Teile und melke: Ars Electronica 2.0


Johannes Auer, Linz 09.09.2008


Wer hat nicht schon alles auf den fetten Wiesen des Web 2.0 gegrast und verdaut. Wiedergekäut, gegrast, wiedergekäut... Und endlich wurde geARSt.

Kühe, Bauern und viel grasdollargrünes MoosMoosMoos: Das Symposium der diesjährigen ARS Electronica kuratiert von Joichi, dem guten Hirten, Ito stand ganz im Zeichen der bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Web 2.0. Getaggt wie folgt: Peer=gutgutgut (Economy!), Share=gutgutgut (Economy!), Open=gutgutgut (Economy!), Partizipation=gutgutgut (Economy!)...
Und während die Kühe zufrieden Content geben, rülpst der Bauer und streichelt seinen schnell fettwerdenden Bauch. Doch verlassen wir kurz diese arkadische Landschaft 2.0.

Frage: wäre es nicht angebrachter auf einer ARS zu Entmischen, zu Unterscheiden, zu Problematisieren?
Zugespitzt formuliert: Bei Sharing denkt ein Joichi Ito leuchtenden Auges an ein Geschäftsmodell, ein Open-Culture-Aktivist blauäugig an ein Gesellschaftsmodell. Und machen wir es uns nichts so leicht wie die ARS: beides ist auf die Dauer wahrscheinlich nicht kompatibel. Auch wenn sich beide am Urheberrecht reiben, der Juckreiz ist nicht der gleiche.

An dieser Stelle sei ein Gespräch mit einem Referenten in einer Pause erwähnt, der auf diese Bedenken antwortete: schon schon, aber es gaebe doch eine zwangsläufige Überschneidung zwischen Geschäft und Allmende. Diese notwendigen Web-Plattformen würden doch immenses Geld kosten!
Jo! Aber... peerpeerpeer... muss das so sein? Ein Flickr, ein YouToube, ein Web2.0sonstwaswennesdennseinmuss auf intelligenter P2P Basis, undenkbar? Napster, sagte einer, war einmal eines der grössten Archive, das die Menschheit je zustande gebracht hat und - um unseren Tierpark zu erweiten - die ganzen Mulis und Bit-Torros sind auch Google frei umfänglich belastbar.
Aber natürlich ist so keine Blogosphäre schaffbar, grüble ich gehorsam, während ich verschämt an eine Mailingliste und ins Usenet poste. Und gar die Wikiwikipedia? Summend hoffe ich hier, ganz ARS inspiriert, auf die schwärmerische Intelligenz der Herde und ein wenig fein Gehacktes und frage mich abschweifend, warum in Deutschland die Öffentlichrechtlichen sich kürzlich bei ihren Internetversuchen ganz wikiwiki zur Sau haben machen lassen müssen?

Doch während wir uns brav um Commons und Allmende sorgen und an urheberrechtlichen Knebeln leiden, sind wir Kühe schon dankbar in CC-Lassowurf Reichweite der Content-Cowboys.

Slavoy Zizek schreibt in seinem Essay 'Der liberale Kommunist': "Liberale Kommunisten sind Topmanager, die den Geist des Wettbewerbs beleben oder, aus umgekehrter Sicht, gegenkulturelle Computergeeks, die die grossen Konzerne übernommen haben. (...) Der Signifikant des liberal-kommunistischen Neusprech heisst 'smart'. Smartsein bedeutet dynamisch, nomadisch und gegen zentralisierte Bürokratien zu sein; an Dialog und Zusammenarbeit zu glauben anstelle von zentralisierter Autorität; an Flexibilität anstelle von Routine; (...) fuer spontane Interaktion und Autopoiesis und gegen starre Hierarchien."
[http://cicero.de/97.php?ress_id=9&item=1215]

Fuer "liberale Kommunisten", als Selfmade-Weltretter, gibt es daher auch keine Ausbeutung oder größere gesellschaftliche Zusammenhaenge, sondern nur konkrete Probleme, die man lösen kann. überspitzt formuliert: am besten mit einem Softwaretool und passendem Geschaeftsmodell, gerne im Web 2.0. Und die Content-Milch dazu liefert die Cowmunity frei Haus.

An dieser Stelle sei durchaus zugegeben, dass diese viehischen Analogien hinken wie der Teufel im Weihwasser. Und naivaktivistisch liesse sich auch fragen, was falsch daran ist, wenn ein W2NullEntrepreneur den Stall fuer seine Kühe liebevoll bereitstellt? "Nix natürlich"!, antwortet Joseph und Maria ganz weihnachtlich gestimmt. Nur....! Mal abgesehen davon, dass Ochs und Esel 2.0 ihr Futter selbst und sonstwo besorgen muessen (und zu diesem Irrsinn der 'new cultural economy' hätte man gerne beim Symposium etwas gehört, aber null nix nada, nicht das kleinste Bäuerchen) NUR...! NUR...!:
Es entscheidet der Bauer ganz allein, ob und wann der Stall abgerissen, wann die Kuh geschlachtet wird.

Muh? Uuuuuuuh!!!