mit diesen Punkten und verhält sich abwartend.

Viele der mit dem Hypertext und Hyperfiction verbundenen Ideen, Forderungen und Utopien scheinen im WWW aufgegangen zu sein. Die unter den Usern verteilte Macht, Mitbestimmung in Foren wie www.plastic.com, anonyme Autorschaft, wechselnde Identitäten, Plagiat, Publizieren für Alle, sind von der Netzkunst und von der IT-Industrie übernommen worden. Mark Amerika, Betreiber von Alt-X umreißt die Entwicklung im Interview als technologische: "Hypertext ist ein Kompositions- und ein Publikationswerkzeug in einem. Da es nur auf Diskette erhältlich war, hat es kein Publikum erreicht, und niemand wußte davon. Es hatte diesen dritten Aspekt nicht dabei: den eines Marketingtools. Mit HTTP ist das dazugekommen."

3. Content Business

Änderungen für Verlage
Die Verwaltung von Inhalten und die Festlegung von Qualitätsmerkmalen war seit Gutenberg die der Verlagsindustrie zugedachte Aufgabe. Durch die digitalen Kommunikations- und Veröffentlichungsmedien findet ein Paradigmenwechsel statt. Multimediakonzerne mischen sich ins Geschäft, immer mehr Autoren versuchen, sich mit eigenen Strukturen über den Betrieb hinwegzusetzen. Die Printverlage verfügen über die Autorenkontakte und über starke Marken, ob diese stark genug sein werden, einen Wechsel in das neue Medium zu überleben, wird sich herausstellen.

Die stärksten Auswirkungen haben die neuen Technologien bisher auf die enzyklopädischen Verlage gehabt. Deren Inhalte, kurze, lexikalisch organisierte Einheiten, sind für die Verwertung im Netz und mithilfe der Neuen Medien besonders gut geeignet. Vor zehn Jahren kostete die Encyclopædia Britannica knapp DM 1000.-, heute ist sie als CD-ROM um DM 169.- erhältlich. Microsoft mischte sich in das Geschäft ein und veröffentlichte 1996 die CD-ROM "Encarta Enzyklopädie". Von 1990 bis 1997 ging der Absatz der gedruckten Encyclopædia Britannica um fast 90 Prozent zurück. Der Verlag wurde verkauft, der neue Besitzer wollte das Lexikon online vermarkten. Für 5 USDollar monatlich konnte man den Zugang zur Web Enzyclopædie abonnieren. Was nicht funktionierte, die Encyclopædia Britannica ist seit Herbst 1999 gratis im Netz abrufbar.

Inhalt als die wichtigste Ware der Verlage ist sowohl in der Definition, als auch in der wirtschaftlichen Bedeutung einem Wandel unterworfen. Bisher als kulturell wertvoll definierte Inhalte wie verlieren in der Informationsgesellschaft an Bedeutung, da sie in den Neuen Medien schlecht verwertbar sind. Es werden kurze Texteinheiten mit spezialisiertem Inhalt verlangt, die in Kombination mit anderem Content wieder neue Zusammenhänge herstellen können. Ein und derselbe Text kann im Netz in verschiedenen Sprachen, Kontexten und auf mehreren Sites vorkommen. Mit dem klassischen Modell Buch haben diese Polytexte wenig gemein. Das Internet als "Contentindustrie" bedroht die klassischen Geschäftsgebiete der Verlagsindustrie und bietet gleichzeitig neue Möglichkeiten. Vor allem die Literaturverlage orientieren sich am Modell Buch, wie auch ihr fast ausschließliches Engagement für das E-Book zeigt.

Die Verteilung der Diskursmacht in den Medien hat sich verändert. Aufmerksamkeiten laufen viel breiter gestreut. Parallel zu den medialen Entwicklungen wird outgesorced, oft wieder über die Neuen Medien: Transportkosten fallen weg, Lektorat, Pressebeobachtung, PR, der Vertrieb werden ausgelagert. Verlegerische Ideale wie die Dauerhaftigkeit eines Werkes werden ersetzt durch Aktualitäts- und Produktionszwang, Leser wachsen heran, die den Bildschirm als gleichberechtigtes Lese- und Kommunikationsgerät mit dem Buch kennengelernt haben. Das klassische Verlegerverständnis steht zur Disposition, die Produktions- und Innovationszyklen werden kürzer. Aktualität wird zum Qualitätskriterium. Ein Werk ist für die Dauer des Urheberrechtsschutzes verwertbar, danach bleiben Bearbeitungen und Inszenierungen.

Gleichzeitig entläßt die Politik die Verlage zusehends in die Freie Wirtschaft, etwa indem Portovergünstigungen für Periodika abgeschafft werden.

Die neuen Verleger und ihre "Lösungen"
Die "neuen" Verlage im Netz präsentieren sich als offene Foren, die allen offenstehen. Der Literaturbetrieb, über Jahrhunderte zum Kontrollmechanismus über Qualität und Zugang gewachsen, verliert an Macht. Das weltweite unkontrollierte Wachstum von Texten und Dokumenten wird erst durch das Netz möglich, mit allen Vorteilen und Nachteilen. Von Vorteil ist, dass sich Subkulturen über das Netz besser organisieren können, dass Kleinverlage, Fanzines, die unterschiedlichsten Interessengruppen weltweit auffindbar und erreichbar werden.

Verlage definieren sich als Informationsdienstleister, sie publizieren nicht mehr für bestimmte Medienformate, sondern stellen die Bedürfnisse ihrer jeweiligen Zielgruppe in den Mittelpunkt. Sie produzieren Inhalte, die nach Bedarf für unterschiedliche Medienformate aufbereitet werden. Dazu müssen Daten medienneutral gespeichert werden, also in einer Form, die eine Weiterverwendung leicht möglich macht. Das Konzept des medienneutralen Publizierens zielt darauf ab, Texte in ein digitales Einheitsformat zu bringen und sie zu archivieren.

Medienneutrales Publizieren verweist weniger auf kreative Lösungen, als auf die oft zähe und mühsame Umstellung alter Produktionsstrukturen. Diese Umstellung wird noch einige Jahre dauern. Wer wissen will, wie es um die kreative Kraft vieler Verlage im Bereich der Neuen Medien steht, der braucht sich nur einige der Websites anzuschauen. Die bestehen meist aus einer statischen Auflistung von Titeln mit Klappentexten und Autorenporträts, Auslieferungs- und Veranstaltungsterminen.

Auf der formalen Ebene kommen zu gebundener Buchausgabe und Taschenbuch neue "Buchformate" hinzu: beim E-Book wird der digitale Text als "Buch" aufbereitet, allerdings nicht gedruckt. Das E-Book führt eine neue Preiskategorie im Buchhandel ein.

Im Fall von Print on Demand erscheint der Text wieder als Buch: wird ein Titel bestellt, so wird er gedruckt und ausgeliefert. Das zahlt sich bei Auflagen unter 500 Stück aus, darüber ist der Offsetdruck lukrativer.

Eine weitere wichtige Ebene sind die Änderungen für Vertrieb und Organisation von Texten in den neuen Zusammenhängen des Netzes.

Änderungen für Copyright
Content bezeichnet, da die Computertechnologie dazu tendiert, alle Medien in sich zu vereinen, alle digitalen Daten: Bild, Ton, Text und Software, Daten von Usern, Emailadressen, Archive, Newsgroups. Bisher akzeptierte Normen in Produktions- und Wirtschaftsabläufen beginnen sich zu ändern, ebenso wie kulturelle, gesellschaftliche Übereinkünfte.

Im Februar 2001 ging ein Aufschrei durch verschiedene Communities: Google, eine von IBM betriebene Suchmaschine, kaufte das Usenet Archiv. Usenet ist eine Sammlung von Newsgroups, in denen über 500 Millionen Nachrichten, "über ein Terabyte menschlicher Konversation", wie es der Pressetext auf der Google Site formuliert, gesammelt sind. Auch Software, verschiedene Domains und Trademarks gehörten zum Verkaufspaket, dessen Preis nicht bekanntgegeben wurde. Ihren Wert erhält diese Sammlung von Nachrichten und Meinungen Einzelner dadurch, dass sie als Datenbank aufbereitet leicht durchsucht werden kann. Die Gesamtheit der Einträge stellt einen größeren Wert dar als die Summe ihrer Einzelteile. Ein Werk, das in Kleinarbeit Einzelner gratis ins Netz gestellt wurde, erhält wirtschaftlichen Wert. Die Beteiligten gingen leer aus.

Den besten Zugriff auf die Daten einer Community hat der, der den Server betreibt, die Mailingliste oder Newsgroup verwaltet. Durch diese multiple Autorenschaft verschiebt sich die Copyrightproblematik. Nicht mehr ein Verleger verhandelt mit einem Autor, sondern der Inhaber der Technologie mit sehr vielen Autoren, die außerdem noch anonym auftreten können.

Die neue Art der Besetzung von Wissen durch global agierende Verlagskonzerne zeigt sich auch bei naturwissenschaftlichen Publikationen. Wenige große Firmen beherrschen den Markt. Konnten bisher wissenschaftliche Aufsätze in Zeitschriften in Bibliotheken gelesen und fotokopiert werden, so veröffentlichen die großen wissenschaftlichen Verlage diese Inhalte zusehends nur mehr elektronisch. Die Bibliotheken bezahlen dann nicht mehr wie bisher für das Zeitschriftenabo, sondern je nach der Zahl der Leser, die einen Artikel gesehen haben. Gesehen im wahrsten Sinn des Wortes. Denn der Ausdruck des Artikels ist verboten. Damit kann das wissenschaftliche Wissen nicht mehr frei zirkulieren: eingeschränkt werden Forscher, die über geringe finanzielle Mittel verfügen ebenso wie die, deren Universität oder Bibliothek nicht die notwendigen technischen Einrichtungen besitzt. Gefährdet ist auch das Archiv des Wissens: die Zuverlässigkeit digitaler Speicherformate ist unbekannt, von einer CD-ROM erwartet man 50 Jahre Haltbarkeit, doch, überprüfen konnte das noch niemand … Bisher stellen Wissenschafter ihre Publikationen wissenschaftlichen Zeitschriften meistens kostenlos zur Verfügung und treten das Copyright an die Verlage ab. The Public Library of Science fordert, dass wissenschaftliche Artikel nach einer Schutzfrist von sechs Monaten, in denen die Verlage Gewinne lukrieren können, der Allgemeinheit gratis zur Verfügung stehen.

Änderungen für Autoren
Print on Demand, oft als "Befreiung der Autoren" gepriesen, da sie nun selbst über die Produktionsmittel verfügen, stellt die Autoren auch vor völlig neue Anforderungen. Sie sind im WWW Käufer und Verkäufer, Autor und Rezensent gleichzeitig. Die unzähligen Möglichkeiten zu publizieren, die zunehmende Definition von Verlagen als reine Dienstleistungsunternehmen verlangen verstärkt Manager- und PR-Qualitäten von den Autoren.

Im Unterschied zum E-Book Format zielt Print on Demand (POD) auf das Erscheinen eines Textes als Buch. Print on Demand profitiert vom elektronischen Format, da dieses im Gegensatz zum Buch kaum Lagerkosten hat: 150 Seiten Text im PDF-Format benötigen ungefähr 600 KB Speicherplatz. Ein Remissionsrecht gibt es bei BOD nicht, da der Druck der Bücher die Provisionszahlung an den Autor auslöst und eine zweimalige Vermarktung ausgeschlossen werden muß. Der Buchhändler muß bestellte POD-Titel daher in jedem Fall bezahlen. Ob er sich viele solcher Kleinstauflagentitel in sein Sortiment nehmen wird, bleibt fraglich. Damit hat der Kunde aber kaum eine Chance, das Buch vor dem Kauf zu sehen. Daher brauchen Verleger, die in einem globalen Medienverbund agieren, überschaubare Ansprechpartner mit bekannten Interessen, um Marktchancen bestimmen und nutzen zu können. Autoren werden als Ziel- und Herausgebergruppen interessant, neue Strukturen entstehen, die – gratis oder gegen Bezahlung – auf die meist im Selbstverlag erschienen Bücher aufmerksam machen wollen, PR, Lektorat, Grafik und Werbeservices anbieten, von der Erstellung einer Website bis zur Präsentation des Buches.

Die Autoren, gerade befreit von der Diktatur des Literaturbetriebs, erhalten mit den neuen Freiheiten neue Verbindlichkeiten. Wenn Autoren zu Verlegern werden, müssen sie auch neue Aufgaben übernehmen. Immerhin neun Webseiten füllt die Anleitung beim Print on Demand-Anbieter bod.de "So funktioniert´s". Kaufmännische und kommunikative Qualitäten sind gefragt, teilweise, wie bei Del Rey Digital müssen Copyrights hergegeben werden, um in Foren dabeisein zu dürfen.

Offene Definitionen von Literatur, interdisziplinäres Arbeiten im gesamten Literaturbetrieb, ermöglicht durch zusätzliches Know How für alle Teilnehmer (Kreative, Betrieb, Wissenschaft) und flexible Vorgehensweisen bei den Verwertungs- und Interessenvertretungen werden notwendige Maßnahmen für die Literatur der kommenden Jahre sein.


[1] Berners-Lee, Tim: The World Wide Web: A very short personal history. <www.w3.org/People/Berners-Lee/ShortHistory.html >

[2] Bruckman; Amy: Cyberspace is Not Disneyland: The Role of the Artist in a Networked World. 1995 <www.cc.gatech.edu/~asb/papers/getty/disneyland.html>


Dieser Text beruht auf dem Buch: Literatur im Netz, Triton Verlag, Wien, 2001